Einkauf ist nicht gleich Einkauf, das bekommen viele Unternehmen gerade zu spüren. Doch während Grossunternehmen in der Beschaffung bereits deutlich strategischer agieren und die Kosten konsequent optimieren, gilt der Einkauf bei KMU oft noch als eine vom Rest der Wertschöpfungskette abgetrennte Community. Meist werden die Mitarbeitenden für Preisverhandlungen und Bestellabwicklungen eingesetzt. Mit einem operativen Einkauf lassen Unternehmen jedoch Verbesserungspotenziale entlang ihrer Chain ungenutzt und sind nicht in der Lage, rechtzeitig Lösungen für Herausforderungen bei der termingerechten Lieferung oder den steigenden Kostendruck zu finden.

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Den Einkauf neu positionieren

Der erste Schritt in Richtung strategischer Einkauf ist daher die Entscheidung der Geschäftsführung, den Einkauf zu transformieren. Ziel ist es, den Einkauf aus seiner Nische herauszuholen und ihn zentral innerhalb der Organisation zu positionieren, sodass er von der Idee bis zur Auslieferung an der Wertschöpfung beteiligt ist. Das gelingt durch eine Vernetzung des Einkaufs im Unternehmen, die ihn zum zentralen Ansprechpartner für alle Fachbereiche macht, um die Einkaufsbedarfe zu bündeln. Die neue Rolle ermöglicht es dem Unternehmen so, eine langfristige Einkaufsstrategie zu verfolgen und Verbesserungspotenziale durch regelmässige Analysen der Wertschöpfungskette umzusetzen.

Der Autor

Tayfun Emel, Senior Consultant, Staufen.Inova, Zürich.

Doch was einfach klingt, wird nur gelingen, wenn das Unternehmen auch die Abläufe auf den Prüfstand stellt. Datensilos müssen aufgebrochen und transparente Prozesse etabliert werden. Ein führender Hersteller von Schneid- und Schweissbrennern ist diesen Weg bereits gegangen. Das Unternehmen war über Jahre durch Zukäufe gewachsen, wobei die Tochtergesellschaften ihre Supply Chain lokal optimierten. Dadurch fehlte der unternehmensweite Überblick über die Bestände in den Lagern. Das ging zulasten der Lieferschnelligkeit. Das Unternehmen entschied, das komplette Supply-Chain-Netzwerk zu digitalisieren. Mithilfe einer Optimierungssoftware wurde das Daten-Handling neu organisiert. Inzwischen sind die Prozesse in allen Tochtergesellschaften miteinander vernetzt. Einheitliche Materialnummern für alle Artikel sorgen für Transparenz über die vorhandenen Lagerbestände. Lagerware wird heute von einer Tochtergesellschaft zur nächsten geschickt. Durch diese Massnahmen konnten sowohl die Lagerbestände als auch die Kapitalbindung an den einzelnen Standorten reduziert werden.

 

Kosten sparen durch Datentransparenz

Der strategische Einkauf ist aber nicht nur der Brückenbauer innerhalb des Unternehmens, sondern auch nach aussen zu den Lieferanten, um die richtigen auszuwählen und in die Prozesse zu integrieren. Auch hier führt Datentransparenz zu Einsparungen, wie das Beispiel eines Landtechnikherstellers zeigt. Das Unternehmen hat mithilfe einer speziellen Software Daten aus verschiedenen Quellen zu 30 000 Artikeln aufbereitet und ausgewertet. So wurde herausgefunden,

  • wie viele ähnliche Artikel das Unternehmen in vergleichbaren Stückzahlen bei unterschiedlichen Lieferanten zu unterschiedlichen Preisen und Konditionen gekauft hat,
  • wie hoch das Einsparpotenzial in Warengruppen und einzelnen Artikeln ist,
  • welchen Einfluss bestimmte Parameter (zum Beispiel Form- und Lagetoleranzen) auf den Preis haben und
  • welche Systematik Lieferanten bei der Preisgestaltung nutzen.

Nach der Analyse konnte der Hersteller durch Nachverhandlungen innerhalb nur weniger Wochen Einsparungen realisieren.

Studie zeigt Potenziale auf

Darüber hinaus wird die Vernetzung mit den Lieferanten durch die regulatorischen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Risikoabschätzung in der Supply Chain immer wichtiger. Entlang der End-to-end-Prozesse muss der strategische Einkauf sicherstellen, dass die Lieferanten in der Lage sind, Waren in der benötigten Qualität, in ausreichender Menge und zum vereinbarten Termin zu liefern. Und dass sich die Lieferanten dabei an gesetzliche Regelungen zu Umweltschutz und Menschenrechten halten. Notwendige Lieferanten-Audits können mit strukturierten Fragebögen auf einer gemeinsamen digitalen Plattform durchgeführt werden. Doch in der Vernetzung liegt noch grosses Potenzial, wie die aktuelle Staufen.Inova-Studie «Zukunft Industrie 2023» zeigt. Bisher nutzen nur 40 Prozent der Unternehmen gemeinsame Plattformen mit ihren Lieferanten.

 

Aktives Risikomanagement betreiben

Letztlich profitiert das Unternehmen also als Ganzes von der Transformation. Denn ein strategischer Einkauf hat nicht nur alle anfallenden Kosten im Blick (Total Cost of Ownership). Er positioniert das Unternehmen zudem kontinuierlich entlang der Wertschöpfungskette und betreibt darüber hinaus ein aktives Risikomanagement.