Die Credit Suisse ist Geschichte. Untergegangen ist aber nicht nur eine Bank, die immer wieder für Skandale gesorgt hat, sondern auch ein wichtiger Player der hiesigen Finanzindustrie. So hinterlässt die Credit Suisse insbesondere im Firmenkundengeschäft für Schweizer Klein- und Mittelbetriebe eine grosse Lücke, aber auch mit der jüngsten Bekanntgabe, dass im Rahmen der Integration in die UBS das Kreditanalyse-Angebot per sofort eingestellt wird. Für den Finanzplatz Schweiz ist der Verlust eines weiteren Researchanbieters in hohem Masse negativ.

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Aus Sicht der UBS ist dieser Schritt nachvollziehbar, möchte man mit der Integration der Credit Suisse doch entsprechende Kosteneinsparungen durch den Abbau von Redundanzen realisieren. Dass mit dem Wegfall der Credit Suisse eine Vielzahl von Emittentenratings sowie das jährlich von den Kreditanalyse-Spezialisten der Bank publizierte, umfassende Handbuch als Nachschlagewerk für institutionelle Investoren wegfallen, geht dabei vergessen. Obschon die Tatsache, dass Banken, welche durch das Arrangieren von Kapitalmarkttransaktionen attraktive Gebühreneinnahmen generieren, auch ein Rating derselben veröffentlichen, eine Schweizer Eigenheit und aus Governance-Sicht (Stichwort: Interessenkonflikt) nicht unproblematisch ist, leidet die Meinungsvielfalt ein weiteres Mal.

Christian Fischer ist Geschäftsführer der unabhängigen Kreditresearch-Boutique Independent Credit View AG.

Mit 61 Unternehmen, sämtlichen 26 Kantonen, sechs Schweizer Städten und elf inländischen Kraftwerkbetreibern deckten die Analysten der Credit Suisse ein breites Universum ab, welches auch für die Schweizer Börse (SIX) relevant war. Für die Erstellung des Swiss Bond Index greift man auf die Ratings der Banken (nunmehr nur noch durch die UBS und die ZKB zur Verfügung gestellt) zurück, sofern nicht die Ratingagenturen Moody’s, S&P, Fitch und Fedafin ein solches im Auftrag des Emittenten erstellt haben. Der Druck auf die Emittenten, sich für teures Geld eine durch eine der Ratingagenturen «offizielle» Einstufung zu kaufen, nimmt zu. Die Abhängigkeit, insbesondere gegenüber den amerikanischen Agenturen, erhöht sich zusätzlich.

Damit die entstandene Lücke von Emittentenratings nicht auch eine Lücke im Swiss Bond Index hinterlässt, erfahren die alten Bonitätseinschätzungen der Credit Suisse ein sogenanntes Grandfathering bis zum 20. Dezember 2023. Im Klartext heisst das, dass die alten Ratings im Index einfach beibehalten werden, obschon sich dort niemand mehr um die Bonität dieser Emittenten kümmert und aktiv überwacht. Dieser Entscheid mag zwar pragmatisch erscheinen, ist jedoch für Investoren wenig hilfreich. Ein Rating ist keine Momentaufnahme, sondern erfordert eine konstante Überwachung. Verändert sich das Finanz- oder Geschäftsrisikoprofil eines Emittenten massgeblich, ist das Rating den aktuellen Erkenntnissen umgehend anzupassen.

Investoren bleiben daher gut beraten, sich nicht blindlings auf Ratings, Indizes und Benchmarks zu verlassen, sondern die nötige Skepsis bei Anlageentscheiden walten zu lassen. In der Vergangenheit gab es am Schweizer Anleihenmarkt immer wieder unschöne Überraschungen mit Emissionen, die nicht eingestuft beziehungsweise nicht aktiv überwacht wurden. Einige mögen sich mit Unbehagen an die Emissionen etwa des Tiefkühl-Backwarenherstellers Aryzta oder des Molkereiunternehmens Hochdorf zurückerinnern, bei welchen zwischenzeitlich die Zinszahlungen auf den tiefnachrangigen Anleihen ausgesetzt werden mussten und die Kurse deutliche Einbussen erlitten. Noch härter traf es die Investoren bei den Anleihen von Folie-Folie, Rallye und der African Bank, welche allesamt Konkurs anmelden mussten.

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