Was nicht alles angeblich «löchrig wie ein Schweizer Käse» sein soll: die Erdkruste, die Mietpreisbremse, Sicherheit beim Online-Banking oder der Mindestlohn, um nur ein paar willkürliche Google-Ergebnisse aus jüngster Zeit zu nennen. Nun gesellt sich ein neuer Themenbereich hinzu: Die Exporthoffnungen der Schweizer Käseproduzenten leiden unter akuter Aushöhlung. Die rasante Aufwertung des Schweizer Franken trifft die Branche, wie viele andere, völlig unvorbereitet.

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Praktisch über Nacht haben sich die Kosten von in der Schweiz hergestellten Produkten dadurch für Euro-Europäer um 15 Prozent verteuert. Das bleibt nicht ohne Folgen. «Der starke Schweizer Franken belastet die Profitabilität der eidgenössischen Exportwirtschaft und setzt diese unter Druck, weil sich ihre Waren erheblich verteuern», warnte die Kreditversicherung Euler Hermes diese Woche. Das gelte beispielsweise für Papier, Textilien und Stahl mit dem Gütesiegel «made in Switzerland».

Emmi bereitet Kunden auf Verteuerung vor

Aber auch bei Lebensmitteln wie Schweizer Käse müssen sich die Konsumenten im wichtigsten Absatzmarkt Deutschland auf höhere Preise einstellen. Wenige Tage nach dem Währungsschock bereitet der grösste Milchverarbeiter der Schweiz, die Luzerner Firma Emmi, die Abnehmer bereits verbal auf eine Verteuerung vor: «Emmi hat verschiedene Handlungsoptionen geprüft und darauf basierend ein Massnahmenpaket geschnürt», sagte eine Sprecherin. «Eine der Massnahmen sind Preiserhöhungen auf Exportprodukte.»

Dazu kommt der übliche Krisenbekämpfungsmix: Sparprogramme, Effizienzsteigerung und das Drücken der Einkaufskosten bei den Lieferanten. Damit, so hoffen die Emmi-Manager, können sie den geschäftspolitischen Kurs einigermassen halten.

68’000 Tonnen Käse für den Export

Doch das wird nicht leicht für eine Branche, für die es um viel geht. Von den rund 68’000 Tonnen Käse, die jährlich aus der Schweiz in den Export gehen, finden über 80 Prozent Kunden im Euro-Raum, davon wiederum mehr als die Hälfte in Deutschland. Alle übrigen Länder, darunter die USA, Kanada oder Russland, kommen nur auf einstellige Prozentsätze bei den Anteilen.

Schon jetzt ist Schweizer Käse weltweit durchweg im oberen Preissegment angesiedelt. Im deutschen Feinkosthandel kostet ein Kilo Gruyère mit der Herkunftsbezeichnung AOP gut und gerne um die 30 Euro – so viel wie ein viergängiges Menu in manchen Restaurants.

Qualität hat ihren Preis

Bisher schluckten die Kunden die hohen Preise für Gruyère, Appenzeller, Sbrinz oder den typischen Raclette-Käse. Die Schweizer Hersteller argumentieren, offenbar überzeugend, mit der hohen Qualität ihrer Milchprodukte. Für die Produktion eines 35 Kilo schweren Laibes Gruyère beispielsweise würden rund 400 Liter frische Rohmilch benötigt.

«Die Kühe, die diesen hochwertigen Rohstoff liefern, ernähren sich im Sommer von Weidegras und werden im Winter mit Heu gefüttert», versichern die Vermarkter. Erst nach mehrmonatiger Reifezeit samt regelmässigem Wenden und Salzwasserwaschungen lande das Edelprodukt dann in den Ladenregalen.

Mit dem Qualitätsargument haben die Schweizer Vermarkter es bislang geschafft, Jahr für Jahr mehr Käsemengen im Ausland abzusetzen, zuletzt rund 38 Prozent der Produktion. Allein die Exporte nach Deutschland wuchsen in den Jahren zwischen 2010 und 2014 um rund 40 Prozent.

Kritische Grenze ist erreicht

Doch dass die Gourmets im Euro-Raum künftig bereit sind, noch mehr für Schweizer Schmackhaftigkeit zu zahlen, bezweifeln selbst die Verkaufsprofis. «Das wird eine Herausforderung», schwant dem Vermarkter Switzerland Cheese Marketing. «Schon ein Niveau von 1,20 Euro für den Franken war krass, bei knapp über einem Euro wird es noch schwieriger», sagte eine Sprecherin.

Zumal die meisten Betriebe nicht so einfach mit Effizienzprogrammen hantieren können wie Marktführer Emmi. Der Grossteil der Produktion erfolge nach wie vor handwerklich in den Alpentälern, unterstreicht Switzerland Cheese Marketing. So teilen sich rund 175 Betriebe, angesiedelt überwiegend in der Region Bern, eine Emmentaler-Jahresproduktion von gut 23.000 Tonnen (2013).

Emmentaler nur selten aus dem Emmental

Emmentaler – der Käse mit den sprichwörtlichen Löchern – gilt im Ausland geradezu als der Inbegriff von «Schweizer Käse». Tatsächlich geht der Grossteil der Sorte in den Export, fast drei Viertel der gesamten Produktionsmenge. Zugleich spüren die Schweizer bei ihrer wichtigsten Sorte den grössten Preisdruck.

Weil die Schweizer Erzeuger es versäumt haben, den Begriff als Herkunftsbezeichnung rechtlich schützen zu lassen, kommt Emmentaler nur in den seltensten Fällen aus dem Emmental – Experten sprechen von zwei Prozent.

Vorteil für ausländische Konkurrenz

Vor allem Molkereikonzerne aus Deutschland und den Niederlanden nutzen die Lücke, doch auch in den USA wird fleissig «Emmentaler» produziert. Mit fatalen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller. Noch in den 80er-Jahren produzierten rund 800 Betriebe im echten Emmental die Laibe.

Die verbliebenen Unternehmen könnten selbst im heimischen Stammmarkt stärker unter Druck geraten. Für die ausländischen Wettbewerber wird es dank der Franken-Stärke leicht, ihre Produkte deutlich billiger als bisher auf den schweizerischen Markt zu werfen.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.