Natürliche Rohstoffe besitzt die Schweiz kaum. Als wichtigste Ressource gilt der Mensch – im ökonomischen Kontext oft mit dem analytischen Begriff «Humankapital» versehen. Gemeint sind damit ausgebildete Fachkräfte ebenso wie Hochschulabsolventen oder über viele Jahre gesammelte Berufserfahrung.

Und besagtes Humankapital hat in der Schweiz kräftig an Wert gewonnen. Das Ausbildungsniveau der in der Schweiz lebenden Bevölkerung stieg in der vergangenen Dekade enorm – der Anteil der Uniabsolventen hat sich mehr als verdoppelt: Mittlerweile besitzt jeder vierte Einwohner einen Universitätsabschluss. Vor einem Jahrzehnt waren es erst 11 Prozent, wie eine Studie der UBS zeigt. «Zählt man die Fachhochschulabsolventen dazu, beträgt die Quote fast 40 Prozent», heisst es in der heute vorgestellten Untersuchung.

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Schweiz spart jährlich 8 Milliarden dank Zuwanderung

Die Schweiz profitierte dabei stark von der Zuwanderung aus dem Ausland. Unterm Strich zählte die Eidgenossenschaft zuletzt jedes Jahr rund 20'000 Hochqualifizierte mehr – obwohl mehr hochqualifizierte Schweizerinnen und Schweizer aus- als einwanderten. Arbeitgeber bedienten sich an dem weltweiten Pool an Talenten – ohne die öffentlichen Finanzen zu belasten.

Die Schweiz hätte es laut UBS jedes Jahr bis zu 8 Milliarden Franken gekostet, diese für das Land wichtigen Arbeitskräfte auszubilden. Dank der Zuwanderung gab es die Hochqualifizierten umsonst. «Pro Jahr sparte die Schweiz somit rund einen Viertel des jährlichen Bildungsbudgets ein», rechnen die UBS-Fachleute vor.

Zahl der Bachelor-Studenten wächst kaum noch

Doch auch Schweizer Universitäten verzeichneten einen regelrechten Boom, wie die letzten Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. 2013 gab es insgesamt über 140'000 Studierende – fast 30 Prozent mehr als noch vor einer Dekade (siehe Grafik). Doch die Zahl steigt bereits deutlich schwächer als noch vor einigen Jahren. «Zwischen 2015 und 2022 dürfte sich das jährliche Wachstum aufgrund des erwarteten Bevölkerungsrückgangs auf rund ein Prozent belaufen», analysierte das BFS im vergangenen Herbst.

Die Schweizer werden immer älter, entsprechend weniger stark steigt die Zahl der Studenten. Aber auch der Fachkräfte. Rund 36 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten bereits heute in einem Beruf mit einem Verdacht auf Fachkräftemangel, resümierte in diesem Frühjahr das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).

In vielen Berufen wächst der Bedarf an Fachkräften

Besonders häufig finden sich Anzeichen für einen schwer zu deckenden Fachkräftebedarf in Berufen des Managements, im Bereich Administration, Finanzen und Rechtswesen, teilte das Seco seinerzeit mit. Betroffen seien auch Gesundheitsberufe, Lehr- und Kulturberufe sowie Technik- und Informatikberufe. «In den nächsten zehn Jahren erreichen eine Million Menschen in der Schweiz das Rentenalter. Weil deutlich weniger Junge nachkommen, fehlen uns bei weiter steigender Beschäftigung rund eine halbe Million Arbeitskräfte», so Lukas Gähwiler, Geschäftsleiter von UBS Schweiz.

Das Gros der identifizierten «Mangelberufe», für die das Seco nun sogar eigens ein Indikatorensystem schuf, weist laut Staatssekretariat ein überdurchschnittliches Qualifikationsniveau auf. Am höchsten liegt der Anteil der tertiär ausgebildeten Personen gibt es bei Ingenieuren (85 Prozent), Lehrern (73 Prozent) und Informatikern (60 Prozent).

Was tun gegen den Fachkräftemangel?

Was also tun angesichts des drohenden Fachkräftemangels? Geht es nach den Fachleuten der UBS darf die Schweiz nicht ihr duales Bildungssystem aus dem Fokus verlieren. Zu viele Universitätsstudenten scheinen unerwünscht. «Länder wie Frankreich, Spanien oder Italien zeigen, dass eine hohe Akademisierung und eine weitgehend fehlende Berufslehrbildung zu strukturelle hoher Jugendarbeitslosigkeit führen kann.»

Daneben droht die im Februar beschlossene Zuwanderungsinitiative das Problem zu verschärfen. Noch immer ist völlig unklar, wie sie umgesetzt werden soll. Die Wirtschaft wünscht sich freilich eine möglichst moderate Umsetzung, die viel Freiraum lässt. «Wir müssen weiterhin die besten Leute aus aller Welt gewinnen können», so Gähwiler.