Thomas Straumann ist pünktlich. Nicht auf die Minute, sondern auf die Sekunde genau. Das ist kein Zufall: Alles an der altehrwürdigen Villa in der Basler Innenstadt, die Straumann als Arbeitsort dient, ist gelebte Zeit. Treppen und Täfer knacken, eine Pendule tickt hörbar, und im Entrée liegt ein runder Teppich in Form eines Zifferblatts. Der Hausherr trägt eine an Schlichtheit kaum zu überbietende Uhr aus Weissgold, eine Uhr der Neuhauser Moser & Cie., die Straumann seit drei Jahren mehrheitlich gehört.

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Der Name Straumann steht zwar auf der ganzen Welt für Dentalimplantate, aber die Anfänge der Firma gehen auf die Uhrenindustrie zurück. Thomas’ Grossvater Reinhard Straumann entwickelte in den dreissiger Jahren zwei Speziallegierungen für Uhrfedern, die bis heute in Schweizer Zeitmessern verwendet werden.

Passion und Business. Schon als kleiner Junge liess sich Thomas Straumann von der in der Familie herrschenden Uhrenleidenschaft anstecken und schraubte an den Modellen herum, die er zu Hause vorfand. Später lernte er Feinmechaniker und begann, Uhren zu sammeln, darunter viele Modelle seiner Lieblingsmarke IWC. «Ich habe noch nie eine Uhr verkauft, sondern alle behalten», sagt er.

Dass Uhren für ihn doch noch zu einem Geschäft geworden sind, ist Jürgen Lange zu verdanken, dem früheren technischen Direktor von IWC, mit dem Straumann schon damals geschäftlich verbunden war. Nach seinem Weggang bei IWC begann Lange, die Geschichte der 200 Jahre alten Schaffhauser Uhrendynastie Moser und ihrer Chronometer zu erforschen, die seinerzeit sogar am Zarenhof den Takt angaben, später aber aufhörten zu schlagen, weil in der Familie die Nachkommen fehlten. Lange beschloss, der Traditionsmarke zu einer Renaissance zu verhelfen, und gründete 2002 mit Privatinvestoren die Uhrenfirma Moser Schaffhausen. Schon drei Jahre später sorgte er mit Neuheiten wie der Perpetual 1 für Furore, der einzigen mechanischen Uhr mit ewigem Kalender, die über die Tageszone hinaus vorwärts- und wieder zurückgedreht werden kann. Heute sind Moser-Armbanduhren unter anderem mit Straumann-Spiralen ausgerüstet, die noch immer auf der Rezeptur und dem Herstellungsverfahren aus dem Familienarchiv beruhen. Im Frühling 2006 nutzte Straumann eine Kapitalerhöhung des von Lange geführten Unternehmens, erwarb eine Beteiligung von 61 Prozent und nahm Einsitz im Verwaltungsrat. «Ich wollte eine aktive Rolle spielen», begründet Straumann sein Engagement.

Seither geht es in Neuhausen Schlag auf Schlag. Straumann investierte nach eigenen Angaben einen «zweistelligen Millionenbetrag» in die Entwicklung der Moser Group und die neue strategische Ausrichtung auf die drei Schwesterfirmen Moser Schaffhausen, Precision Engineering und Manufacturing Support Group, die Präzisionsteile herstellen und diese auch an Drittfirmen verkaufen. «Wir wollen vermehrt uhrmacherisches Know-how intern aufbauen, um die Abhängigkeit von grossen Komponentenherstellern wie Swatch Group zu verringern», sagt Straumann.

Neuanfang im Thurgau. Moser-Uhren sind bei Sammlern begehrt. Vor allem in hohen Preislagen – limitierte Uhren kosten gegen 70  000 Franken – hat die schlechte Wirtschaftslage gemäss Straumann bisher keine Spuren hinterlassen. Für manche Modelle bestehen Wartefristen, wobei selbst Straumann hintanstehen muss. Der Jahresausstoss soll in den nächsten fünf Jahren auf 5000 bis 7000 Stück gesteigert werden. Wachstum verspricht sich Straumann von neuen technischen Finessen und der Lancierung neuer Modelle. Der Unternehmer erwartet von seiner Firma eine klare Rendite: «Moser ist mehr als ein Hobby, es ist ein Business. Dass es mir Freude bereitet, macht es umso schöner.»

Ähnlich ergeht es Thomas Matter. Der Ex-Banker will wie Straumann eine traditionsreiche, aber in Vergessenheit geratene Uhrenmarke gewinnbringend auferstehen lassen. Nach seinem Ausscheiden aus der Swissfirst Bank gründete Matter die Beteiligungsgesellschaft Matter Group in Zug, mit der er neben reinen Finanzinvestments auch langfristige Beteiligungen an Unternehmen aufbaut. Eine davon ist eine Mehrheit am Thurgauer Uhrenhersteller Hanhart, der seit letztem Jahr zur Small Luxury Companies (SLC) gehört, die wiederum bei der Matter Group angesiedelt ist. «Hanhart wurde allzu lange vernachlässigt. Wir haben die Firma dabei unterstützt, sich strategisch und finanziell neu aufzustellen», umschreibt Matter seine Rolle.

«Wir» – das sind sein Team der Matter Group sowie Dany Bahar, der den Anstoss zum Deal gab, den Hanhart-Verwaltungsrat präsidiert und auch an der SLC beteiligt ist. Die frühere Nummer zwei bei Red Bull und heute oberster Brandmanager beim Autobauer Ferrari gilt als begnadeter Verkäufer mit einem ausgeprägten Gespür für Marken. Mit von der Partie ist auch der Zürcher Wirtschaftsanwalt Thomas Ladner, der den SLC-VR präsidiert.

Es gilt, eine Tradition wieder zu beleben, die bis ins Jahr 1882 zurückreicht, als der Uhrmacher Johann Hanhart in Diessenhofen ein Geschäft eröffnete. Später expandierte der Familienbetrieb in den Schwarzwald, wo erste mechanische Stoppuhren gebaut wurden. Heute stellt Hanhart jährlich 150  000 Stoppuhren her – «ein kleines, aber rentables Geschäft», wie Matter sagt. Noch aussichtsreicher erscheint ihm der Wiederaufbau des Bereichs der Chronographen, dessen Expansion nun international vorangetrieben werden soll. Im Zweiten Weltkrieg hatte Hanhart mit ihren Chronographen für Piloten und Offiziere einen herausragenden Ruf, vor allem dank der legendären Fliegeruhr Kaliber 40, die noch heute ein begehrtes Sammlerstück ist. Später wurde die Fertigung der Chronos eingestellt.

Uhren und Paragrafen. An der Uhrenmesse Baselworld 2009 beginnt die neue Zeitrechnung für Hanhart. Eine neue Kollektion mechanischer Chronographen kommt auf den Markt, die auf der Tradition der früheren Fliegerchronographen aufbaut. Um das Label «Swiss made» wieder verwenden zu können, dislozierte das Chronographengeschäft Anfang 2008 vom Schwarzwald an den Ursprungsort Diessenhofen. Der Prozess von der Entwicklung über das Design bis zur Fertigung wurde durch Matters SLC finanziert. Markenzeichen der Uhr ist und bleibt der rote Drücker – ein Knopf, um den sich Anekdoten ranken. Eine von ihnen besagt, dass im Zweiten Weltkrieg die Frau eines Piloten den Drücker mit rotem Nagellack bepinselte, damit er sie nicht vergesse. Die Wahrheit ist vermutlich profaner. Der Grund für die Signalfarbe dürfte darin liegen, dass sie die Piloten vor einem unbeabsichtigten Zurückstellen der Stoppzeit warnte. Die neue Kollektion, mit der sich Hanhart zurückmeldet, besteht aus den Linien Pilot, Racer und Diver und kommt in einer Stückzahl von 2000 auf den Markt. «Klar hätten wir lieber ein besseres Wirtschaftsumfeld für den Neustart», sagt Matter, «aber wenn wir es jetzt schaffen, schaffen wir es langfristig.»

Da hat es Rolf Jetzer leichter. Der Partner der Zürcher Anwaltskanzlei Niederer, Kraft & Frey und VR-Präsident der Airline Swiss betreibt die Uhrmacherei als Hobby, das mit der Zeit aber beachtliche Dimensionen angenommen hat, weshalb Jetzer von einem «ernsthaft betriebenen Hobby» spricht. Ganz Anwalt, rechnete er den Aufwand für seine erste vom Gehäuse über das Zifferblatt bis hin zum letzten Zeiger selber entworfene Uhr einmal hoch: 5000 Stunden läpperten sich während etwa sechs Jahren zusammen.

Das war Anfang der neunziger Jahre, als Jetzer sich einen Ausgleich zur Welt der Paragrafen suchte. In der Uhrmacherkunst konnte er zwei Leidenschaften ausleben und sogar verbinden, die er schon immer in sich trug: das Sammeln von edlen Uhren und das Gestalten von Gegenständen. Zuvor widmete er sich dem Design von Möbeln, aber dies wurde bald zu aufwendig. «Der Vorteil von Uhren ist, dass man sie überall zeichnen kann», sagt Rolf Jetzer. Ob im Flugzeug, im Zug, daheim oder im Urlaub – stets hat er seinen mit einer professionellen CAD-Software ausgerüsteten Laptop zur Hand, mit dem er seine Entwürfe weiterentwickelt.

Dies hat den Vorteil, dass er keine Kompromisse eingehen muss und genau die Uhren zeichnen kann, die seinen eigenen ästhetischen und technischen Ansprüchen genügen. Das Markenzeichen der Jetzer-et-Fils-Zeitmesser ist ihr unprätentiöses, puristisches Gehäuse und das aufwendige Innenleben. «Das Design meiner Uhren ist gradlinig und ehrlich», sagt Jetzer, «Schnickschnack ist nicht mein Ding.» Damit die mit Edelsteinen besetzten Damenuhren ja nicht zu aufdringlich glitzern, lässt er die Steine meist im Baguette- und nicht im Diamantschliff fertigen.

gesteigerte Ansprüche. Die erste Serie umfasste 67 handgefertigte Armbanduhren in Gelb- und Weissgold sowie einige Exemplare in Platin. Die in den Verkauf gelangten Uhren waren rasch ausverkauft. Das hat Jetzer dazu bewogen, weiterzumachen und das Niveau nochmals zu steigern. Musste die erste Serie mit ETA-Werken aus dem Haus Jaquet-Baume vorliebnehmen, enthalten die neuen Modelle Werke aus der Luxusmanufaktur von Frédéric Piguet. Bis heute sind unter dem Label Jetzer et Fils gegen 300 Zeitmesser aus vier Kollektionen erschienen.

Da Jetzer nicht primär die Kommerzialisierung im Auge hat, kann er es sich leisten, neue Modelle erst dann nachzulegen, wenn sich der Vorrat zu Ende neigt. In ein, zwei Jahren will er wieder mit einer Neuheit aufwarten. Welcher Art diese sein wird, will er nicht verraten. Um aus dem Hobby einen Beruf zu machen, müsste er viel mehr Zeit und Geld investieren, was er aber nicht im Sinn hat. Für den Umstand, dass er sein Hobby dennoch in einem gewissen Sinn kommerzialisiert hat, erklärt er: «Für sich selber eine Uhr zu bauen, wäre reiner Luxus. Die Herausforderung ist es, eine Kreation zu entwickeln, die für Uhrenkenner so ansprechend ist, dass sie einen nicht unbedeutenden Betrag darin investieren. Die damit verbundene Anerkennung ist eine grosse Befriedigung.»