«Ich glaube, er mag mein Buch nicht», sagt Yanis Varoufakis und lacht. Der angesprochene Ökonom aus Deutschland lächelt verlegen. Es folgt nicht mehr viel an diesem runden Apéro-Tisch – ausser betretenes Schweigen.

Die bezeichnende Szene für das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen liegt bereits drei Jahre zurück. Im Frühling 2012 veranstaltete das Institute for New Economic Thinking seine Jahreskonferenz in Berlin. Die von Grossinvestor George Soros vorangetriebene Organisation will das Denken in der Ökonomie erneuern. Als Redner geladen waren unter anderem Koriphären wie Joseph Stiglitz, William White oder Anat Admati. Und Yanis Varoufakis.

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Varoufakis, ein praktisch denkender Ökonom

Heute, drei Jahre später, ist der 53-Jährige neuer Finanzminister Griechenlands. Bereits in seiner ersten Amtswoche kam es zum Eklat zwischen dem Ökonomen und der Euro-Gruppe. Am Freitag kündigte Varoufakis der sogenannten Troika von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zusammenarbeit auf.

Das befohlene Sparprogramm sei nicht umsetzbar, so der Finanzminister. Stattdessen halte die Regierung an ihren Zielen fest: Ein Schuldenschnitt für die Griechen, moderatere Reformanstrengungen und ein Ende der humanitären Krise. Zuspruch erhält er  von Nobelpreisträgern wie Paul Krugman, der in dieser Woche von einem «ökonomischen Alptraum» für die Griechen sprach.

Dabei ist Varoufakis zwar ein Querdenker seiner Zunft, aber bei weitem kein verblendeter Linksradikaler. An der Universität von Athen unterrichtet er ökonomische Theorie und lehrte bereits in Sydney, Glasgow, Cambridge und Texas. Und im Gegensatz zu vielen seiner Berufskollegen ist er ein praktisch denkender Wirtschaftswissenschaftler. Regelmässig schreibt er Gastbeiträge für den «Economist» oder die «Financial Times» und äussert sich auf seinem Blog zum wirtschaftspolitischen Tagesgeschehen.

Fast 150'000 Follower auf Twitter

Das sogar als amtierender Finanzminister: Die Kraft der Medien zur verzerrenden Darstellung habe ihn getroffen, schrieb Varoufakis nach seiner Ernennung. Die neue Regierung habe sich nie gegen Sanktionen gegen Putins Russland gestellt. Vielmehr habe der Aussenminister gesagt, Athen sei nicht gefragt worden – nachdem die Nachricht umging, die EU habe sich einstimmig für Massnahmen gegen Putin entschieden. Der Blogeintrag ging prompt um die Welt, wurde tausendfach auf Twitter und Facebook verbreitet.

Dies zeigt auch: Nur wenige Wirtschaftswissenschaftler haben in ihrer Karriere eine so grosse Popularität erreicht, wie Varoufakis. Inzwischen ist die Zahl seiner Verfolger beim Nachrichtendienst Twitter auf fast 150'000 gestiegen. Schon vor seiner Amtseinhebung lasen regelmässig fast 130'000 Menschen seine Tweets. Vor allem deshalb, weil er aktuelle Themen sehr pointiert  kommentiert.

Varoufakis will alles das, was Berlin nicht will

Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel warf er nicht nur einmal vor, sie würde an den Griechen «fiskalisches Waterboarding» ausprobieren. Auch sprach er von einem Pyramiden-Sparen für die Südländer. Und tatsächlich will Varoufakis für die Euro-Zone so ziemlich alles, was die deutsche Regierung nicht will: Eine echte Bankenunion, gross angelegte Investitionsprogramme oder beschränkt haftende Euro-Bonds.

In seinem eingangs erwähnten Buch «Der globale Minotaurus», das Varoufakis 2011 schrieb, wagte er den ganz grossen Wurf und machte die globalen makroökonomischen Ungleichgewichte für die Finanzkrise verantwortlich. Zuallererst betreffe das laut Varoufakis die USA, die nach der Aufgabe des Systems fester Wechselkurse Anfang der 1970er Jahre die hohen Handelsdefizite der US-Wirtschaft laufend mit Kapital aus dem Ausland finanziert und so die globale Schieflage forciert habe. Da Deutschland mit den grössten Handelsüberschuss der Welt hat, kritisierte Varoufakis indirekt auch die grösste europäische Wirtschaft.

Varoufakis, ein «brillanter Erklärer»

Wie kam Varoufakis' Buch damals an? In der internationalen Presse besser offenbar als bei so manchem deutschen Ökonomen. Varoufakis sei ein Wirtschaftswissenschaftler, wie man ihn selten finde, schrieb die renommierte britische Tageszeitung «The Guardian»: «Ein brillanter Erklärer, der seine Disziplin in grössere Zusammenhänge stellt und sich leidenschaftlich in die öffentliche Debatte einbringt.» Dies hat Varoufakis bereits nach einer Woche als Finanzminister bewiesen. Für die Euro-Gruppe wird er kein leichter Gesprächspartner sein.

Vortrag von Yanis Varoufakis auf der Inet-Veranstaltung im April 2012 in Berlin zur Euro-Krise: