Der Weihnachtsmann eilt auf seinem Schlitten durch die verschneite Winterlandschaft. Die Rentiere traben vorbei an schneebedeckten Tannen und zugefrorenen Seen. Und ganz leise klingen die goldenen Glöckchen an ihrem Zaumzeug. Man kann sie indes kaum hören, denn etwas anderes klingelt viel lauter: die Kassen von Lindt & Sprüngli, Douglas, Mattel und von all den Firmen, die zur Weihnachtszeit das Geschäft des Jahres machen. Schokoladen-Nikolause, Spielzeug, Schmuck, Parfum, Bücher und das neuste Computerzubehör gehen zu Tausenden über die Ladentheken. Das lässt nicht nur Kinderaugen aufleuchten, da glänzen auch die Bilanzen der Unternehmen. Umsatzzahlen, von denen man während des restlichen Jahres nur träumen kann, polieren in den letzten Monaten die Ergebnisse auf.
Den Kursen dieser «Weihnachtsaktien» geben die Einkäufe während der Adventszeit ordentlich Auftrieb. Im Januar warten alle Investoren dann ganz gespannt auf die Verkaufszahlen. Ist das Weihnachtsgeschäft gut gelaufen? Für viele Titel ist dies die wichtigste Saison des Jahres – sie bestimmt die Kursentwicklung entscheidend. Aber schon zum Jahresende können sensible Titel aus den Bereichen Konsum und Luxus kräftige Kursbewegungen verzeichnen. Denn zu diesem Zeitpunkt weisen die Börsen eine besonders hohe Liquidität auf. Ausschüttungen, Weihnachtsgeld und Boni müssen wieder angelegt werden. Da liegen Werte nahe, die in aller Munde sind.
Wie etwa die Aktie von Lindt & Sprüngli. Der Konzern erwirtschaftet in den ersten sechs Monaten des Jahres nur 40 Prozent des Umsatzes. Und da während dieser Zeit trotzdem 50 Prozent der Fixkosten anfallen, ist das erste Halbjahr bei den Schokoladefabrikanten aus Kilchberg üblicherweise defizitär. Das Geld wird im zweiten Semester verdient – und zwar hauptsächlich im Weihnachtsgeschäft. Früher war dies auch am Kurs der Schokoladenaktie ganz deutlich zu erkennen. Der Kurs startete im Oktober zu einem Aufwärtstrend, der Mitte Januar seinen Höhepunkt erreichte. Dann wurden die Verkaufszahlen präsentiert, und abhängig davon, wie viel Schokolade unter den Christbäumen lag, kletterte der Kurs weiter oder mündete in einen Abwärtstrend. «Das lag natürlich daran, dass Lindt & Sprüngli damals noch keine Halbjahreszahlen publizierte», erklärt James Amoroso, Analyst bei der Bank Pictet. «Ich wäre überrascht, wenn es in diesem Jahr eine solche Entwicklung gäbe.» Die Empfehlung des Konsumgüterexperten für Lindt-Aktien lautet auf «neutral». Zwar seien Entwicklung wie Aussichten beim grössten Schokoladenproduzenten der Schweiz hervorragend, aber die Anteilscheine würden bereits angemessen bewertet.
Auch für Barry Callebaut ist der Aktienexperte Amoroso neutral eingestellt. «Hier allerdings aus ganz anderen Gründen, denn die Aussichten sind recht unsicher.» Im dritten Quartal hatte Barry Callebaut wegen des hohen Kakaopreises mit einem erheblichen Kostenproblem zu kämpfen. Anders als bei Lindt & Sprüngli, deren Konsumenten wenig preissensibel sind, hat Barry Callebaut nicht die Möglichkeit, die höheren Kosten auf die Kunden abzuwälzen. Die Kunden sind in diesem Fall hauptsächlich Discounter wie Aldi – und von höheren Preisen wollen diese prinzipiell nichts hören.
Den Sack prall gefüllt mit weihnachtlicher Schokolade, macht sich der Weihnachtsmann nun auf den Weg in die Spielwarenabteilung. Bei dem Angebot, das ihn hier erwartet, bleibt ihm der Mund offen stehen, und er kratzt sich verzweifelt an seinem weissen Bart. Die Regale sind gefüllt mit Spielzeugautos mit Blaulicht und Sirene, Babypuppen, die schreien und Bäuerchen machen, zahllosen Videospielen und Barbies im Prinzessinnenkostüm. Vorsichtig schielt der Weihnachtsmann auf die Preise und wird noch etwas verzweifelter. Eine ähnliche Reaktion erleben die Spielzeughersteller von Seiten der Konsumenten: Die beiden weltgrössten Spielwarenunternehmen, die US-Konzerne Mattel und Hasbro, leiden unter deren Zurückhaltung. Die Aussichten für das diesjährige Weihnachtsgeschäft sind düster. Das sind schlimme Nachrichten, denn im vierten Quartal erzielt die Spielzeugbranche rund die Hälfte ihres Jahresumsatzes.
Bei Mattel lief schon das dritte Quartal 2004 sehr schwach. Die Umsätze von Barbie, der langbeinigen Freundin vieler kleiner Mädchen, brachen um 13 Prozent ein, und auch der Umsatz bei den Hot-Wheels-Spielzeugautos schrumpfte um 4 Prozent. Die Aktienanalysten sind daher skeptisch. Bei der US-Investment-Bank Lehman Brothers rät man, die Mattel-Titel unterzugewichten. Das gleiche Urteil fällen sie über Hasbro, die Nummer zwei des weltweiten Spielwarenmarktes.
In Europa ist die Situation ähnlich. Der europäische Marktführer bei Puppen heisst Zapf Creation; er konnte vor einigen Jahren mit den Babypuppen Baby Born und Baby Annabell die Herzen vieler Puppenmütter gewinnen. Doch mit fast 50 Euro pro Stück zählen die Qualitätsprodukte zum hochpreisigen Segment. «Die Eltern greifen eher zu günstigern Puppen, etwa solchen aus China. Die Zapf-Produkte sind immer noch sehr beliebt bei den Kindern. Aber sie sind einfach zu teuer», sagt Christoph Schlienkamp, Analyst beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf. Die sehr gute Qualität der Produkte und ihre Beliebtheit zahlten sich aber aus, sobald die Konsumzurückhaltung nachlasse. Dann zögen auch die Verkaufzahlen wieder an, sagt Schlienkamp. Er empfiehlt daher, die Zapf-Aktien zu halten.
Sehr viel rosiger sieht das Geschäft mit dem Spielzeug für Erwachsene aus. So hat zum Beispiel der Hardwarekonzern Logitech keinen Grund, sich vor dem schwachen Marktumfeld zu fürchten. Wie schon in vergangenen Jahren präsentiert das Unternehmen rechtzeitig zur Weihnachtssaison fast 50 Produktinnovationen wie eine Lasermaus oder eine neue Generation von Lautsprechern. Schöne Geschenke, die dem Weihnachtsmann und seinen zahlreichen Helfern gut gefallen. So erzielt Logitech im vierten Kalenderquartal rund 30 Prozent des Umsatzes und über 40 Prozent des operativen Gewinns. Viele Aktienanalysten gehen davon aus, dass das Weihnachtsquartal 2004 ebenso rekordverdächtig sein wird wie im vergangenen Jahr. Christopher Ladner, Chief Financial Analyst bei der Bank Sarasin, empfiehlt die Logitech-Aktie daher zum Kauf. Vor allem im Bereich Webcams werde der Technologiekonzern noch erheblich wachsen. Hier besteht noch eine Menge Nachholbedarf, denn bisher hat nur etwa jeder fünfte Computerbesitzer eine solche Kamera.
Auch Santa Claus packt schnell noch einige Webcams auf seinen Schlitten. Für die unzähligen Bücher und CDs, die noch auf den Wunschlisten stehen, wird er seine Rentiere aber nicht durch die winterliche Nacht jagen. Diese Dinge bestellt auch der Weihnachtsmann heutzutage online – natürlich bei Amazon. Der Chef des US-Internetversandhändlers, Jeff Bezos, erwartet offenbar, dass sehr viele Weihnachtseinkäufer so handeln werden, denn er rechnet damit, die bevorstehende Weihnachtssaison mit einem Rekordumsatz abzuschliessen. Das würde dann vielleicht auch der Amazon-Aktie helfen. Diese befindet sich nämlich seit fast zwölf Monaten auf einem leichten Abwärtstrend.
Der Einzelhandel erwartet in diesem Jahr allerdings keine Rekorde. Zwar werde man die schwachen Ergebnisse von 2003 nicht nochmals unterbieten, aber das Weihnachtsgeschäft dürfte sich auch kaum durch einen grossen Zuwachs auszeichnen.
Etwas stabiler als das Einzelhandelsgeschäft insgesamt ist der Parfumhandel. Hier findet man immer das passende Geschenk. Und so macht auch die Parfümeriekette Douglas in den letzten drei Monaten des Jahres 35 Prozent des Jahresumsatzes. Und auch die Douglas-Aktie wird hauptsächlich vom Weihnachtsgeschäft bewegt. Wenn im Januar die ersten Verkaufszahlen bekannt gegeben werden, dann ist die Wegrichtung der Aktie meist bestimmt. Für Thilo Kleibauer, Analyst bei M.M. Warburg, ist die Richtung klar: Es geht aufwärts. «Ich empfehle, die Aktien zu kaufen. Das Unternehmen hat ein stabiles Geschäftsmodell, die Dividendenrendite ist mit vier Prozent überdurchschnittlich hoch, und das Unternehmen wächst sehr stark im Ausland», so Kleibauer.
Die edelsten Geschenke hat sich der Weihnachtsmann für den Schluss aufgespart: feine Lederhandtaschen von Louis Vuitton und Gucci, edle Uhren von Breguet, Blancpain und Cartier und natürlich einige Flaschen Champagner und schottischen Whisky. Luxusgeschenke bleiben auch in einem schwierigen Konjunkturumfeld beliebt, denn die Konsumenten dieser Produkte sind meist weniger preissensitiv. Vor allem wertvolle Uhren stehen jedes Jahr ganz oben auf den Wunschlisten. Die Exportstatistiken zeigen, dass die Umsätze in den Monaten Oktober und November am stärksten sind. In dieser Zeit decken sich die Einzelhändler fürs Weihnachtsgeschäft ein. Daher lancieren die Uhrmacher ihre neuen Produkte pünktlich Ende September.
So auch die Luxusfirma Richemont, deren Anstrengungen, die Umsätze zu steigern, bereits im ersten Halbjahr 2004 Früchte trugen. Das Wachstum übertraf die Erwartungen der Analysten. Bei der Bank Pictet empfiehlt man daher, Richemont-Titel zu akkumulieren. Der Pictet-Analyst James Amoroso sieht für den Aktienkurs – heute auf gut 34 Franken – noch Spielraum nach oben: «Ich erwarte, dass der Kurs im Laufe der kommenden sechs Monate auf 38 Franken steigen wird.» Auch für die Swatch Group sind die Monate von September bis November die wichtigsten des ganzen Jahres. Die Umsatztreiber sind die Uhren im oberen Preissegment wie Breguet, Omega und Blancpain. «Dieses Segment ist wenig konjunkturabhängig. Für Uhren, die mehr als 5000 Euro kosten, gibt es immer Käufer», sagt Christian Arnold, Luxusgüteranalyst bei der Bank Vontobel. Arnold erwartet, dass sich die Swatch-Aktie besser als der Markt entwickeln wird. Die meiste Volatilität hat der Titel, wenn Mitte Januar die Jahreszahlen präsentiert werden und dann auch feststeht, wie das Weihnachtsgeschäft gelaufen ist.
Neben Uhren zählen auch Lederwaren und Champagner zu den Verkaufsschlagern im Weihnachtsgeschäft. Oana Floares, die für Helaba-Trust Luxusgüteraktien analysiert, empfiehlt daher LVMH-Aktien zum Kauf. «Sicherlich wird sich die Erfolgsgeschichte von Louis Vuitton fortsetzen, und diese Marke wird weiterhin Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich präsentieren», erwartet Floares. Der gesamte Konzern sei weltweit gut positioniert – vor allem auf dem asiatischen Markt, dem noch sehr viel Wachstumspotenzial innewohnt.
Der Schlitten ist nun voll, die Wunschlisten sind restlos abgehakt, und der Weihnachtsmann macht sich auf den Rückweg zum Nordpol. Wenn man ganz leise ist, kann man die Glöckchen klingen hören.