Zu den Personen

Dr. Stephan Hostettler ist geschäftsführender Partner bei Obermatt Partners. Nach der Promotion an der Universität St. Gallen war Stephan Hostettler unter anderem bei der SBC Warburg im Equity Research tätig und bei Stern Stewart & Co., New York, als Vice President in der nordamerikanischen Division für die Einführung von wertbasierten Management- und Kompensationssystemen verantwortlich. Er ist Autor des Bestsellers «Economic Value Added (EVA)», Verlag Haupt, 4. Auflage, 2000. stephan.hostettler@obermatt.com

Dr. Hermann J. Stern ist geschäftsführender Partner bei Obermatt Partners. Er hat als Unternehmer mehrere Firmen gegründet und war jeweils als Finanzverantwortlicher für Finanzierungsvorhaben und Beteiligungssysteme zuständig. Nach der Promotion an der Universität St. Gallen im Bereich Corporate Governance und Wirtschaftsethik war Hermann J. Stern unter anderem Finanzchef bei Bluewin der Swisscom und Finanzmanager bei der Compaq Computer Corporation. hermann.stern@obermatt.com

Obermatt Partners ist auf Lösungen im Bereich der finanziellen Unternehmensführung für Schweizer Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte spezialisiert, die wir bei Einführungen von Kompensations- und Beteiligungssystemen, Analysen von Unternehmens- und Akquisitionswerten, Realisierungen von Finanzierungsvorhaben und -umstrukturierungen unterstützen. www.obermatt.com

Wer kennt die Situation nicht: Kurz vor Jahresende beginnen viele Manager, ihre Jahresergebnisse gezielt zu verändern. Es werden Kosten und Gewinne in die nächste Abrechnungsperiode verschoben oder, ganz plötzlich, lange aufgeschobene Investitionen getätigt. Einer der Hauptgründe für diese Fehlleistungen: Gängige Bonuspläne machen Manager zu Etappenwölfen. Denn werden Leistungsziele alljährlich neu festgelegt, wird auch die Verantwortung für Entscheidungen nur im Jahrestakt getragen.

Eine funktionierende, leistungsorientierte Entlöhnung sollte die Verantwortung für gefällte Managemententscheidungen einbeziehen. Aktienoptionen und andere Vergütungen, die unabhängig von der langfristigen Performance zur Auszahlung kommen, sind nur dem Namen nach leistungsabhängige Boni. Leistungsorientierte Belohnung gibt – wenn sie richtig eingesetzt wird – wirkungsvolle Impulse für das Unternehmenswachstum und die Motivation der Mitarbeiter. Daher wäre es auch völlig verkehrt, Bonussysteme von vornherein als dysfunktional zu brandmarken. Es stellt sich hier nicht die Frage des Ob, sondern des Wie.

Ziele eines Kompensationssystems
Ein durchdachtes Bonussystem ist anhand von vier sich teilweise konkurrenzierenden Zielen zu optimieren:
  1. Bindung: Die Managementvergütung muss hoch genug sein, um kompetente Führungskräfte zu rekrutieren und langfristig zu binden, auch in Zeiten schlechter Performance, zum Beispiel auf Grund eines schwierigen Branchen- beziehungsweise Marktumfelds.
  2. Motivation: Die finanziellen Anreize müssen hoch genug sein, um das Management für das Fällen von anspruchsvollen und teilweise unangenehmen Entscheidungen zu kompensieren.
  3. Ausrichtung: Finanzielle Anreize sollen so gesetzt werden, dass Manager Strategien wählen und Investitionen beziehungsweise Akquisitionen vornehmen, die den Unternehmenswert maximieren.
  4. Aktionärskosten: Die Kosten der Boni sollten auf das notwendige Niveau begrenzt werden.
Unsere Erfahrung zeigt, dass typische Bonussysteme dem Ziel der Bindung zu viel Gewicht beimessen und die anderen Anforderungen eines Kompensationssystems zu wenig berücksichtigen. Damit Manager jedoch die volle Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen und das Kurzfristdenken im Unternehmen in Richtung einer langfristigen Wertsteigerung verändert werden kann, ist ein Führungssystem zu finden, das alle oben erwähnten Ziele erfüllt. Im Folgenden werden die wichtigsten Gestaltungselemente neuer Bonuspläne vorgestellt, die das erfüllen.

Keine Limitierung des Bonus
Der Wirkungsmechanismus üblicher Bonussysteme hat etwas Paradoxes an sich: Überdurchschnittliche Leistung wird nämlich nicht entsprechend vergütet.
  • Erfahrungsgemäss besitzen herkömmliche Bonuspläne meist eine Ober- und Untergrenze. Jenseits dieser Marken werden keine Boni mehr gezahlt.
  • Üblicherweise beginnt eine Bonuszahlung bei Erreichen von etwa 80 Prozent der vorgegebenen Leistung. Darunter geht der Manager leer aus.
Werden hingegen mehr als 120 Prozent dieses Ziels erreicht, kommt es zu keiner weiteren Auszahlung mehr. Das Problem liegt auf der Hand: Nur innerhalb einer schmalen Bandbreite von in der Regel 80 Prozent bis 120 Prozent des vorher festgelegten Leistungsziels wirken Bonuspläne leistungsfördernd. Besonders leistungsstarke Führungskräfte können oberhalb von 120 Prozent keine weiteren Zulagen erwarten. Statt zu motivieren, wirkt der Bonusplan plötzlich als Leistungsbremse: Erreicht die Führungskraft Punkt B der Bonuszahlung, besteht ein Anreiz, weitere Umsätze und Gewinne möglichst ins folgende Jahr zu verschieben. Leistet ein Mitarbeiter trotzdem mehr, stellt er sich selbst ein Bein, weil mit grosser Wahrscheinlichkeit seine Vorgaben im nächsten Jahr angehoben werden.

Doch auch am unteren Ende der Skala wird mitunter manipuliert. Manager, die Punkt A nicht mehr erreichen können, haben einen Anreiz, die Situation zu verschlechtern. Durch das Drücken der Ist-Werte verschaffen sie sich für die Soll-Zielverhandlungen im Folgejahr eine bessere Ausgangslage.

Die Lösung heisst Bonus-Bank
Um Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu machen, sollte jede zusätzliche Leistung adäquat angerechnet werden. Erst eine Aufhebung der unteren und oberen Bonusgrenze lässt eine Anreizsituation über den gesamten Leistungsbereich entstehen, die derjenigen eines Unternehmers ähnlich ist. Wer eine überproportionale Leistung erbringt, hat eine überproportionale Belohnung verdient. Auch schlechte Leistungen dürfen nicht übersehen werden, sondern werden in «negative Boni» überführt. Können negative Boni überhaupt veranlagt werden? Die Antwort lautet Ja, mit der Bonus-Bank.

Dabei handelt es sich um ein persönliches Bonuskonto, das sich mit den Leistungen des Managers verändert. Der erreichte Bonus eines Jahres erscheint nicht auf der Gehaltsabrechnung, sondern wird zunächst in die Bonus-Bank überwiesen, die als eine Art Zwischenkonto fungiert. Falls die Bonus-Bank bereits ein Guthaben aufweist, wird es zu den neuen Bonuszahlungen hinzuaddiert. Negative Boni schmälern den Saldo entsprechend. Falls der Endsaldo der Bonus-Bank positiv ist, wird ein Teil davon gemäss eines vorher festgelegten Schemas ausbezahlt. Der Rest wird auf das nächste Jahr übertragen.
  • Eine Bonus-Bank fügt herkömmlichen Bonussystemen entscheidende Verbesserungen hinzu:
  • Die Obergrenze der Zulagen für den Manager fällt weg und somit auch die Leistungsbremse gegen oben.
  • Gewinnsteigerungen zahlen sich für den Manager genau dann in barer Münze aus, wenn diese nachhaltig sind und so auch der Investor von der Wertsteigerung profitiert. Somit wird der kurzfristigen Optimierung von Periodengewinnen entgegengewirkt.
  • Mit negativen Boni wird schlechte Leistung sanktioniert, ohne das Management nicht vollständig zu demotivieren. Denn: Sofern ein positiver Saldo aus besseren Jahren in der Bonus-Bank vorhanden ist, bekommt der Manager eine Zulage – auch wenn diese nicht so üppig ausfällt, wie in einer Boom-Phase.
Mehrjahres- statt Einjahresziele
Damit die Bonus-Bank funktioniert, müssen Performanceziele für mehrere Jahre aufgestellt werden. Manager können so langfristig planen und müssen sich nicht in das Korsett der kurzfristigen Gewinnmaximierung zwängen. Werden die Ziele lediglich jährlich, beispielsweise im Rahmen der Budgetplanung, festgelegt, resultiert für den Manager ein Zielkonflikt: Wenn er heute einen grossen Bonus einstreichen möchte, hat er eine schwierigere Position bei der nächsten Zielverhandlung. Dies würde zu einer eher moderaten Leistung führen.

Angenehmer Nebeneffekt von Mehrjahreszielen: Weil das Budget keine Bonusgrundlage mehr darstellt, wird es auch nicht mehr zum Ziel politischer Einflussnahme der Manager. So kann es seinen Zweck als realistisches Planungsinstrument besser erfüllen.

Objektives Wachstumsziel auf der Basis Zukunftswert
Auf welcher Grundlage sollen die Leistungsziele festgelegt werden? Es ist gar nicht so einfach, eine «richtige» und «gesunde» Wachstumsvorgabe festzulegen. In der Praxis beobachten wir zwei Ansatzpunkte, die jedoch beide unbefriedigend sind:
  1. Die Entscheidung über Wachstumsziele wird subjektiv und individuell zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung getroffen. Auf Grund der Subjektivität wird die Zielvorgabe schnell zum Spielball unterschiedlicher Interessen.
  2. Oft werden finanzielle Ziele durch die Unternehmensführung auf der Basis von Analystenberichten bestimmt. Nicht selten werden diese Analysen jedoch unter reinen Verkaufsaspekten angefertigt, was der Objektivität der finanziellen Ziele auch nicht dienlich ist.
Doch es gibt eine weitere Möglichkeit: Aktuelle Studien zeigen, dass je nach Branche durchschnittlich rund 25 bis 75 Prozent des gesamten Marktwertes eines Unternehmens auf Wachstumserwartungen basieren. Was läge also näher, als die Erwartungen der Aktionäre in konkrete Wachstumsziele für das Unternehmen zu überführen? Neue Berechnungsmethoden ermöglichen dies. Dabei wird der Marktwert mit dem Wert der gegenwärtigen Geschäftstätigkeit verglichen. Ist die Differenz positiv, erwartet die Börse weiteres Wachstum. Der so errechnete Zukunftswert bildet sozusagen die Wachstumserwartungen der Aktionäre ab. Der Zukunftswert lässt sich relativ einfach ermitteln und basiert auf Finanz- und Marktdaten. Unserer Erfahrung nach liefern die auf der Basis des Zukunftswerts erstellten Wachstumsziele äusserst realistische Mehrjahreszielgrössen für das gesamte Unternehmen sowie der einzelnen Unternehmensbereiche.

Gewinn-Niveau nicht im Vordergrund
In der Praxis hat sich als empfehlenswerter Massstab für die Wertsteigerung der ökonomische Gewinn (Economic Profit oder Economic Value Added) durchgesetzt. Um den ökonomischen Gewinn zu ermitteln, werden, vereinfacht gesprochen, vom Betriebsergebnis nach Steuern die Kosten für das investierte Kapital abgezogen. Dieser Berechnung liegt die Überlegung zu Grunde, dass ein Unternehmen zumindest seine Kapitalkosten auf dem gesamten Kapital erwirtschaften muss, bevor überhaupt von einem Wertwachstum gesprochen werden kann.

In vielen Unternehmen ist der ökonomische Gewinn zwar bekannt, jedoch wird vielfach davor zurückgeschreckt, ihn anzuwenden: Dabei ist weder die Berechnung noch die Anwendung kompliziert. Meist liegt der Fokus fälschlicherweise auf dem Wertniveau. Dieses ist jedoch weit weniger wichtig als die Wertveränderung unter gleich bleibenden Berechnungsregeln. Den Aktionär interessiert, wie oben gezeigt, vor allem das zukünftige Wachstum. Erst ein adäquates Wachstum des ökonomischen Gewinnes sichert eine genügende Rendite auf dem Marktwert des Unternehmens.

Eine Einbindung des Wachstums des ökonomischen Gewinnes in das Bonussystem erlaubt, dass es für Manager in Bereichen mit positiven, aber auch mit negativen Gewinnen angewendet werden kann. Oft besteht die Meinung, dass in Bereichen mit negativen ökonomischen Gewinnen keine Boni bezahlt werden können. Das Gleiche gilt für Firmen im Turnaround. Keine Boni wären aber der falsche Impuls, denn auch defizitäre Bereiche können ein absolutes Wertwachstum erzielen, für das ein Bonus gerechtfertigt ist.

Relatives Wachstum ist irreführend
Dabei sind absoluten Wachstumsgrössen uneingeschränkte Priorität vor relativen Grössen einzuräumen. Viele Manager lassen sich von der einfachen Vergleichbarkeit von Prozentzahlen blenden. Sie werden dadurch oft ungewollt zum Wertevernichter. Folgende Beispiele zeigen die Fehlschlüsse, die sich daraus ergeben können:
  • «Feed the dogs»: Angenommen, ein Unternehmensbereich erwirtschaftet eine Rendite von mageren sechs Prozent. Die Investitionsrechnung hat für ein neues Projekt einen positiven Gewinnbeitrag und eine Rendite von immerhin 7,5 Prozent vorausgesagt. Der Manager wird dementsprechend dieses Projekt durchführen. Aber erst ein Blick auf die zehn Prozent Renditeerwartung der Fremd- und Eigenkapitalgeber und damit auch auf den ökonomischen Gewinn hätte die Investitionsentscheidung als wertvernichtend identifiziert. Das Projekt gehört zu den «dogs» eines Portfolios. Die Normstrategie dafür lautet: nicht investieren. Der Fokus auf die Maximierung des ROI führt aber dazu, dass die «dogs» noch gefüttert werden.
  • «Starve the stars»: Andererseits können die «stars» des Unternehmens geradezu ausgehungert werden. Auch hierbei führt der kritiklose Blick auf die relative Rendite zur falschen Entscheidung. Liegt die Gesamtrendite eines Unternehmensbereichs überdurchschnittlich bei 30 Prozent, erscheint ein ROI von 20 Prozent für ein neues Projekt nicht als besonders attraktiv. Der zuständige Manager wird die Investition nicht tätigen, weil das Projekt einen geringeren ROI als der Bereich abwirft. Angenommen, die Kapitalgeber erwarten nach wie vor zehn Prozent Rendite, wird mit der Entscheidung gegen die Investition ein Projekt fälschlicherweise abgestossen, obwohl es in den Augen der Investoren Wert schaffend gewesen wäre. Gerade Unternehmen mit hohen Investitionsrenditen können eine Verschlechterung des ROI hinnehmen und trotzdem für den Eigentümer Wert schaffen. So geschehen bei Coca-Cola, dessen ehemaliger CEO Roberto Goizueta den Übergang zum Economic Value Added vorangetrieben hat und so seit 1982 das Wachstum auch in Bereichen mit tieferen Investitionsrenditen ermöglichte.
Es nützt meistens auch wenig, wenn eine zentrale Finanzabteilung über entsprechend hohe geplante ROIs wacht, da sich die reale Rentabilität erst nach getätigter Investition überprüfen lässt. Fazit: Nur durch die Messung der Änderung des ökonomischen Gewinnes und dessen Einbindung in das Bonusprogramm lässt sich die Verantwortung für das investierte Kapital vom Investor an den Manager delegieren.

Ausblick
Langfristig ausgerichtete, wertorientierte und gerechte Bonuszahlungen sind nur als Teile eines umfassenden finanziellen Führungssystems möglich, das die drei folgenden Elemente in Einklang bringt:
  • Kapitaleinsatz: Richtlinien für den Kapitaleinsatz zur Beurteilung von Finanzentscheidungen – insbesondere Investitionen und Akquisitionen – müssen den Ausweis des absoluten Wertwachstums nach Abzug der Kapitalkosten verlangen.
  • Leistungsmessung: Die betriebliche Leistungsmessung muss neben den traditionellen Grössen auch das effektiv erzielte Wertwachstum – in Form des absoluten Wertwachstums – in jeder Periode einschliessen.
  • Managementkompensation: Die Vergütung der Führungskräfte ist an das absolute Wertwachstum zu koppeln. Zudem verhindert die Bonus-Bank eine kurzfristige Bonusmaximierung, weil nur für nachhaltiges Gewinnwachstum Boni bezahlt werden.
Entscheidungen werden so auf Grund wertbasierter Investitions- und Akquisitionsrechnungen gefällt, die aktuelle Performance wird mit den wertbasierten Grössen der Investitionsrechnung gemessen, und Managementgehälter sind an nachhaltiges Wertwachstum gebunden. Die Einführung eines wertbasierten Bonussystems sollte Chefsache sein, die top-down implementiert wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch bei grossen Investitionen und Akquisitionen die Boni der Führungskräfte tatsächlich an das langfristig erzielte Wertwachstum geknüpft sind. Der Verwaltungsrat als Vertreter der Aktionäre sollte bei der Einführung eines Bonusplans federführend sein.
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