Diese Woche hat der Bundesrat all jenen ein Geschenk gemacht, die so gar nichts vom Bundesrat und der Bundespolitik halten. Er hat die erste von zwei Bargeldinitiativen aus dem Kreis der Corona-Massnahmen-Gegner mit einem indirekten Gegenvorschlag geadelt.

Das ist nicht nur materiell unsinnig, wie ich aufzeigen werde, es gibt dieser Initiative auch mehr Bedeutung, als sie bekommen sollte. Erst recht, da eine zweite, radikalere Initiative aus dem gleichen Absenderkreis schon unterwegs ist. Die Initianten bewirtschaften Ängste vor unrealistischen Szenarien und beschneiden gleichzeitig Freiheiten, obwohl sie vorgeben, für Freiheit einzustehen. Was wollen sie?

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Mit den Initiativen «Bargeld ist Freiheit» und «Ich zahle bar» wird einmal mehr das Geld zum Freiheitsfetisch erhoben. Das wird umso klarer, wenn man sieht, mit welchen Argumenten die Initiativen einst lanciert wurden. Sie waren ein direktes Ergebnis der Anti-Impfplicht-Bewegung während der Covid-19-Pandemie.

So stellte Initiator Richard Koller seine Bargeldinitiative in einen Kontext zum Notstandsregime. Es bestehe eine grosse Gefahr, dass man jenen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, zur Strafe das Bargeld wegnehme, so Koller an einem Vortrag im September 2021. «Sie können uns auf Knopfdruck ausschalten. Kein Geld, kein Zugang zu unseren Konten. Nur noch die, die geimpft sind, können künftig wieder mehr als 500 Franken von der Bank holen.» Das sei natürlich «nur ein Beispiel», so Koller. «Aber es wäre ja möglich.»

Der Bargeldinitiative mit einem Gegenvorschlag entgegenzukommen, heisst, die Verschwörungsmythen der Initianten zu legitimieren. Das müsste eigentlich schon als Argument reichen, die Anliegen klar abzulehnen. Selbst eine Zustimmung zum harmlosen Gegenvorschlag ist zu viel des Guten.

Die beiden Bargeld-Initiativen sind auch inhaltlich unsinnig. Sie bewirtschaften falsche Mythen von Freiheit und Unabhängigkeit, und sie beschränken in letzter Konsequenz Freiheit, statt Freiheit zu schaffen.

Im besten Fall sind diese Verfassungsbestimmungen folgenlos. Im schlimmsten Fall verhindern sie sinnvolle Weiterentwicklungen.

Die Bargeldinitiative will den «Schweizerfranken» und die Existenz von Bargeld deutlicher in der Verfassung zementieren, um zu verhindern, dass dieses gegen den Willen des Volkes abgeschafft werden kann. «Münzen und Banknoten» müssten demnach «immer in genügender Menge» zur Verfügung stehen. Der «Ersatz des Schweizerfrankens durch eine andere Währung» müsse zudem dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden – als ob es heute möglich wäre, den Euro unter Umgehung des Stimmvolkes in der Schweiz einzuführen.

Das tönt vorderhand harmlos. Im besten Fall sind diese Verfassungsbestimmungen folgenlos. Im schlimmsten Fall verhindern sie sinnvolle Weiterentwicklungen. Vor allem aber gehen sie von einem falschen Bild des Bargeldes aus. Denn Geld war in der Schweiz nie die ewige Konstante, wie sie von den Initianten dargestellt wird. Bargeld stehe für «Freiheit, Sicherheit, Unabhängigkeit und unsere Kultur», argumentieren diese auf ihrer Website.

Historisch ist das gleich mehrfach falsch. Was wir heute als Bargeld kennen, wäre lange von vielen Schweizerinnen und Schweizern gar nicht als Geld akzeptiert worden. Blicken wir kurz zurück.

Während Jahrhunderten kannte die Schweiz keine eigene Währung. Jeder Kanton hatte anderes Geld. Die erst im 19. Jahrhundert eingeführte Einheitswährung war gerade kein Symbol der Freiheit, sondern Ergebnis von Fremdbestimmung. In der kurzen Phase der Helvetischen Republik setzte Besatzer Napoleon dem Schweizer Geld-Wildwuchs ein Ende und zwang die Schweiz zur Einführung eines Frankens nach französischem Vorbild. So viel zur «Unabhängigkeit».

Auch später war der Franken stets Mittel zum Zweck ohne mythische Aufladung. Noch bis 1926 war die Schweiz Mitglied einer Währungsunion mit Ländern wie Frankreich oder Griechenland. Die Münzen dieser Länder wurden gegenseitig als Zahlungsmittel anerkannt, auch in der Schweiz war zeitweise viel ausländisches Geld im Umlauf. Auch das spricht nicht gerade für das Symbol der Unabhängigkeit.

Vor allem aber hat sich dieses Bargeld immer wieder verändert. Lange war Geld gleichbedeutend mit Gold. Münzen hatten einen materiellen Wert. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert wurden alle Frankenmünzen in Silber geprägt. Später gab es die indirekte Bindung der Währung ans Gold oder über die multilateralen Wechselkurssysteme an den US-Dollar. Über die Zeit wurden aus Goldmünzen Blechmünzen und Papierscheine. Heute bezahlen viele Leute im Alltag elektronisch mit Geld ihrer Bank. Warum soll Bargeld nicht auch digital werden können?

Die zweite Initiative fordert nicht weniger als einen Bargeldzwang. Die Initianten zwängen ihr Freiheitsbild anderen auf, die weniger dem Fetisch der klimpernden Münzen anhängen.

Während man der nun vorliegenden Bargeldinitiative den Vorwurf machen kann, mit falschen Geschichten Stimmung gegen den Staat zu machen und Misstrauen zu säen, so hat die zweite Initiative der gleichen Urheber massive Eingriffe in die Freiheit zur Folge.

Warum? Sie fordert nicht weniger als einen Bargeldzwang. Für alle. Nicht nur der Staat, auch jeder Ladenbesitzer, jede Beizerin und jeder Autoverkäufer wäre gezwungen, Bargeld ohne zusätzliche Einschränkungen oder Gebühren zu akzeptieren. Das schreibt die Initiative mit grosser Detailversessenheit vor.

Mit Freiheit hat das nicht mehr viel zu tun. Es muss einem Unternehmer, einer Händlerin möglich sein, auf Bargeld zu verzichten, wenn er das möchte. Bargeld verursacht nicht nur zusätzlichen Aufwand, es kann auch ein Sicherheitsproblem darstellen.

Hier zementieren die Initianten nicht mehr nur Belanglosigkeiten der Bundesverfassung, sie zwängen ihr Freiheitsbild anderen auf, die weniger dem Fetisch der klimpernden Münzen anhängen.

Ja, es ist legitim, die im Rahmen der Digitalisierung zunehmende Kontrolle der Geldflüsse kritisch zu hinterfragen. Oder generell die digitale Überwachung. Soll auch neues, digitales Geld so ausgestaltet werden, dass es Zahlungen ohne Spuren ermöglicht? Und wenn ja, in welchem Umfang? Diese Debatte soll geführt werden, und sie wird auch geführt. Doch das ist nicht gleichbedeutend damit, Fortschritt zu verhindern.

Geld war immer ein Mittel zum Zweck, und das soll es auch bleiben. Wer den Franken in den Dienst von Verschwörungstheoretikern stellt, schadet dem Geldsystem, statt es zu festigen.

 

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