Der Bundesrat hat ein Mandat für Verhandlungen mit der Europäischen Union genehmigt. Ohne das Abkommen droht der Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt weiter zu erodieren. Nachfolgend die wichtigsten und umstrittensten Punkte zu den anstehenden Verhandlungen:

Der Bundesrat und die Europäische Kommission einigten sich vergangenen Herbst auf ein «Common Understanding». Dieses Dokument bildet eine gemeinsame Grundlage. Verfolgt wird ein sogenannter Paketansatz mit Abkommen in verschiedenen Sektoren.

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Darauf gestützt erarbeitete der Bundesrat einen Entwurf zum Verhandlungsmandat, welcher nun nach einer Konsultation der inländischen Interessengruppen angepasst wurde.

Die wichtigsten und umstrittensten Punkte

  • Strom: Mit einem Stromabkommen soll die Versorgungssicherheit der Schweiz und eine Netzstabilität gewährleistet werden. Die Akteure des Schweizer Strommarkts erhoffen sich durch ein Abkommen eine gleichberechtigte Teilnahme an den Energiemärkten. Der Bundesrat möchte eine vollständige Strommarktöffnung aushandeln, die den kleinen Endverbrauchern weiterhin eine regulierte Grundversorgung erlaubt.
  • Personenfreizügigkeit: Der Bundesrat strebt eine vollständige Anwendung des Freizügigkeitsabkommens an. Insbesondere zu zwei Punkten wurde dazu Kritik geäussert: Einerseits befürchten die Sozialpartner, dass es zu Lohndumping durch ausländische Arbeitnehmende kommen könnte, und andererseits fordert die Konferenz der Kantonsregierungen (KDK) ein Schutzmechanismus gegen einen möglichen Missbrauch der Sozialwerke.
  • Dynamische Rechtsübernahme: Um die Abkommen nachhaltig zu gestalten, wird über die dynamische Rechtsübernahme von EU-Recht verhandelt. Die Schweiz könnte sich bei der Erarbeitung von EU-Recht, das sie betrifft, einbringen und wäre in der Übernahme weiterhin souverän. Kritisiert wird, dass bei einer Nichtübernahme Sanktionen drohen könnten und die Schweiz deshalb nicht vollständig souverän sei.
  • Streitbeilegung: Bei einem Streitfall zwischen der Schweiz und der EU soll ein politischer Ausschuss der beiden Parteien nach einer Lösung suchen. Falls es sich beim Streit um die Auslegung von EU-Recht handelt, soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) beigezogen werden. Dessen Auslegung wäre für die Streitbehebung verbindlich. Die SVP spricht dabei von «fremden Richtern».
  • Landverkehr: Heute ist die Schweiz auf Übergangslösungen angewiesen, damit Schweizer Züge ins Ausland fahren dürfen. Um eine langfristige Lösung zu erzielen, sollen die institutionellen Fragen im Landverkehrsabkommen geklärt werden. Dies bedeute auch eine Marktöffnung für ausländische Bahnunternehmen, hält die Landesregierung fest. Dabei dürfe die Qualität des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz nicht beeinträchtigt werden.
  • Staatliche Beihilfen: Um den wirtschaftlichen Wettbewerb nicht zu verfälschen, sollen staatliche Beihilfen eingeschränkt werden. Unter staatlichen Beihilfen sind Subventionen, aber auch sonstige finanzielle Vorteile wie vergünstigte Darlehen oder Steuervergünstigungen zu verstehen. Die betroffenen Sektoren wären der Luft- und Landverkehr sowie der Strommarkt.
  • Unionsprogramme: Die Schweiz soll an den Unionsprogrammen in den Bereichen Innovation, Forschung und Bildung erneut teilnehmen können. Seit 2021 ist sie davon ausgeschlossen. Mit dem Start der Verhandlungen sollen Gespräche aufgenommen werden, damit Schweizer Universitäten und Hochschulen ab 2025 am Forschungsprogramm Horizon teilnehmen können.
  • Kohäsionsbeitrag: Die Schweiz soll regelmässig einen finanziellen Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten leisten. Damit würde sich die Schweiz an der Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU beteiligen. Höhe und Regelmässigkeit der Zahlungen sind Bestandteil der Verhandlungen.

Der Zeitplan

Damit Verhandlungen starten können, müssen nebst dem Bundesrat auch die EU-Mitgliedstaaten ein Mandat genehmigen. Sobald dies geschieht, können die Gespräche starten. Der Bundesrat rechnet damit, dass voraussichtlich im März die Verhandlungen starten können. Gemäss der Verständigung setzten sich beide Verhandlungsparteien das Ziel, Ende 2024 die Verhandlungen abzuschliessen.

Die Verhandlungsleiter

Für die Schweiz wird Patric Franzen als Chefunterhändler die Verhandlungen führen. Er ist Leiter der Abteilung Europa des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und stellvertretender Staatssekretär. Auf der europäischen Seite soll gemäss Franzen Richard Szostak die Verhandlungen führen. Der Diplomat war bereits bei den Brexit-Verhandlungen für die EU involviert.

Der Hintergrund

Die Schweiz verfügt seit 1972 über Abkommen mit der EU. Diese wurden regelmässig ergänzt, wobei nicht alle Verhandlungen zu einem Vertrag führten. Zuletzt brach der Bundesrat im Jahr 2021 Verhandlungen über ein Rahmenabkommen ab. Daraufhin wurden Sondierungsgespräche aufgenommen. Nun sollen Verhandlungen für ein neues Abkommen folgen.

(sda/mth)