Hermès Horloger ist die einzige Uhrenmarke, deren Ursprünge in der Verarbeitung von Leder liegen. Und das verpflichtet natürlich. In der Manufaktur in Brügg bei Biel entstehen denn auch nicht nur grossartige Uhren, sondern auch Uhrenbänder nach allen Regeln Hermès’scher Kunst.

Im Lederarmband-Atelier der Manufaktur sind Könnerinnen und Könner am Werk, es ist ruhig, nur hin und wieder hallt ein metallenes «Klonk» durch den Raum. Es entsteht an der Maschine, wo die Bandstücke aus edelsten Tierhäuten gestanzt werden, die in einem separaten Kühlraum auf Regalen nach Sorte und Farbe geordnet lagern, bis sie dran sind. Es riecht nach Leder und Bienenwachs, was aber niemandem mehr auffällt: Die Frauen und Männer, die hier Uhrenbänder herstellen, sind alle langjährige Angestellte. Und sie sind die einzigen, die Hermès-Leder ausserhalb von Frankreich verarbeiten. Gelernt haben sie es am Hauptsitz in Paris.
So ein Uhrenarmband herzustellen, ist aufwendig. Es besteht aus zwei Teilen, dem gelochten Trag- und dem Schliessband, an dessen Ende die Schliesse befestigt wird. Beide bestehen aus je zwei Lederlagen, die miteinander verklebt und vernäht sind – von Hand, mit dem sogenannten Sattlerstich. Bei dieser Technik wird ein mit Bienenwachs imprägnierter Faden mit zwei Nadeln vernäht. Dabei kreuzen sich die beiden Enden des Fadens in jedem Loch und sorgen für eine Naht, die auch dann nicht aufgehen kann, wenn der Faden später an einer Stelle reissen sollte.

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Während Hermès stolz über die Herstellung ihrer Bänder kommuniziert, halten sich die meisten anderen Uhrenmarken diesbezüglich bedeckt. Das Gros ordert bei Zulieferern wie Hirsch. Das Familienunternehmen in Klagenfurt, Österreich, ist führend im Bereich der Uhrenarmbänder, stellt sie aus allen möglichen Materialien her, in allen möglichen Breiten und Längen, bis vor Kurzem vor allem braune, blaue und schwarze.

Mit der Lancierung der Apple Watch im Jahr 2015 ist Farbe ins Business gekommen, und das Uhrenband hat neue Bedeutung erlangt: Die Smartwatch aus Cupertino ging mit einer Vielzahl einfach auswechselbarer Bänder an den Start – und löste einen regelrechten Innovationsschub aus, insbesondere bei Luxusuhren.
Den Anfang machte Vacheron Constantin 2016 mit der Linie Overseas mit überarbeitetem Design und jeweils zwei auswechselbaren Bändern, einem aus Metall und einem aus Kautschuk. Gewechselt wird per Knopfdruck, der Mechanismus dazu ist auf der Unterseite versteckt, eine Eigenerfindung, die nur genau mit diesem Modell funktioniert. Immerhin: Wer eine Overseas kauft, kauft sozusagen zwei Uhren auf einmal, denn der Zeitmesser kommt vollkommen anders daher mit Kautschuk- oder Metallband. Das hat inspiriert.

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Inzwischen sind Schnellwechselsysteme Standard – und wer etwas auf sich hält, hat die Mechanik dafür auch selbst entwickelt: alle ein bisschen anders, alle mit dem gleichen Effekt, dass der Look der Uhr Lust und Laune, Tenue und Anlass angepasst werden kann. Hublot offeriert die Big Bang mit Bändern von rainbow bis tiefschwarz. Zenith die Défy mit Bändern aus Kautschuk, Kroko-Leder und Textilfasern. Bei beiden Marken sind die Bänder so mit der Uhr verbunden, dass es aussieht, als wäre alles eins. Schön und gut, aber kommt der Gestaltungswille der Hersteller auch an? «Die Tatsache, dass viele Marken nun ihre Uhren mit eigenen Wechselsystemen ausstatten und eine Palette von Bändern anbieten, ist für unsere Kundschaft noch kein Anlass, sich beim Kauf oder kurz danach weitere Armbänder zuzulegen», sagt Kurz-Chefin Doris Mancari. Das mag mitunter auch an den Preisen liegen: Hublot zum Beispiel verlangt für die neuen Kautschukbänder mit Kalbslederoberfläche und One-Click-System monumentale 540 Franken.

Upcycling im Uhren-Business

Es gibt kaum etwas Nachhaltigeres als eine mechanische Armbanduhr: Die Herstellung benötigt extrem wenig Ressourcen, und dann läuft sie und läuft, länger als ein Menschenleben. Dennoch ist das Schlagwort der Nachhaltigkeit auch in der Uhrenindustrie ein Hype. Zelebriert wird dieser Zeitgeist – via Uhrenbänder. Exotische Leder und ihre Herkunft sorgen schon länger für Diskussionsstoff, die Hersteller unternehmen viel, um die Lieferketten offenzulegen. Über andere Leder machte sich bis vor Kurzem niemand Gedanken. Heute setzt auf tierfreie Alternativen, wer am Puls der Zeit ist. Die Günstigmarke Mondaine, Erfinderin der Bahnhofsuhr am Handgelenk, hat zum Beispiel ein «Leder» entwickelt, das zum Grossteil aus Trester besteht, also aus Abfällen aus der Winzerei. Die junge, unabhängige Nidauer Uhrenmarke Norqain wiederum setzt auf Bänder von BIWI. Das Unternehmen aus Glovelier JU mit dem selbstbewussten Claim «Built to build your future» hat für Norqain Kautschukbänder entwickelt, die aussehen wie textile NATO-Bänder, aber eben aus Kautschuk sind, und solche mit Look, Struktur und Haptik von Kroko-Leder, ebenfalls aus Kautschuk und damit zu 100 Prozent frei von Tierleid hergestellt.Taucheruhrenbänder sind traditionell aus Kunststoff. Und was läge da näher, als dafür Kunststoff zu verwenden, der die Ozeane verseucht? Grosse Marken verwenden für ihre Bänder Material, das aus dem Meer gefischt wird. Besonders gut eignen sich offenbar ausrangierte, herumtreibende Fischernetze, die mittlerweile von diversen Naturschutzorganisationen systematisch eingesammelt und zu Pellets verwertet werden, aus denen sich extrem widerstandsfähige Fäden ziehen lassen. Breitling nennt das daraus gewonnene Gewebe Econyl und bietet die daraus hergestellten Bänder in einer grossen Varietät von Farben an.

Die Bandgeschichte

Armbanduhren waren einst reine Frauensache. Es begann damit, dass das Know-how der Uhrmacher im 19. Jahrhundert so weit fortgeschritten war, dass sie viel kleinere Uhrwerke herstellen konnten als die damals üblichen, die Männer als Taschenuhr auf sich trugen. Die Winzlinge banden sich die Frauen mit Schmuckbändern ans Handgelenk. Männer setzten die Armbanduhr als «weibisch» herab, das Handgelenk galt als unpassender Ort zur Befestigung einer Uhr.

Das Umdenken kam im Ersten Weltkrieg. In Grabenkämpfen und an Bord neuer Flugapparate waren Zeitmesser zwar wichtig, Taschenuhren aber völlig unpraktisch. In aller Eile wurden sie mittels Anlöten henkelartiger Bandanstösse zu Armbanduhren umfunktioniert. Dies als die Geburtsstunde der Armbanduhr zu bezeichnen, wäre indes falsch: Erfunden hat sie der in Paris lebende Dandy und Flugpionier Alberto Santos Dumont (1873–1932), der zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit abenteuerlichen Flugzeugkonstruktionen für Furore sorgte. Er bat seinen Freund Louis Cartier, ihm eine robuste Armbanduhr zu bauen, um stets die Zeit vor Augen zu haben. Bekommen hat er sie 1904.

Danach dauerte es noch ein Weilchen, bis die Armbanduhr Standard wurde und altehrwürdige Hersteller die Produktion umstellten. Das Zaudern kam nicht von ungefähr: Alte Maschinen wurden obsolet, neue nötig. Solche Sorgen hatte der deutsche Unternehmer Hans Wilsdorf nicht, denn 1919, als er den Namen Rolex schützte, besass er keine eigene Anlage. Weil er fest von der Zukunft der Armbanduhr überzeugt war, setzte er voll auf diese Karte. Und wurde zum Pionier für in Serie hergestellte Armbanduhren.


Ulysse Nardin, eine Marke, die durch ihre Geschichte als Herstellerin von Marinechronometern mit Meer und Seefahrt verbunden ist, geht noch einen Schritt weiter: Bei der «Diver Net», man ahnt es, ist nicht nur das Band, sondern auch das Gehäuse aus Abfall, der im Meer getrieben ist. Bei der kleinen Hölsteiner Uhrenmarke Oris wird die Sorge um die Meere grossgeschrieben, und es werden zahllose Initiativen unterstützt, um dieses Ökosystem von menschlichem Unrat zu entlasten. So kam es zur «Oris Aquis Date Upcycle»: Das Zifferblatt ist aus PET-Abfall, jedes ein Unikat. Für die ledernen Uhrenbänder ihres Retro-Klassikers Big Crown kooperiert die Firma neu mit dem Zürcher Start-up Cervo Volante: Dieses verarbeitet Leder von Rothirschen, die in den Schweizer Bergen zwecks Wildbestandregulierung erlegt werden. Die Häute, die früher verbrannt wurden, werden eingesammelt, chemiefrei gegerbt und zu Schuhen, Taschen, Gürteln und neu Uhrenarmbändern verarbeitet.

Upgrade

Die Produktentwickler und Designer von Zenith haben es geschafft, ihre Uhren mit einer Extraportion Nachhaltigkeit zugleich auf ein nächstes Luxuslevel zu heben: Das Material dafür kaufen sie bei Nona Source ein, einer Onlineplattform, die wie Zenith zur französischen LVMH-Gruppe gehört. Sie wurde 2021 als digitaler Lagerverkauf von Stoff und Leder der Modemarken des Konzerns gegründet. Daraus ist bei Zenith nun eine kleine, feine Kollektion von Uhrenbändern aus edlen Überbleibseln entstanden. Sie wurde stolz «Capsule Collection» getauft. Stolz ist auch der Preis für ein Fetzchen Louis Vuitton oder Dior am Handgelenk: 375 Franken.