Elon Musk, Chef von Tesla, Space X und Twitter, mag ein weitsichtiger Unternehmer sein. Seine Kapriolen, Irrungen und Wirrungen machen ihn trotzdem zu einer der enervierendsten Persönlichkeiten der Gegenwart. Schon allein, was er derzeit mit dem Namenswechsel bei Twitter anstellt, rangiert nahe am Wahnsinn: Er schafft eine der bekanntesten Marken der Welt nebst einem der global beliebtesten Logos mit einem Federstrich ab, um sie durch ein schlichtes, kaltes, hässliches und nichtssagendes «X» zu ersetzen. Wenn diese Aktion dem geschäftlichen Erfolg des Unternehmens dienen sollte, dann wäre das eine Überraschung. Wohl eher dient es der Vernichtung von Werten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Trotzdem sollte man nicht den Fehler begehen, alles aus dem Mund Elon Musks für falsch zu halten, nur weil er mit grandiosen Schnitzern und Fehleinschätzungen nicht geizt. Oft genug liegt Musk auch richtig. Eine Aussage, die in den vergangenen Wochen etwas untergegangen ist, verdient besondere Beachtung. In mehreren öffentlichen Stellungnahmen hat er begründet, warum der von Tesla verlangte hohe Preis für ein Software-Update für autonomes Fahren gerechtfertigt ist. Es lohnt sich, diese Aussage ernst zu nehmen, denn sie weist auf eine bevorstehende Änderung des Konzepts «Auto» hin, die erhebliche Auswirkungen für gleich mehrere Industrien haben dürfte – vorausgesetzt, die These stimmt.

Autopilot wird früher oder später kommen

Was Tesla behauptet, ist Folgendes: Das Unternehmen verlangt rund 15’000 Dollar – demnächst wahrscheinlich sogar 20’000 Dollar – für ein Update der Software im Auto, um es für das autonome Fahren zu ertüchtigen. Musk verspricht einen funktionierenden Autopiloten für die kommenden zwölf Monate und beruft sich dabei auf eine neue Generation von Hochleistungschips. Ebendiese Chips baut Tesla in Zukunft selbst und bezieht sie nicht mehr von Nvidia. Angeblich sollen diese Chips in der Lage sein, Autos sicher durch den Verkehr zu leiten. Ein Jahr ist dabei eine kurze Zeit, und vermutlich stimmt der von Musk abgesteckte Zeithorizont nicht. Er hat sich in Sachen Autopilot schon oft verschätzt. Doch ob es nun 12, 24 oder 36 Monate werden, ist letzten Endes gleichgültig. Klar dürfte sein, dass sichere Autopiloten kommen werden – die Chance ist gross, dass Tesla einer der ersten Hersteller sein wird.

«Autos stehen als totes Kapital auf der Strasse herum und fressen Kosten.»

Christoph Keese

Warum aber sollten Menschen bereit sein, bis zu 20’000 Dollar, Franken oder Euro, also rund die Hälfte des Autopreises, für den Autopiloten noch einmal obendrauf zu schlagen? Weil – so argumentiert Musk – selbst das Privatauto damit kommerziell nutzbar wird. Der Autopilot tut für das private Auto das, was Airbnb für die private Wohnung leisten konnte: Es verwandelt ein teures Konsumgut in einen Gegenstand, mit dem man Geld verdienen kann.

Heute werden Autos durchschnittlich zehn Stunden pro Woche genutzt. Den Rest der Zeit stehen sie als totes Kapital auf der Strasse herum und fressen Kosten. Mit dem Autopiloten kann jeder Mensch jedem anderen Menschen sein Auto leihen, ohne es selbst zustellen zu müssen. Der Wagen fährt selbsttätig vom Vermieter zur Mieterin und wieder zurück. Wer ein Auto besitzt, kann mit einem Schieberegler einstellen, wie oft der Wagen vermietet werden soll: von nie über manchmal oder oft bis immer. 

Vieles spricht dafür, dass Musks These stimmt. Airbnb hat mit privaten Wohnungen vorgemacht, wie wirkmächtig dieser Effekt sein kann. Ähnliches geschieht nun bald beim Auto. Und in der Tat: Wenn man mit dem Einsatz von 50 Prozent des Kaufpreises totes Kapital zu einer gewinnbringenden Anlage verwandeln kann, dann werden sich viele Menschen dafür entscheiden, genau das zu tun. Für die Autoindustrie und alle Zulieferer hätte dies gewaltige Folgen. Denn wenn Autos weniger stehen und mehr fahren, braucht es weniger Autos – aber dafür solche, die länger halten. Es mehren sich also die Hinweise, dass neuer disruptiver Druck auf die bestehenden Autohersteller entsteht. Gut tut, wer rechtzeitig darauf reagiert.

Über den Autoren

Christoph Keese ist Verwaltungsratspräsident von World.Minds sowie Unternehmer und Unternehmensberater aus Berlin. Der Autor von sechs Büchern schreibt regelmässig über Technologie und Innovation, neuerdings auch zweiwöchentlich in der «Handelszeitung».