Einmal mehr straft die US-Wirtschaft die Wachstumspessimisten Lügen. Nachdem die Angst vor einer Rezession der Gewissheit einer sanften Landung gewichen ist, sieht es nun nach überhaupt keiner Landung mehr aus. Der Konjunkturhöhenflug geht einfach weiter, als wäre da nichts gewesen – keine historische Zinswende, kein Inflationsschock. Zuletzt zeigten die Statistiken zum Detailhandel, dass die US-Konsumentinnen noch lange nicht satt sind.

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Zum Vorjahresmonat resultierte ein stolzes Plus von 4 Prozent. Das veranlasste die Bank Goldman Sachs prompt zu einer Aufwärtskorrektur ihrer BIP-Prognose fürs erste Quartal auf eine annualisierte Wachstumsrate von 3,1 Prozent. So sieht keine konjunkturelle Landung aus, auch keine sanfte. Das bestätigte diese Woche auch der Internationale Währungsfonds. Er bescheinigt den USA in der neusten Prognose für 2024 ein Wachstum von 2,7 Prozent, doppelt so viel wie jedem anderen G7-Staat.

US-Wirtschaft am Siedepunkt

Doch in der aktuellen Phase ist das gar keine so gute Nachricht. Der heiss laufenden US-Wirtschaft würde eine Abkühlung guttun, schliesslich beträgt die Inflation immer noch 3,5 Prozent. Sonst wird nichts aus den kräftigen Zinssenkungen, die alle so sehnlichst in diesem Jahr erwartet hatten. Fed-Chef Jerome Powell sprach diese Woche in Washington von «mangelnden Fortschritten» im Kampf gegen die zu hohe Inflation. Deshalb könne es angemessen sein, die Leitzinsen für längere Zeit auf dem jetzigen Niveau von 5,25 bis 5,5 Prozent zu halten.

Die Marktzinsen sind daraufhin nochmals gestiegen. Zehnjährige Staatsanleihen rentieren nun wieder mit 4,7 Prozent, fast einen ganzen Prozentpunkt mehr als Ende Dezember. An den Zins-Futures-Märkten sind für dieses Jahr statt sechs Zinssenkungen wie vor wenigen Wochen nur noch zwei eingepreist, und zwar erst im September und im Dezember.

Erschwerend aus Sicht der Währungshüter kommt hinzu, dass durch den Konflikt zwischen Iran und Israel Öl und Rohstoffe allgemein teurer werden könnten. Am vergangenen Wochenende hat der Iran zum ersten Mal Israel direkt mit Drohnen und Raketen attackiert, als Vergeltung für den Israel zugeschriebenen Luftangriff auf die Botschaft in Damaskus Anfang Monat.

Im Zuge dieser Eskalation ist der Ölpreis gestiegen. Ein Fass der Sorte Brent kostet nun wieder rund 90 Dollar – 20 Prozent mehr als Ende 2023. Die Sorge der Rohstoffhändler ist nicht unbegründet: Ein Drittel der globalen Ölproduktion wird im Nahen Osten gefördert. Allein Saudi-Arabien pumpt 9 Millionen Fass am Tag, gefolgt vom Irak mit etwa 4 Millionen. Der Iran hat seine Produktion über die letzten Jahre gemäss Opec-Daten von 2,5 auf 3,2 Millionen Fass pro Tag ausgeweitet.

Ein anhaltender Konflikt könnte das Ölangebot aus der Region beeinträchtigen. Sei es, weil weniger Öl gefördert wird oder weil es nicht mehr auf den Weltmarkt gelangt. Iran kontrolliert die Strasse von Hormus, durch die die Tanker die Golfregion verlassen.

Am Ölpreis hängen viele Rohstoffe

Solche Angebotsengpässe führen bei gleicher Nachfrage zu höheren Preisen. Das hat nicht nur direkt Einfluss auf die Preise von Benzin und Heizöl, sondern auf die Energiepreise im Allgemeinen. Wenn Öl teurer wird, wird mehr Erdgas oder Biodiesel nachgefragt. Weil mit Gas auch Strom erzeugt wird, steigen die Nachfrage und die Preise für alternative Energieträger, wenn Gas zu teuer wird. Das verteuert die Produktion von energieintensiven Gütern, auch Agrarprodukte. Für die Konsumenten und Konsumentinnen bedeutet das mehr Inflation – just in einem Moment, da der Kampf gegen die Teuerung gewonnen schien.

War das Vorpreschen der SNB verfrüht?

Ein regelrechter Ölschock ist hingegen unwahrscheinlich, nur schon deshalb, weil bei höheren Preisen die US-Schieferölproduzenten ihre Anlagen anwerfen und so die Preise deckeln. Ausserdem ist die moderne Wirtschaft weniger stark auf billiges Öl angewiesen: In den USA gilt die Daumenregel, dass ein Anstieg des Ölpreises um 10 Dollar das BIP-Wachstum um 0,1 Prozentpunkt dezimiert. Der Ölpreis ist in erster Linie ein Inflationsfaktor, weniger ein Wachstumsfaktor.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Zinssenkung der SNB vom März noch mutiger. Sie könnte noch länger als bisher angenommen die einzige grössere Notenbank mit einer weniger restriktiven Geldpolitik sein. Wenn die Rohstoffpreise weiter steigen, dürfte bald Schluss sein mit der günstigen Entwicklung der Importpreise.

rop
Peter RohnerMehr erfahren