Seit mehreren Wochen kennt der Kurs von Bitcoin nur eine Richtung. Steil nach oben. Innerhalb von sechs Wochen stieg der Wert der Digitalwährung um 100 Prozent. Ein Bitcoin kostete am Mittwoch 480 Dollar. So hoch war die Kryptowährung im ganzen 2015 noch nie bewertet. Der Marktwert aller Bitcoins beläuft sich damit auf 7 Milliarden Dollar.

Eine einzelne Ursache für den Kursanstieg gibt es nicht. Ganz offensichtlich aber kommen die Impulse aus China. 90 Prozent des Handels mit Bitcoins findet im Reich der Mitte statt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Börsen dort vorderhand noch keine Transaktionsgebühren verlangen.

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Gerüchte aus Russland

Gegenwärtig wird zudem darüber spekuliert, ob verschärfte Kapitalverkehrskontrollen in China und die Furcht vor einer weiteren Abwertung des  Yuan Anleger in Bitcoin treiben. Einzelne chinesische Börsen jedenfalls melden jeden zweiten Tag Rekordzahlen von Neuanmeldungen auf den Handelsplattformen.

Allerdings steht es um die Transparenz von chinesischen Börsen nicht zum Besten. Und Kenner der dortigen Märkte schliessen preistreibende Manipulationen nicht kategorisch aus. Auch nimmt ein klassisches, allerdings weltweit vermarktetes Schneeballsystem in Russland Fahrt auf. Eigentlich hat das per se nichts mit der Digitalwährung zu tun. Aber die Beteiligten beginnen offenbar, sich nicht nur Rubel oder Dollar zuzuschanzen, sondern eben auch Bitcoin. Und das könnte möglicherweise die Nachfrage nach der Digitalwährung ebenfalls erhöht haben.

Tatsache jedenfalls ist, dass in Russland der Handel mit Bitcoin trotz der ablehnenden Haltung der Regierung boomt. Alleine in den letzten sechs Wochen hat sich das Volumen vervielfacht. Allerdings ist gleiches auch in Australien, Indonesien, Indien, den USA und zahlreichen anderen Ländern festzustellen.

Gesprächsthema an der Wall Street

Für diesen weltweiten Boom sind mit Sicherheit andere Gründe verantwortlich als allfällige Machenschaften aus Russland: Bitcoin und die zu Grunde liegende Technologie Blockchain sind als Gesprächsthema im Mainstream angekommen. Der «Economist» hievt die Blockchain auf die Titelseite, die «Financial Times» und das «Wall Street Journal» bringen mittlerweile regelmässig seitenlange Artikel zur Entwicklung. Die EU hat Bitcoin-Transaktionen von der Mehrwertsteuer befreit und ihr damit faktisch den Status von Geld zugebilligt.

Zuletzt gab es zudem zahlreiche konkrete Meldungen darüber, wie sich das gesamte Ökosystem der Kryptowährungen weiterentwickelt. So lanciert beispielsweise die Firma Blockstream bald eine Art Erweiterung des Bitcoin-Netzwerks. Auf ihrer sogenannten Sidechain Liquid können Akteure wie Börsen oder Zahlungsabwickler untereinander rascher grosse an Bitcoin gekoppelte Vermögenswerte verschieben, als dies im Bitcoin-Netzwerk selber möglich ist. Darauf wartet die Branche schon lange.

In den USA ist mit Gemini die vollregulierte Bitcoin-Börse der Winklevoss-Brüder an den Start gegangen, die aus ihrem Facebook-Engagement bekannt sind. Fonds, die in die Währung investieren, verzeichnen verstärkt Zulauf von etablierten Investoren. Auch die Zahl der Bitcoin-Transaktionen nahm weltweit zuletzt deutlich zu. In der Schweiz steigt der Umsatz von Bitcoin-Automaten, an denen Franken gegen Bitcoins getauscht werden können.

Schwere Entscheidungen stehen an

Mittlerweile veröffentlichen Firmen fast täglich Meldungen, die im weiteren Umfeld der Bitcoin-Technologie anzusiedeln sind. Hier nur eine Auswahl: Die Börse Nasdaq steht vor der Lancierung einer Blockchain-Plattform für den Handel mit Aktien. Visa erprobt Methoden, um das Car Sharing mit Blockchain-Technologie effizienter zu ermöglich. Microsoft bietet künftig seinen Kunden cloudbasiert Werkzeuge an, mit denen die Kunden Blockchain-Produkte entwickeln können. Weltweit haben sich Grossbanken zusammengeschlossen, um einen Standard zu entwickeln, wie sie die neue Technologie zur Effizienzsteigerung ihrer eigenen Transaktionen einsetzen können.

Das alles hat meist wenig direkt mit der Währung Bitcoin zu tun, ist aber sicherlich förderlich für eine weitere Akzeptanz der gesamten Krypto-Welle in breiteren Kreisen. Dessen ungeachtet steht Bitcoin selber nach wie vor vor grossen Herausforderungen.

Noch immer ist in der Branche kein Konsens gefunden worden, ob und wie die Zahl der möglichen Transaktionen erhöht werden soll. Ohne Änderungen dürfte das Netzwerk 2016 an seine Grenzen stossen. Der phasenweise harsch geführte Richtungsstreit über die Kapazitätserhöhung zeigt das Grundproblem: Wie steuert man ein Projekt, bei dem die Macht absichtlich nicht institutionalisiert ist und bei dem plötzlich Milliarden auf dem Spiel stehen und die Interessen der Akteure auseinanderdriften?

Das grosse Versprechen

Noch entscheidender dürfte sein, dass die Zentralisierung von Bitcoin im Bereich Transaktionsabwicklung weiter voranschreitet. Bereits dominieren wenige grosse Akteure den Prozess, durch welchen Überweisungen mit Bitcoin unumkehrbar und damit sicher gemacht werden. Diese Zentralisierung stellt auf weite Sicht die wohl grösste Gefahr für das Versprechen von Bitcoin dar, eine Währung zu sein, eine Anlageklasse, die von niemandem zensiert oder beschlagnahmt werden kann.

Edit: Aktualisiert mit neuen Kursdaten.