Zwischen den Genfer Rebbergen und der Rhone riecht es nach Duschmitteln. Unweit der Stadt dampfen dort Givaudans Kamine, in deren Produktionshallen gerade ein frischer Duft für die Dusche hergestellt wird. Hier entstehen Düfte und Aromen, die weltweit in Kosmetikprodukten, Luxusparfüms und Nahrungsmitteln zu finden sind. Doch der weltweite Marktführer Givaudan ist in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt.

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Dass der Konzern hinter den Kulissen agiert, stört den Mann an der Spitze nicht. «Das bedeutet eine gewisse Freiheit, uns um unser Kerngeschäft zu kümmern – fernab der Öffentlichkeit », sagt Firmenchef Gilles Andrier, der seit neun Jahren den Konzern leitet. Sein Kerngeschäft ist die Magnitude der Moleküle: Givaudan entwickelt mit pflanzlichen und synthetischen Rohstoffen laufend neue Düfte und Geschmäcker für die Schönheits- und die Nahrungsmittelindustrie. Ein Geschäft, das dem ehemaligen Berater Andrier auch nach über 20 Jahren im Konzern nicht verleidet. Er mag die Beständigkeit des Business. «Düfte berühren, wecken Emotionen und Erinnerungen», sagt er. Das sei schon immer so gewesen. Zu seinen präferierten Noten zählt «Infusion d’homme» von Prada – ein Parfüm, dem er seit Jahren treu ist. «Aber eigentlich ist mein liebster Duft jener, der uns den nächsten grossen Erfolg einbringt», sagt Andrier. Er lacht.

Hinter den Fensterscheiben in Andriers Büro führt der Blick über die Dächerreihe der Produktionshallen. Der Standort in Vernier GE ist Hauptsitz und mit 120 Jahren die älteste Produktionsstätte des Unternehmens. Andrier lässt keine Gelegenheit aus, die über ein Jahrhundert währende Firmenexpertise in der Parfümkunst zu erwähnen. Er ist stolz auf die lange Tradition und Kontinuität als Marktführer. Doch um diese Stellung zu behalten, wird bei Givaudan nicht nur an Duftformeln gefeilt. Denn Konkurrenten wie die Schweizer Nummer zwei im globalen Markt, Firmenich, die deutsche Symrise oder International Fragrances & Flavors (USA) legen kräftig zu.

Zahlen zählen

Geht es um die Strategieziele, wird aus dem feingeistigen Duft-Connaisseur Andrier ein kühler Denker, der klare Zahlen als Ziele zu formulieren weiss. Andrier hat den Konzern in den vergangenen Jahren stark verändert. Kurze Zeit nach seinem Amtsantritt als Geschäftsführer 2005 kaufte er die fast halb so grosse niederländische Konkurrentin Quest für 2,8 Milliarden Franken. Eine Summe, die dem damaligen Gewinn Givaudans entsprach. Durch die Übernahme wuchs das Unternehmen nochmals um mehr als die Hälfte. Heute beschäftigt Givaudan über 9000 Mitarbeitende. Der Kauf von Quest sei schon wagemutig gewesen, sagt Andrier. Obwohl er nicht daran zweifelte, traf er den Entscheid zusammen mit seinem Team.

Kostenfokus

Die Krisenjahre 2008/09 machten Givaudan, die einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts mit Luxusdüften verdient, zu schaffen. Andrier musste auf die Kostenbremse treten. Die Produktionsstandorte in Kemptthal ZH und in Bromborough (Grossbritannien) wurden geschlossen, mehrere Hundert Arbeitsplätze waren betroffen. Andrier verlegte die Produktion in ein neues Werk nach Ungarn. Um die Kosten laufend besser im Auge zu behalten, liess er 2012 konzernweit eine einheitliche IT-Lösung implementieren. «Das hat zum guten Resultat vergangenes Jahr beigetragen und wird sich auch weiterhin positiv auswirken», sagt der 52-Jährige. Mit 4,4 Milliarden Franken Umsatz 2013 und einem Gewinn von 490 Millionen Franken hat es der Konzernchef auf den siebten Platz des «CEO des Jahres 2014» geschafft.

Aber reine Finanzvorgaben reichten nicht für ein gutes Ergebnis, weiss Andrier. «Als Anbieter für Ingredienzen ist unser Erfolg massgeblich von dem unserer Kunden abhängig.» Deshalb muss er da sein, wo seine Kunden sind: In den Schwellenländern, den Wachstums- und Trendmärkten. Bis Ende 2015 will Andrier 50 Prozent des Konzernumsatzes in den Schwellenmärkten erwirtschaften, derzeit liegt die Quote bei 45 Prozent. «Da müssen wir noch zulegen. » Um sein wichtigstes Ziel zu erreichen, ist er viel auf Reisen. Dazwischen pendelt der Franzose, der aus Evian gebürtig ist, zwischen Genf und seiner Familie in Paris. Dort bildet Givaudan in dem Pariser Aussenbezirk Argenteuil seine Parfümeure aus. Die Schule eröffnete 1947 erstmals im südfranzösischen Grasse ihre Tore und zählt heute zu den renommiertesten Ausbildungsstätten. «Wir wollen die besten Nasen der Welt», sagt Andrier. Deshalb müsse man auch die beste Ausbildung und ideale Rahmenbedingungen bieten. Aber der Chef erwartet auch eine gewisse Loyalität seiner Leute – eine Grundhaltung, die er selber seit über 20 Jahren bei Givaudan beherzigt. Er sei seiner Aufgaben in dieser Zeit nie überdrüssig geworden. Im Gegenteil: Immer neue Situationen hätten ihn gefordert. «Die Neugierde ist dabei mein Hauptmotor », sagt er.

Neben den Düften setzt Andrier zunehmend auf den Wachstumsmarkt gesundheitsbewusster Ernährung. Bei Givaudan nennt sich dieser Bereich «Health and Wellness ». Dort werde zurzeit auf Hochtouren nach weiteren alternativen Rohstoffen gesucht, die etwa den gewohnten süssen, salzigen oder herzhaften Geschmack in Speisen und Getränken böten, dabei aber wesentlich gesünder seien, sagt Andrier. Gute Ingredienzen sind ihm auch zu Hause wichtig. Dafür steht er selber in der Küche. «Kochen entspannt ungemein», sagt er. Für den Vater von sechs Kindern zwischen 6 und 23 Jahren ist es «ein Akt der Zuneigung », den er für Familie und Freunde gerne tätigt – wenn es die Zeit erlaubt.