Basel, BarRouge, 31. Stock. Der Raum ist ganz und gar in Knallrot gehalten. Unweigerlich beschleicht einen das Gefühl, im falschen Etablissement gelandet zu sein. Doch Stilfragen sind bei den vielen Touristen, die sich aus dem Aufzug quetschen, schnell vergessen: Ein Blick durch die riesige Glasfront des Messeturms entschädigt für die geschmackliche Dissonanz des Interieurs. Immerhin befindet man sich im höchsten Gebäude der Schweiz, 105 Meter hoch, dem Wahrzeichen von Basel. Doch auch Wahrzeichen sind nicht gewappnet dagegen, von anderen in den Schatten gestellt zu werden und ihren Nimbus abgeben zu müssen.

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Im Tauziehen zwischen Konkurrenzstädten, Immobilienfirmen und Grossunternehmen, wer denn höher, grösser und besser bauen kann, wird der Basler Messeturm bald als höchstes Gebäude der Schweiz abgelöst werden. Ende 2009 soll der Prime Tower in Zürich eingeweiht werden. Die Ankündigung brachte kurzen Jubel in den Zürcher Blätterwald. Doch die Basler lassen sich ungern von den Zürchern übertreffen: Ein 163 Meter hoher, spiralförmiger Turm soll am Rheinknie gebaut werden, liess Roche-CEO Franz Humer jüngst ausrichten, als er den neuen Hauptsitz für seinen schwerreichen Pharmakonzern vorstellte. Doppeltes Hochgefühl für den Pharmalenker: Nicht nur dass er damit das höchste Gebäude der Schweiz sein Eigen nennen kann, sondern er schaut auch noch aus luftigen Höhen hinunter auf seinen Dauer-Kontrahenten Daniel Vasella, CEO von Novartis. Dieser stampft nur einen Steinwurf davon entfernt eine Trabantenstadt aus dem Boden, die das neue Zentrum des Pharmakonzerns bilden soll. Kostenpunkt: zwei Milliarden Franken; Bauzeit: zwanzig Jahre.

Es ist nicht zu übersehen: In der Schweiz ist die Bauwut ausgebrochen. So stieg die Anzahl Baugesuche im Hochbau von 1998 bis Ende 2005 um rund 70 Prozent. Türme sind besonders beliebt. Je höher, desto besser, lautet die Devise. Und Geld scheint dabei keine Rolle zu spielen. Rund 166 Millionen Franken kostete der Messeturm, der Prime Tower wird mit 250 Millionen zu Buche schlagen, und Roche blättert rund 550 Millionen für ihren Turm hin. Experten gehen jedoch davon aus, dass der Prestigebau aufgrund der aussergewöhnlichen Konstruktion wohl wesentlich mehr kosten wird als die angepeilten 550 Millionen.

Dabei ist das Konzept gar nicht so neu: «Höher und grösser» war schon immer angesagt. Schon die gotischen Kathedralen wuchsen gen Himmel, so lange, bis irgendwann die Grenzen der statischen Machbarkeit erreicht waren. Dennoch schien es lange so, als ob sich die amerikastämmigen Wolkenkratzer oder «Skyscrapers» in der Schweiz nicht durchsetzen könnten. In den Sechzigern versuchten sich Architekten im Zimmern von Hochhäusern für Privatwohnungen, wurden aber von den städtischen Bauaufsichten schnell zurückgepfiffen. Zu viele Ghettos, hiess es, würden entstehen, die Umgebung würde veröden, das verwendete Baumaterial wäre zu billig, die Wohnungen zu klein. Das einzige Geschäftsgebäude, das während dieser Zeit die 100-Meter-Marke erklimmen durfte, war das Sulzer-Hochhaus 1966 in Winterthur.

Woher kommt nun dieses neue Interesse am «Turmbau zu Helvetien»? Ein Immobilienexperte, der schon seit weit mehr als zehn Jahren in diesem Business tätig ist, glaubt, dass die Schweiz derzeit versuche, die grosse weite Welt zu kopieren. Bei vielen Projekten gehe es nicht in erster Linie um wirtschaftliche Notwendigkeiten, sondern darum zu zeigen, dass man der Grösste sei.

Doch kann so eine Geltungsneurose auch nach hinten losgehen. Beispielsweise bei der Rückversicherungsgesellschaft Swiss Re. Diese weihte 2004 den Swiss Re Tower ein. Ein 180 Meter hohes Prestigeobjekt mitten in London, erstellt vom Stararchitekten Norman Foster. Und ausgerechnet dieses vielfach ausgezeichnete Luxusgebäude, auf das die Swiss-Re-Vertreter immer so stolz waren, wird nun verkauft.

Auch Swiss Prime Site, die zweitgrösste Immobiliengesellschaft der Schweiz, wagt sich mit ihrem Prime-Tower-Projekt auf unsicheren Boden. Den Bauentscheid hat CEO Markus Graf in der Tasche. Bereits ragen die Baugespanne 126 Meter in die Höhe, weisen darauf hin, dass das alte, längst unansehnlich gewordene Maag-Areal in Zürich West mit einem Grossprojekt aufgewertet werden soll. «Dieser Tower ist für Swiss Prime Site ein für das Prestige wichtiges Bauprojekt», gibt Graf unumwunden zu. Das zweite bereits, neben dem Basler Messeturm. Nur wird der Turm in einer Gegend gebaut, in der gigantische Leerstände im Bürosektor herrschen. «Diese Leerstände haben ein absolutes Hoch erreicht», so Pascal Roth, Immobilienexperte bei der Credit Suisse. Sie liegen in der Stadt Zürich aktuell bei über 300 000 Quadratmetern Bürofläche. Vor vier Jahren war die ungenutzte Bürofläche noch vier Mal kleiner. Und in den nächsten Monaten kommen laut Expertenberechnungen nochmals 500 000 Quadratmeter Büroraum auf den Markt. Die Vermietung des neuen Prime Tower dürfte also nicht ganz einfach sein.

Auch im Shoppingcenter-Bereich hat seit der Jahrtausendwende ein neuer Bauboom eingesetzt. Dieser führt zu einem harten Verdrängungswettbewerb, dem viele kleinere und ältere Einkaufszentren zum Opfer fallen werden. 85 Einkaufszentren, die eine Grösse von je über 7000 Quadratmetern ausweisen, gibt es mittlerweile in der Schweiz. Noch einmal beinahe halb so viele stehen in Planung: 17 Fachmärkte und ebenso viele Einkaufszentren.

Das grösste dieser Projekte (gemäss Bauvolumen) ist das Westside Center in Bern. 1,2 Milliarden Franken soll es insgesamt kosten. Die Migros investiert 500 Millionen und ist Initiantin dieser Baustelle. Die Einkaufssuperlative umfasst unter anderem ein Erlebnisbad, ein Fitnesscenter, ein Kino und ein Hotel, aber auch eine spezielle Seniorenresidenz sollen dereinst dazugehören. Schräge Winkel, kristallin konstruierte Formen, Baukörper, die ineinander verzahnt sind, und ein Freizeittempel, der sich aus neun gigantischen Holzkuben erheben wird, sollen ab 2008 das Bild von Bern West prägen. Die Migros engagierte den New Yorker Stararchitekten Daniel Libeskind, der auch für die Teilplanung von Ground Zero, einem Nachfolgeprojekt des World Trade Center, verantwortlich ist.

«Westside ist kein Prestigeobjekt», versucht Anton Gäumann, CEO Westside, gleich von vornherein klarzustellen, um dann doch zu bestätigen, dass Westside durch Libeskind durchaus zu einer architektonischen Attraktion werden könnte. «Es wird die Stadt des 21. Jahrhunderts», hofft Gäumann ganz unschweizerisch unbescheiden. Einziger Wermutstropfen: Ganz in der Nähe von Bern, im freiburgischen Villars-sur-Glâne, ist ein zweites Grossbauprojekt geplant, das den Bernern den einen oder anderen der 3,5 Millionen erwarteten Besucher im Jahr abspenstig machen könnte. Rund 640 Millionen plant der Ostermundiger Immobilienunternehmer Hans Niederer gemeinsam mit Investoren – sollte er diese nach einiger Verzögerung nun endlich finden – in das Einkaufsprojekt Gottéron-Village zu investieren.

Viel Potenzial, aber auch einige Fragezeichen stehen hinter den grossen Projekten, die derzeit alle geplant sind. Dennoch können Aktionäre von der anhaltenden Bauwut profitieren, via Aktien von Immobiliengesellschaften oder Immobilienfonds (siehe «Aus Steinen Kohle machen» in BILANZ 16/07). Der Zyklus scheint noch nicht überschritten, die Wirtschaft läuft gut, die Unternehmen sind noch immer zurückhaltend, was die Erweiterung ihrer Büroräumlichkeiten betrifft. «Wir merken, dass viele Unternehmen noch abwarten, ob das Wirtschaftswachstum beständig ist. Sollte dies der Fall sein, könnte es im nächsten Jahr durchaus zu einem neuen Nachfrageboom für Büros kommen», sagt Markus Graf, CEO Swiss Prime Site.

An sich haben Immobiliengesellschaften in den letzten Jahren eine gute Figur abgegeben. Die drei grossen, PSP Swiss Property, Swiss Prime Site und Allreal, erzielten von Mitte 2003 bis heute eine annualisierte Rendite von 15 bis 20 Prozent (siehe PDF «Zwischen Flop und Top» unten). Dieses Ergebnis setzt sich aus Kursgewinnen und jährlichen Ausschüttungen in der Grössenordnung von 2,5 bis 5 Prozent zusammen. Ein Vergleich des Swiss Real Estate Index, der alle Schweizer Immobiliengesellschaften zusammenfasst, mit dem Börsenindex SPI zeigt, dass Immobiliengesellschaften vor allem dann gut laufen, wenn an den Börsen Katerstimmung angesagt ist (siehe PDF «Im Aufwärtstrend» unten).

Aktien von Immobilienunternehmen können daher durch ihren defensiven Charakter sowohl das Depot in Sturmzeiten absichern als auch als Obligationenersatz angesehen werden. Zumal die Dividendenausschüttungen der Gesellschaften mit durchschnittlich 4,3 Prozent konstant hoch sind. Im Vergleich dazu: Der Bund zahlt für eine zehn Jahre laufende Obligation rund zwei Prozent. Ein weiterer Vorteil: Während die Inves-toren Dividenden von Obligationen als Einkommen versteuern müssen, sind Ausschüttungen in Form von Nennwertrückzahlungen steuerfrei. SPS, PSP, Mobimo und Züblin begünstigen ihre Aktionäre auf diese Art.

Die Analysten von Merrill Lynch favorisieren vor allem die grösseren Immobiliengesellschaften PSP und Swiss Prime Site. Gerade durch ihre Grösse, mit einer Marktkapitalisierung von 3 beziehungsweise 1,5 Milliarden Franken, zogen diese Unternehmen in den letzten Jahren viele institutionelle Investoren an, die verstärkt in diesen «sicheren Hafen für schlechte Zeiten» investierten. PSP weist gegenüber Swiss Prime Site eine stärkere Akzentuierung ihrer Tätigkeiten auf die Region Zürich auf – speziell in Zürich West –, die durch die hohen Leerstandsquoten Risiken birgt. «Swiss Prime Site hingegen hat ihre Liegenschaften besser lokalisiert und durch ihre Entwicklungsprojekte Aufwärtspotenzial», erläutert Alec Pelmore, Analyst bei Merrill Lynch. Zudem sollte bei der Auswahl von Immobilienaktien auf die Diversifikation des Immobilienportefeuilles geachtet werden. Unter diesem Aspekt ist auch Allreal als zusätzlicher Generalunternehmer interessant. Risikoreicher hingegen ist Konkurrent Warteck, deren Immobilienportefeuille stark auf den Raum Basel konzentriert ist.

Alain-Sebastian Oberhuber von Lombard Odier Darier Hentsch favorisiert zusätzlich die kleinere Mobimo. Er rechnet mit einer Dividendenrendite von 4,8 Prozent und führt ins Feld, dass Mobimo derzeit mit 3,98 Prozent den niedrigsten Ecart von allen Gesellschaften ausweist. Der Ecart vergleicht den Preis, den der Aktionär zu bezahlen hat, mit dem tatsächlichen Wert der Unternehmung. Er ist vor allem bei Allreal und Intershop mit 29,6 und 28 Prozent sehr hoch. Die Kurse bergen also ein eindeutiges Rückschlagsrisiko. Swiss Prime Site hingegen, die performancemässig hinter PSP liegt und daher einen niedrigeren Ecart ausweist, hat durchaus noch Kurspotenzial. Entscheidend wird jedoch sein, wie sich die Wirtschaft und die Zinsen in den nächsten Monaten entwickeln werden, denn hohe Zinsen sind Gift für den Immobiliensektor. Es bleibt also zu hoffen, dass die nächsten Zinserhöhungen, die bei gut laufender Konjunktur langfristig nicht ausbleiben werden, noch eine Weile auf sich warten lassen.

Die höchsten Gebäude der Welt

Sie alle prägen mit ihrer Grösse die Skyline und kratzen fast am Himmel: die Grössten in ihren Kategorien.

Höchstes Wohngebäude

Das höchste Wohngebäude der Welt ist das Q1 in Queensland (Australien). Die Konstruktionshöhe beträgt 323 Meter. Es hat 80 Stockwerke mit insgesamt 527 Wohnungen und wurde im Oktober 2005 eröffnet.

Höchste Zwillingstürme

Den Titel «höchstes Gebäude der Welt» haben die Petronas Towers in Kuala Lumpur (Malaysia) zwar verloren, dennoch sind sie mit 451,9 Metern noch immer die höchsten Zwillingstürme der Welt. Die 88-geschossigen Türme wurden im März 1996 eröffnet.

Höchstes Gebäude

Das Taipei International Financial Centre in Taiwan, kurz Taipei 101 genannt, ist mit 509 Metern das derzeit höchste Gebäude der Welt. Fertig gestellt wurde es im Jahr 2004.

Höchstes im Bau befindliches Gebäude

Das Burj Dubai in Dubai soll mit einer gigantischen Höhe von 800 Metern das höchste Gebäude der Welt werden. Es wäre damit 291 Meter höher als der derzeitige Rekordhalter, das Taipei 101. Die Bauarbeiten haben bereits begonnen. Die Eröffnung ist für das Jahr 2008 geplant

Höchstes Krankenhaus

Die Patienten im Guy’s Tower, einem 34-stöckigen Hochhaus in London, sollten wenn möglich schwindelfrei sein. Es ist mit 142,6 Metern das höchste Krankenhausgebäude der Welt. Es wurde 1974 fertig
gestellt.

Höchstes Minarett

Das höchste Minarett der Welt gehört zur Moschee Hassan II., es ist 200 Meter hoch und steht in Casablanca (Marokko). Die Baukosten der Moschee betrugen 424,5 Millionen Euro.