Es gehört zu den Erkenntnissen innerhalb des Kunstbetriebs, wie rasch sich Einzelphänomene in der Kunst zu Tendenzen verdichten, um ebenso schnell wieder abgelöst zu werden. Die letzte «Art Basel» hat etwa kleinformatige figürliche Malerei als Trend an die Oberfläche gespült. Vorher war es die grossformatige Fotografie à la Gursky und Ruff.
Was kommt nachher?

Die Frage ist falsch gestellt. Denn meistens lebt Kunst, die den flotten Trend überlebt, von ihrer Singularität und dem Bruch mit dem allgemein Akzeptierten. Von 99 Prozent der Salonmaler oder Impressionisten kennt keiner mehr den Namen.

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Einen Platz im Kunstkanon hat, was bisherige Kategorien sprengte, statt sofort vom Markt umarmt zu werden.

Nur: Wo findet sich die ästhetische Frischzellenkur? Neben den Off-Räumen und von Künstlern kuratierten Ausstellungsräumen sind es die kleinen Galerien, die von intimen Szenekennern geführt werden. In Zürich sind das der Ausstellungsraum 25, Artrepco, die Galerie Laurin oder Jean-Claude Freymond-Guth, in Basel sind es Nicolas Krupp und Groeflin Maag, in Bern Annex. Sie fungieren als erster Filter im Kunstsystem, sie beliefern manchmal Grossgalerien mit «Nachschub» und setzen Künstler in eine Startposition, die sie bei Kuratoren ins Gespräch bringt.

Zu den etablierteren unter den kleinen Galerien gehören Francesca Pia in Bern und Staubkohler in Zürich. Pia hat 1991, als der Name Thomas Hirschhorn noch keinen SVP-Parlamentarier schreckte, den heute international hoch gehandelten Topshot entdeckt und ausgestellt. Die eigentümlichen Collagen, die sie bei einem Freund gesehen hatte, liessen sie nicht mehr los. Heute vertritt sie neben internationalen Künstlern wie Hans-Peter Feldmann und David Shrigley auch einige der zurzeit interessantesten Positionen zeitgenössischer junger Kunst der Schweiz. Zum Beispiel Vidya Gastaldon, die mit Bleistift Fantasiereiche zeichnet, oder Stéphane Dafflon, welcher der abstrakten Formensprache neuen Wind einhaucht, und Mai-Thu Perret. Die 30-jährige Westschweizerin schafft aus ihrem eigenen, aus einer fiktiven Frauengemeinschaft in New Mexico genährten künstlerischen Kosmos Pappmaché-Figuren, Stoffbilder, mysteriöse fluoreszierende Logos, Töpferei und Stickerei. Mit Ausstellungen in der Renaissance Society in Chicago und dem Londoner Trendspot Chisenhale Gallery erlebt sie gerade einen kometenhaften Aufstieg, der 2007 mit einer Solo-Schau im Bonnefanten Museum in Maastricht seine Fortsetzung finden wird. Zudem konnte Pia von ihr ein Werk in einer US-Privatsammlung platzieren.

«Mich interessieren Künstler, deren Werk ich nicht auf Anhieb verstehe, mich aber nicht mehr loslässt», sagt Francesca Pia. Gute Vermittlung sei zentral, um jungen Künstlern einen Weg in die Zukunft aufzuzeigen. «Es kann nicht allein darum gehen, Sammlern Werke zu verkaufen.» Dazu bieten Messen zwar viel Gelegenheit, doch geht es da ebenso um die Pflege des Kontakts mit Kuratoren und potenziellen Partnergalerien im Ausland.

Den Netzwerken, deren Verstrebungen entlang sich Künstlerkarrieren entwickeln, kann nicht genug Wichtigkeit eingeräumt werden. «In der Kunstwelt ist es im Grund nicht anders als in Washington, D.C.: Es geht ums Lobbying, darum, die eigenen Interessen und Ideen zu vertreten», sagt Rolf Staub von der Galerie Staubkohler.

Die Galerie in Zürich vertritt erfrischende Positionen, die regelmässig in Museumsausstellungen Eingang finden. Tom Huber, einem 30-jährigen Zürcher, der mit leichtfüssig-ironischen Alltagsfotografien und Zeichnungen mit groteskem Twist auf sich aufmerksam gemacht hat, konnte Staubkohler ein Werk in eine einflussreiche US-Galerie vermitteln und zu einer Solo-Schau im Projektraum des Kunstmuseums Thun verhelfen.
Der ebenfalls 30-jährige Filip Schürmann wird mit skurrilen, an Art brut erinnernden Zeichungen im Herbst in einer Ausstellung im Kunsthaus Zürich vertreten sein. Marianne Engel beteiligte sich mit ihren zwischen Bedrohung und Verzauberung oszillierenden Naturfotografien an einer Ausstellung im Fotomuseum Winterthur.

Bei Staubkohler wird Ende August mit Tatjana Gerhard eine interessante Position junger Malerei ausgestellt: Die 32-jährige Zürcherin malt isolierte Kinderfiguren in märchenhafter Ausgesetztheit. Plastikfolie als Bildträger betont die fragile Wirkung. «Wir suchen Künstler, die in ihrem Gebiet Grenzen verschieben», sagt Staub. «Durch sie erfährt man eine neue Art zu sehen.»

Dass die Preise relativ niedrig sind – zwischen 500 und 5000 Franken –, hat den Effekt, dass auch Künstler und Kuratoren Werke kaufen können und nicht nur gut betuchte Sammler. Das nützt nebenbei auch dem kulturellen Kapital – sprich: Einfluss – der Galerie.