Die Stärke der US-Wirtschaft liegt in den Verbraucherausgaben, die in den letzten vier Quartalen auf Jahresbasis um durchschnittlich 2,3 Prozent gestiegen sind. Das entspricht etwa dem Trend vor der Pandemie. Im Vergleich dazu sind in der Eurozone die realen Verbraucherausgaben um 0,2 Prozent gestiegen – vor der Pandemie lag der Trend bei 1,6 Prozent –, im Vereinigten Königreich gingen die Verbraucherausgaben um 0,7 Prozent nach oben, gegenüber einem Trend von 2,1 Prozent.

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Es gibt eine Reihe von Gründen, warum US-Verbraucher bereit sind, weiterhin ihr Geld auszugeben. Einige davon könnten noch einige Zeit bestehen bleiben, viele werden jedoch in den kommenden Monaten nachlassen.

Aufgestaute Ersparnisse:

US-Verbraucher erhielten während der Pandemie eine bedeutende staatliche Unterstützung in Form von per Post versandten Schecks – und waren im Gegensatz zu den Verbrauchern in Europa bereit, ihr Geld auch auszugeben. Doch abgesehen von der Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Einkommen sind diese inzwischen aufgebraucht.

Arbeitsmarkt und Realeinkommen:

Der Arbeitsmarkt ist weiterhin stark, und der Druck auf die Reallöhne lässt bereits seit einigen Monaten nach, da die Verbraucherpreise für Energie seit März wieder sinken. Obwohl die meisten Messgrössen darauf hindeuten, dass der Arbeitsmarkt relativ stabil bleiben wird, beginnt sich das Lohnwachstum abzuschwächen, während gleichzeitig die Ölpreise wieder steigen. Das könnte sich wiederum negativ auf die Realeinkommen auswirken.

Zinssätze und Immobilienmarkt:

Die Zinssätze belasten das Verbrauchereinkommen nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit, als ein viel grösserer Anteil der Haushalte Hypotheken mit variablem Zinssatz hatte. Mittlerweile verfügen die meisten Haushalte über 30-jährige Festzinssätze, die sich viele bereits im Jahr 2020 zu Sätzen von rund 3 Prozent gesichert haben. Sofern diese Personen nicht umziehen oder Eigenkapital abziehen müssen, bleiben ihre Hypothekenschulden von den Massnahmen der Fed unberührt.

Andere sehen sich hingegen mit einem Hypothekenzins konfrontiert, der wahrscheinlich 7,5 Prozent übersteigt, wenn der jüngste Ausverkauf bei Anleihen durchschlägt. Dies dürfte zu einem weiteren Rückgang bei Transaktionen und Bautätigkeiten führen. Auch die steigenden Kosten für ungesicherte Kredite (die 30 Prozent aller Verbraucherschulden ausmachen) werden sich allmählich auf die Kauffähigkeit auswirken.

Finanzpolitik:

Nachdem die Postschecks eingestellt wurden hat Präsident Biden gelernt, dass es einfacher ist, fiskalische Almosen zu geben als diese zurückzunehmen. Allerdings weisen die USA ein Defizit von mehr als 7 Prozent des BIP auf, was bei Vollbeschäftigung in der Wirtschaft weder angemessen noch nachhaltig ist. Die Rückzahlung von Studiendarlehen wird wieder aufgenommen und vorübergehende Steuererleichterungen in Ländern wie Kalifornien enden ebenfalls. Auch wenn es schwer zu quantifizieren ist dürften die JOBS-, CHIPS- und Inflationsreduzierungsgesetze die Wirtschaftstätigkeit weiterhin unterstützen. Diese Gesetze sind möglicherweise auch der Hauptgrund dafür, dass der Bausektor trotz der schwachen Wohnungsbautätigkeit weiterhin stark bleibt.

Animal Spirits – Irrationales Handeln:

Man sollte sich daran erinnern, dass die Wirtschaftswissenschaften eine Sozialwissenschaft sind und dass wir Prognosen über Menschen erstellen. Das macht es schwierig, die Wende im Konjunkturzyklus vorherzusagen und die Verzögerungen in der Geldpolitik einzuschätzen. Die Haushalte reagieren oft nicht Schritt für Schritt und rational auf eingehende negative Nachrichten, wie unsere Wirtschaftsmodelle vorhersagen, sondern wechseln schnell und kollektiv von übermässigem Optimismus zu Pessimismus. In diesen Tagen muss ich an den Konjunkturzyklus 2006/07 denken, als die Verbraucher ebenfalls viel länger den Entwicklungen getrotzt haben als alle erwartet hatten. Wir alle wissen, wie dieser Zyklus endete. Ein Einbruch in der Grössenordnung der Finanzkrise ist zwar unwahrscheinlich. Aber ich vermute, viele Verbraucher wollen nach der „Ungerechtigkeit“ der Pandemie die verlorene Zeit wieder aufholen, und sind trotz des einsetzenden Gegenwinds nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern.

Doch wenn die Ersparnisse aufgebraucht sind, der Arbeitsmarkt schwächer wird, die Zinssätze sinken und die fiskalischen Benefits enden, wird der Gürtel enger geschnallt und die US-Wirtschaftsaktivität deutlich schwächer. Und so bin ich letztlich immer noch nicht vom „Goldlöckchen“-Marktnarrativ von robustem Wachstum und sinkender Inflation überzeugt und halte Anleihen bei den heutigen Bewertungen für attraktiver als Aktien.