Einst standen Crevetten für Luxus, dann wurden sie zur leicht erschwinglichen Massenware: Der Crevettencocktail entwickelte sich hierzulande in den 1970er-Jahren zum Kultgericht. Inzwischen hat es der Cocktail sogar ins Regal von Convenience-Food im Grossverteiler geschafft. Crevetten in verschiedenen Grössen sind auch in gut sortierten Fischauslagen in den grossen Supermärkten und Delikatessgeschäften zu finden. Egal, welche Grösse sie haben oder welche Namen sie tragen, eines haben sie gemeinsam: Der grösste Teil kommt in gefrorener Form aus Thailand, Indonesien oder Vietnam zu uns. Weniger als 1 Prozent der Crevetten wird in der Schweiz im Hochpreissegment verkauft.

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Wer die Delikatesse aus dem Meer liebt und gleichzeitig umweltbewusst ist, muss sich entscheiden, was wichtiger ist. Seit ein paar Jahren gibt es in der Schweiz jedoch Crevetten zu kaufen, die nicht um die halbe Welt gereist sind, weil sie bei uns in Aquakulturen gross geworden sind. Der Vorteil ist nicht nur frische Ware, sondern auch die Gewissheit, dass sie aus einer weniger umweltschädlichen Umgebung stammen als die meisten Produkte aus dem Ausland.

Es sind absolute Nischenanbieter, aber es gibt sie: Mit den Prädikaten «fangfrisch» und «regional» wirbt zum Beispiel die kleine Firma Aemme Shrimp einer Bauernfamilie in Burgdorf, die 2015 mit der Crevettenzucht in einem geschlossenen Ökosystem begonnen hat. Ein weiterer Player auf dem heimischen Markt mit dem Claim «Fangfrisch aus der Schweiz» ist Mayer Shrimps im thurgauischen Zuben. Die Temperatur im 30 Grad warmen Wasser für die Aufzuchtbecken wird mit einer Wärmepumpe erzeugt. Im zürcherischen Nänikon gibt es mit Lucky Shrimp noch eine heimische Crevettenfarm, die hauptsächlich die Gastronomie beliefert. Ihr Verkaufsargument ist «Frische dank Schockgefrieren sofort nach der Ernte».

 

Viel Wärme, viel Salz

Während den einen sofortiges Schockgefrieren als Qualitätsmerkmal dient, verweisen die anderen darauf, dass ihre Shrimps zu keinem Zeitpunkt gefroren waren. Beispielsweise die Firma Swiss Shrimp in Rheinfelden. Hier werden in grösseren Dimensionen Shrimps lokal gezüchtet. Der Standort des Firmenareals mit den 16 Salzwasserbecken ist kein Zufall: Eine Partnerschaft mit der Schweizer Salinen AG macht es möglich, dass die Becken durch einen Teil der Restwärme der benachbarten Saline Riburg auf die nötigen 32 Grad geheizt werden. Die Weissbeingarnelen brauchen rund hundert Tage, bis sie vom sogenannten Postlarvenstadium bis zur gewünschten Grösse – kugelschreiberlang und daumendick – herangewachsen sind.

 

Know-how aus Südamerika

Auf dem Weg zur professionellen Shrimpfarm bewiesen die Gründer rund um Rafael Waber in den letzten Jahren viel Geduld und Hartnäckigkeit – wobei sie auch Rückschläge hinnehmen mussten. Nach dem gründlichen Einarbeiten in die Materie sowie einigen Pilot- und Projektierungsphasen begann die Aufzucht im Jahr 2018. Es folgten weitere Lehrjahre, in denen immer wieder die Begleitumstände der Aquakultur – wie etwa das Futter, die Strömung, die Beleuchtung, oder die Sauerstoffzufuhr – angepasst wurden, damit die gewünschten Mengen erreicht werden konnten. Neue, speziell ausgebildete Fachleute aus Südamerika mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Shrimpzucht bringen seit 2023 das nötige zusätzliche Know-how in das Unternehmen. «Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die grösste Indooranlage von Europa sind und Pionierarbeit leisten», erklärt Rafael Waber.

Wer gesehen hat, welcher Aufwand bei der Aufzucht der Shrimps betrieben wird, sieht die Meeresdelikatessen auf dem Teller möglicherweise mit anderen Augen. Einmal pro Stunde wird in der Rheinfelder Shrimpfarm das Wasser umgewälzt, durch vier mechanische und biologische Filterstufen in einem ökologischen Kreislauf gereinigt und den Becken wieder zugeführt. Weil die Shrimps eine stetige Nährstoffzufuhr brauchen, werden sie durch maschinelle Futterstationen versorgt, die laufend Futterpellets in die Becken rieseln lassen – je nach Entwicklungsstadium in einer anderen Mischung.

Das Shrimpfutter aus Frankreich besteht unter anderem aus Weizen, Soja, Algen, Fischmehl und Fischöl. Eine Untersuchung der Fachhochschule Nordwestschweiz ergab, dass der grösste Anteil des CO2-Fussabdrucks der Swiss Shrimp AG aus der Rohstoffbereitstellung, insbesondere des Futters, stammt. Rafael Waber räumt ein: «Es ist der beste Lieferant, aber es liegen in Bezug auf die Auswahl der Proteinbestandteile noch Verbesserungen drin.»

Verglichen mit extensiven Shrimpfarmen in Asien ist der ökologische Fussabdruck von Swiss Shrimps dennoch kleiner, auch weil die langen Transportwege entfallen. Der Geschäftsführer und sein Team betonen im Gespräch, dass sie für volle Transparenz sind und keine unangenehmen Fragen scheuen – auch nicht bei den Führungen durch die Anlage.

 

Qualität zum Rohessen

Die Zielgruppe der Swiss-made-Shrimps sind zu 40 Prozent Privatkundinnen und -kunden und zu 60 Prozent Kundschaft aus dem Gastronomiebereich. Der Preis liegt im obersten Segment und beträgt für eine mittlere Grösse 12 Franken pro 100 Gramm. An die Privatkundschaft wird ausschliesslich via Webshop verkauft.

Swiss Shrimp «erntet» auf Bestellung und liefert den Kundinnen und Kunden direkt nach Hause. Nachdem die Bestellungen eingegangen sind, werden die Shrimps in Handarbeit mit Netzen aus den Becken gefischt, in Eiswasser getötet und sofort in gekühlte Boxen verpackt. Rafael Waber: «Diese Frische ermöglicht eine Sashimi-Qualität; das ist zum Beispiel entscheidend für Sushi-Köche.»

Frische ist auch für Jonas Ingold wichtig. Der Chefkoch des Restaurants Zum Löwen in Messen im Kanton Solothurn legt Wert darauf, dass die Rohstoffe für seine Küche möglichst aus der Schweiz kommen; er verwendet keine Meeresfische und keine exotischen Früchte. Auf Meeresfrüchte hat er aus ethischen und ökologischen Gründen bislang verzichtet, obwohl er sie auch persönlich gerne isst. Seit kurzem hat das Restaurant wieder Shrimps auf der Karte. Es ist Jonas Ingolds persönliche Lieblingskombination aus Tatar und Bisque, die zusammen serviert werden. Für das Tatar werden die Shrimps roh verarbeitet, für die Krustentiersuppe wird das ganze Tier verwendet.

«Die Qualität der Shrimps aus Rheinfelden erlaubt es, dass man sie roh essen kann», betont Jonas Ingold, der mit 16 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet wurde. «Bei frischen Shrimps kommt ein ganz neues Geschmacksprofil zum Vorschein.» Bereits einmal gefrorene Shrimps würde er persönlich nie roh essen.

Der heimische Tiefkühler ist suboptimal für den Einfrierprozess

Umwelt Dass sich heute viele Menschen Crevetten leisten können, hat seinen Preis für die Umwelt. Das Problem ist bekannt und angesichts der Beliebtheit der Shrimps doch zu wenig verbreitet: Der Wildfang im Meer ist in Verruf geraten, denn er hat zur Folge, dass mit den Schleppnetzen als Beifang viele andere nicht verwertbare Fische gefangen und Korallenriffe beschädigt werden. Aber auch die naturnahe und tierfreundlichere sogenannte extensive Zucht ist problematisch, weil dafür Mangrovenwälder gerodet werden. Die Teiche der intensiven Shrimpsfarmen haben wiederum den Nachteil, dass dort oft Antibiotika eingesetzt werden.

Gefrieren? «Wenn es nicht anders geht, ist das Schockgefrieren die beste Variante», sagt Jonas Ingold. Wenn ein Lebensmittel schockgefroren wird, geschieht das bei minus 34 Grad Celsius, wobei sich sehr feine Eiskristalle bilden, was schonendes Auftauen ermöglicht. Beim herkömmlichen Einfrieren bei minus 18 Grad Celsius (Tiefkühlertemperatur) bilden sich gröbere Eiskristalle. Wenn sie aufgetaut werden, können die Zellstrukturen zerstört werden, worauf Flüssigkeit austritt und die Qualität beeinträchtigt werden kann.

Krebstiere Jede Region bezeichnet die Meeresbewohner anders: Garnelen, Crevetten, Gambas, Gamberi oder Shrimps. Es gibt rund 2500 verschiedene Shrimparten. Die Weissbeingarnele ist die am häufigsten konsumierte Crevette in der Schweiz. Scampi hingegen gehören zur Familie der Hummerartigen und besitzen im Gegensatz zu Crevetten grosse Scheren. Im Rohzustand sind Garnelen grau-bläulich, Scampi sind rötlich gefärbt.