Sergio Ermotti verzog keine Miene, als er kürzlich den Abbau von 10000 Arbeitsplätzen präsentierte. Das neue Geschäftsmodell werde «einzigartig» in der Finanzindustrie sein, man nehme das aus einer Position der Stärke in Angriff. «Wir investieren in eine neue Investmentbank», erzählte Ermotti. Man werde in diesem Bereich «kleiner und effizienter». In den weitergeführten Bereichen strebe die Bank noch immer eine «führende Position weltweit» an.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

«Einzigartig», «Stärke», «führende Position» – Ermottis Worte sorgten bei so manchem für Erstaunen. Hatte der UBS-Lenker nicht eben den Abbau von Tausenden Stellen gemeldet und damit eigentlich Schwäche eingestanden?

Doch der Fluch der Floskeln trifft längst nicht mehr nur die Grossbank. Schweizer Unternehmen wie Merck Serono, Lonza, Swisscom, Sunrise, Hewlett-Packard, Tornos, Elmex oder Credit Suisse meldeten in den letzten Wochen Massenentlassungen – und legten dabei mitunter missglückte Auftritte hin.

Die Negativbeispiele häuften sich gerade, bedauert der Zürcher Kommunikationsexperte Patrick Senn. «Unternehmen, die im grossen Stil Entlassungen kommunizieren müssen, machen immer wieder bedenkliche Schnitzer in ihrer Kommunikationsarbeit.» Auch Daniel Perrin, Sprachwissenschafter und Leiter des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW Winterthur, beobachtet, dass zahlreiche Unternehmen über ihren Abbau «verklausuliert, schönfärberisch und scheinbar unangreifbar» sprechen. Das Ziel könne sein, die Investoren zu begeistern und so den Aktienkurs zu heben, «was dann die Entscheidung zu rechtfertigen scheint». Das räche sich aber mittelfristig. Für «wenig schlau» hält denn auch Kommunikationsexperte Senn Aussagen wie die der UBS, sich aus einer Position der Stärke neu auszurichten. «Solche Marketingsprüche sind völlig frei von jeglicher Sensibilität und gehören in Zeiten von Stellenabbau in den Müll. Und zwar, bevor sie veröffentlicht werden.»

 
 
 

«Belanglose Pseudo-Nachrichten»

Diese Ausweichmanöver gehören laut Senn ins Kapitel «Rumeiern», wie auch die Mediencommuniqués, in denen die Entlassungen «irgendwo zwischen den Zeilen versteckt werden». Das Negativbeispiel dazu liefere Lonza, die am 31. Oktober den Abbau von 400 Stellen in Visp bekannt gab – und zwar im letzten Abschnitt auf Seite 2 eines dreiseitigen Schreibens. Auch Sunrise habe versucht, den Abbau von 140 Stellen irgendwo zwischen «belanglosen Pseudo-Positivnachrichten zu verstecken». «Es funktionierte natürlich nicht», bemerkt Senn. Medien rückten die Kern-News ins Zentrum ihrer Nachrichten. Electrolux meldete im Oktober, man wolle «das bestehende Know-how sowie die vorhandenen Produktionskapazitäten effizienter nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken». Dadurch würden 150 von 230 Stellen im Werk in Schwanden GL gerettet.

Daher gibt es laut Senn für die Kommunikation nach aussen nur eines: «Den Stier bei den Hörnern packen» und Klartext reden. Doch die Wahrheit wollten gar nicht alle hören. Dazu Perrin: «Eine klar zu Ende gedachte Botschaft tut auch dem Publikum weh.» Denn wer ständig dem billigsten Telefonabo hinterherrenne, dürfe sich nicht beklagen, wenn ein Telekomanbieter sparen müsse. Und wer in Deutschland billiger einkaufe, müsse sich über die Mühen hiesiger Anbieter nicht wundern. «Viele wollen – oder können – die Zusammenhänge nicht erkennen. Das erschwert Kommunikation.»

Ein weiteres Problem liegt in der einseitigen Ansprache selektiver Zielgruppen. Gerade bei börsenkotierten Unternehmen stehe heute klar der Aktionär im Vordergrund, bedauert Charles Donkor, Partner und Leiter Personalberatung bei PricewaterhouseCoopers in Zürich. Dabei wäre es angebracht, alle Interessengruppen ausgewogen anzusprechen. «Sie sind ja letztlich auch die Leidtragenden der Massnahmen.»

Um allen Betroffenen gerecht zu werden, müsse die Kommunikation eines Stellenabbaus gut vorbereitet werden, sagt Urs Rellstab, Chef der Kommunikationsagentur Burson-Marsteller in Zürich. «Dies bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Personalwesen, den Führungskräften und den Kommunikationsverantwortlichen im Unternehmen.» Der Zuger Kommunikationsberater Steven Loepfe hält eine sorgfältige Planung sogar für oftmals entscheidend, wie ein Stellenabbau bei Personal und Öffentlichkeit ankommt (Tipps). Zu den Vorbereitungen gehören laut Rellstab ein detaillierter Ablaufplan, ausführliche Fragen-und-Antworten-Kataloge, Mitarbeiterinformationen und minutiös aufbereitete Unterlagen für die externe Kommunikation.

Auf die Vorarbeit legt auch Perrin grossen Wert. «Offen, fadengerade, ehrlich» müsse die Kommunikation sein. «Aber das setzt voraus, dass mit Verstand und Bedacht gewirtschaftet und entschieden worden ist. Und dass die Kommunikation, bei aller Geradlinigkeit, komplex genug ist, die Adressaten vor Fehl- und Kurzschlüssen zu bewahren.» Er fordert, die Betroffenen nicht nur über Tatsachen zu informieren, sondern sie in die Entscheidungsfindung vorgängig zu integrieren. Dennoch erfahren heute immer noch zahlreiche Angestellte aus der Presse, dass sie ihren Job verlieren. Etwa jene der UBS, die von ihrem Chef erst noch hören, die Bank «werde ein besserer Ort zum Arbeiten». Kommunikationsexperte Senn hält diese Informationsstrategie für «schlicht zynisch». In solchen Situationen nähmen oft auch Leistungsträger den Hut, die das Unternehmen keinesfalls verlieren wollte.

Wie viel Mitgefühl soll es denn sein? Laut Donkor ist es «sicher nicht falsch, wenn man Betroffenheit und Bedauern äussert». Dies werde auf der Führungsetage oft noch als «zu weich» abgetan. «Ist es aber nicht!», betont Donkor. Vielmehr sei es ein Zeichen der Stärke, zu kommunizieren, dass ein Abbau aus wirtschaftlichen Gründen unabdingbar sei, der Entscheid aber persönlich betroffen mache.

Um solche Massnahmen ausgiebiger mit den Mitarbeitenden zu diskutieren, empfiehlt Berater Donkor die sozialen Medien. «Ein Unternehmen kann dort den Entscheid eingehender begründen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Imagepflege leisten.» Mehr noch, Facebook und Co. sind unumgänglich, denn «Kanäle, die eine Organisation selbst nicht nutzt, werden von anderen Seiten genutzt, dann oft zum Nachteil der Organisation», sagt Dozent Perrin. Wer sich auf irgendeinem Kanal den Reaktionen nicht stellen wolle, habe die Entscheidungen noch nicht zu Ende gedacht.

Neue Motivation

Wenn hingegen «Weitsicht und Sorgfalt erkennbar» seien, könnten auch schmerzhafte Entscheidungen von allen getragen werden, sagt Perrin. Das gilt laut Charles Donkor gerade auch für jene, die gar nicht entlassen werden. Denn «will ein Unternehmen nach einer Restrukturierung erfolgreich sein, muss es die verbleibenden Angestellten wieder motivieren und ins Boot holen. Und diese wollen nicht nur Fakten, sondern auch Empathie.» Das belegen auch Studien von Burson-Marsteller. Je stärker und interaktiver Mitarbeitende in den Prozess miteinbezogen werden, umso erfolgreicher können neue Verantwortlichkeiten und Prozesse eingeführt werden.

 

Tipps vom Profi: Klar, verständlich, nachvollziehbar

Genaue Planung
Kaum ein Entscheid hat solch weitreichende strukturelle und emotionale Auswirkungen wie ein Stellenabbau, sagt Kommunikationsexperte Steven Loepfe aus Zug. Spreche ein Unternehmen Kündigungen aus, sei Feuer unter dem Firmendach. Gerade deshalb müsse das U nternehmen Klartext reden: «Schönfärberei bringt nichts.» Wichtig seien minutiöse Planung, schnelle Umsetzung, 360-Grad-Perspektive einnehmen und Fehler eingestehen.

Der Chef muss ran
Krisenkommunikation ist Sache der obersten Führung. Der Chef muss hinstehen und Menschlichkeit zeigen.

  • Präsentation vor Ort:
    Das ist der wichtigste und der erste Schritt zum Dialog. Bei mehreren Standorten sollte man Delegierte bestimmen oder via Live-Schaltungen alle Mitarbeitenden zeitgleich informieren.
  • Gründe für den Stellenabbau klar aufzeigen:
    Es muss klar, verständlich, ehrlich und nachvollziehbar kommuniziert werden. Wichtig ist, dass die Führung klar hinter dem Entscheid steht und keinerlei Zweifel daran hochkommen lässt.
  • Schnell informieren:
    Auf keinen Fall sollten die Mitarbeitenden den Stellenabbau aus den Medien erfahren. Mit einem Aktivitätenplan (was, wann, wer, wo, wie) können Zuständigkeiten klar definiert werden.
  • Absolute Diskretion:
    Je mehr Mitarbeitende davon wissen, desto eher kann ein Informationsleck entstehen. Deshalb empfiehlt es sich, die Aufgaben auf wenige Schultern zu verteilen oder Unterstützung durch externe Spezialisten einzuholen. Auch sollte vorbereitet werden, was gesagt wird, wenn etwas durchsickert.
  • Konsistenz der Botschaft:
    In der Kommunikation müssen Kernbotschaften, Zahlen, Termine konsistent verwendet werden. Allfällige Änderungen müssen daher auf alle Dokumente übertragen werden. Dazu braucht es eine Projektleitung mit Übersicht über alle Dokumente.