Sie haben früher als Prozessanwältin gearbeitet – was nehmen Sie aus jener Zeit für Ihre jetzige Tätigkeit mit?
Simone Stebler: In meinen zehn Jahren als Anwältin war ich oft in Konfliktsituationen tätig. Die Arbeit hat viel Spass gemacht, aber heute bringe ich Menschen zusammen. Als ich mir den Wechsel überlegte, dachte ich mir, dies könnte mir mehr entsprechen.

Verstehen Sie so besser, was in den Personen vorgeht, die in einer ähnlichen Situation stehen?
Ja, das ist so. Es ist nicht nur die persönliche Erfahrung des Wechsels von einer Branche. Sondern es braucht auch eine gewisse Identitätsanpassung, vor allem wenn man auf der Karriereleiter einen Schritt hinaufgeht. Ich sehe Parallelen, wenn ich Führungskräfte auf dem Sprung in die Geschäftsleitung begleite. Aus diesem Grund verfügen alle Berater unseres Unternehmens über einen Hintergrund in einer anderen Branche und haben einen kompletten Karrierewechsel hinter sich. Meine Kolleginnen und Kollegen waren beispielsweise in der Wissenschaft, der Musik oder im Marketing tätig.

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Welches sind derzeit die wichtigsten Trends in der Branche?
Diversität ist ein Trend, den wir in der Schweiz, aber auch global beobachten. Wir haben erfreulicherweise immer mehr Projekte, in denen es darum geht, die Diversität und Inklusion zu fördern, sei es bei der Personalsuche oder in der Führungskräfteentwicklung. Als zweiter Trend zeichnet sich der Einsatz neuer Technologien in der HR-Branche ab. Wir verfolgen diese Szene sehr eng und registrieren, was neu und spannend ist. Es gibt Artificial-Intelligence- und andere Online-Lösungen, die beispielsweise mit Stimmerkennung arbeiten und entsprechend ganze Persönlichkeitsprofile erstellen. Ich persönlich glaube jedoch daran, dass bei der Besetzung von Positionen das menschliche Urteil nicht ersetzt werden kann. Diese neuen Tools können Hinweise und gewisse Puzzlesteine liefern und helfen, Leute zu identifizieren, aber sie bringen die Menschen noch nicht an einen Tisch.

«Der Wunsch nach mehr Nahbarkeit ist ein Trend, welcher der Digitalisierung entgegenläuft.»

Wir verfolgen diese Szene sehr eng und registrieren, was neu und spannend ist. Es gibt Artificial-Intelligence- und andere Online-Lösungen, die beispielsweise mit Stimmerkennung arbeiten und entsprechend ganze Persönlichkeitsprofile erstellen. Ich persönlich glaube jedoch daran, dass bei der Besetzung von Positionen das menschliche Urteil nicht ersetzt werden kann. Diese neuen Tools können Hinweise und gewisse Puzzlesteine liefern und helfen, Leute zu identifizieren, aber sie bringen die Menschen noch nicht an einen Tisch.

Sprechen Sie von Personaldienstleistungen allgemein oder beim Executive Search?
Dabei denke ich vor allem an Personalsuche auf dem Toplevel. Aber auch ganz allgemein ist der Wunsch nach mehr Nahbarkeit ein der Digitalisierung zu einem gewissen Grad gegenläufiger Trend. In unserer Millennials-Studie wurde deutlich, dass die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt von ihren Vorgesetzten wünscht, dass sie nahbarer werden. Daher wird im Interviewprozess ein Gespräch unter vier Augen weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. Mehr technologische Lösungen wecken den Wunsch nach mehr menschlicher Nähe.

Die Millennials fordern nicht nur Nahbarkeit, sondern auch starke Werte und visionäres Denken bei Chefs. Hat das einen Einfluss auf die Executive Search?
Ja, wir merken, dass visionäres Denken und Nahbarkeit – auch im Sinn von persönlicher Begleitung und Förderung der Mitarbeitenden – gefragt sind von den Jüngeren. Gleichzeitig aber auch eine gewisse Bescheidenheit und die Fähigkeit, zu eigenen Fehlern und Schwächen zu stehen, was wiederum Nahbarkeit schafft. Diese menschliche Komponente wird in Zukunft immer wichtiger werden – auch die Fähigkeit, sich als Person zu reflektieren und immer wieder neu zu erfinden, wird für Führungskräfte zentral werden. Gleichzeitig legen die Millennials viel weniger Wert auf den Status im Sinn von Jobtiteln und Rollen, dafür viel Wert auf Sinnhaftigkeit.

Welche weiteren Trends beobachten Sie?
Die Nachfolgeregelung wird tendenziell immer langfristiger und umsichtiger angegangen: Immer häufiger werden wir von Unternehmen beigezogen, um einen aus internen Kandidaten bestehenden Talentpool zu beurteilen.

Wie wichtig ist in Ihrem Unternehmen das Thema Diversität?
Sehr wichtig. Wir haben neu eine Chairwoman und 36 Prozent weibliche Beraterinnen sowie 44 Prozent Frauen im Executive Committee. Wir sind noch nicht dort, wo wir sein möchten, und haben uns bis 2030 eine ausgeglichene Genderbalance zum Ziel gesetzt.

Wie sieht das Thema im Tagesgeschäft aus?
Es ist ein wichtiges Thema, denn wir glauben daran, dass ein diverses Umfeld die Bedingung für Innovation und Motivation von Mitarbeitenden und ein inspirierendes Arbeitsumfeld ist. Ich hatte teilweise schon Absagen für spannende Rollen auf Geschäftsleitungsebene von Kandidatinnen, die argumentierten, der Frauenanteil im suchenden Unternehmen sei zu niedrig. Wir haben in der Schweiz wie auch global aber auch viele Anfragen, um gezielt weibliche Talente zu identifizieren. Es gibt sehr viele weibliche Talente, aber es muss gelingen, sie zu behalten.

Es liegt an der Familiengründung und den fehlenden Strukturen für externe Kinderbetreuung?
Ja, aber berufstätige Mütter sind auch gesellschaftlich immer noch nicht gleich akzeptiert wie etwa in Frankreich oder in nordischen Ländern. Es liegt auch an den internen Unternehmenskulturen, der Überbetonung von männlichen Führungsqualitäten und Machtkämpfen, auf die viele Frauen keine Lust haben. Die Herausforderungen der Zukunft liegen meiner Ansicht nach darin, männliche und weibliche Führungsqualitäten als gleichwertig anzuschauen und ein Miteinander mehr zu betonen.