Von Tiefen bei unter 95 Rappen hat sich der Euro über die vergangenen Wochen beinahe wieder an die Parität hinaufgerappelt. Zuletzt vermeldete die grösste Euro-Volkswirtschaft Deutschland entgegen aller Rezessionsprognosen ein leichtes Quartalswachstum von 0,3 Prozent.

Umgekehrt sind die Aussichten für die Schweiz eingetrübt. Schweizer Unternehmen leiden unter steigenden Strompreisen und der Aussicht auf einen möglichen Strommangel. Ob die Schweiz einer Rezession entgehen kann, ist zum Diskussionsgegenstand geworden.

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Dazu kommt, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Franken-Kurs zum Euro nicht mehr rigoros mit Käufen schwächt. Im September dürften die Währungshüter stattdessen für 3,4 Milliarden Franken Devisen verkauft haben, wie Credit-Suisse-Ökonom Maxime Botteron errechnet hat.

Die für den Devisenmarkt fundamental wichtige Situation bei den Leitzinsen bevorteilt den Euro ebenfalls – grundsätzlich. Zur Überraschung vieler, wenn auch nicht aller, hat die Schweizer Geldpolitik im Juni die Zinsen vor der Eurozone zu erhöhen angefangen. Doch inzwischen eilt die Europäische Zentralbank (EZB) der SNB bei den Zinsschritten voraus. 0,5 Prozent Leitzins in der Schweiz stehen nach kräftigen «Jumbo»-Anhebungen bis auf 2 Prozent in den Euroländern gegenüber.

Hartnäckige Inflation im Euro-Raum

Die Inflationsraten in Europa halten sich hartnäckig und sind vielerorts zweistellig. Die Schweiz kämpft derweil mit moderateren 3,5 Prozent Teuerung. Bei beiden Notenbanken werden weitere Zinsschritte erwartet, doch die Inflation lastet besonders stark auf der EZB, die inzwischen entschieden handelt.

«Deswegen dürfte auch die EZB-Politik den Aussenwert des Euro stützen», sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefökonomin der deutschen Bankengruppe KfW, mit Blick auf die globale Währungsentwicklung vergangene Woche im cash-Interview.

Die EZB hat im Juli angefangen, den Leitzins anzuheben. Die starke Teuerung liess ihr letztlich keine andere Wahl und sie muss wohl so weitermachen. «Die EZB hat auf Grund des schwächeren Wechselkurses und der hohen Inflationsraten von nun 10,7 Prozent gegenüber Vorjahr allen Grund, ihre Zinspolitik stärker zu straffen als die Nationalbank», sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, auf Anfrage von cash.ch.

Bezüglich dem Währungspaar Euro-Franken hält Junius ein nachhaltiges Übersteigen der Parität des Euro zum Franken aber für unwahrscheinlich: «Die Nationalbank hat klargestellt, dass sie an keinem schwächeren Franken interessiert ist. Ein schwächerer Franken würde nur die importierte Inflation erhöhen.»

SNB-Präsident Thomas Jordan sagte im Juni nach dem ersten grossen Zinsschritt, dass die Notenbank auch Devisen verkaufen könnte, sollte sich der Frankenkurs zu stark abwerten.

«Inflationsraten im Euroraum sprechen für stärkeren Franken» 

Der Euro-Kurs überschritt vor wenigen Tagen die Marke von 0,99 Franken und ist inzwischen wieder unter die 0,98er-Linie gefallen. Trotz der zuletzt überraschend positiv ausgefallenen Wachstumszahlen in Deutschland ist bei der weiteren konjunkturellen Entwicklung in Europa Vorsicht angebracht. «Alles spricht für ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im Winterhalbjahr», sagte Jörg Krämer, der bei der Commerzbank die Wirtschaftsanalyse leitet. Krämer erwartet, dass die Kaufkraft in Deutschland weiter geschwächt wird.

Die Kaufkraft ist ein wichtiger Indikator für die Devisenmärkte. Einen Kaufkraftvorteil für einen der beiden Währungsräume Eurozone und Schweiz gebe es nicht, sagt Sarasin-Chefökonom Junius. «Die höhere Inflationsrate im Euroraum wurde durch eine Abwertung des Euro gegenüber dem Franken wieder ausgeglichen, sodass die relative Kaufkraft konstant geblieben ist», sagt Junius. Junius sieht er den realen Wechselkurs sehr nahe bei dessen Zehn-Jahres-Durchschnitt. Dieser liegt bei knapp 1 zu 1,12.

Die Teuerung in den Euroländern hinterlässt aber Spuren: «Die derzeit deutlich höheren Inflationsraten in der Währungsunion sprechen aus Kaufkraftsicht aber auch für die nächsten Monate für einen stärkeren Franken», sagt Junius. Für erhebliche Unsicherheiten sorgen weiterhin das geopolitische Umfeld und damit verbunden die Energiepreise.

Der Gaspreis sinkt und ein möglicherweise milder europäischer Winter entschärft die Gefahr von Gasmangel und Blackouts etwas - dies hat Rezessionssorgen zuletzt auch zurückgehen lassen. Gleichzeitig dürfte der Krieg in der Ukraine nicht schnell enden und damit seine destabilisierende Wirkung auf das Wirtschaftsgefüge behalten: «Eskalationen sind hier nicht auszuschliessen», sagt Junius.

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