Um die Biodiversität steht es sowohl weltweit wie auch in der Schweiz nicht gut – über ein Drittel aller Arten sind bedroht. «Gerade im Landwirtschaftsgebiet und in den Gewässern verzeichnen wir vielfach starke Rückgänge», sagt Florian Altermatt, Präsident des Forums Biodiversität Schweiz. Doch es gibt auch Lichtblicke: So sieht im urbanen Gebiet die Situation etwas differenzierter aus. Altermatt: «Einerseits haben wir auch hier Rückgänge bestimmter Artengruppen, anderseits können urbane Räume für die Biodiversität wertvoll sein. Bestimmte Wildbienen zum Beispiel können im urbanen Raum gut vorkommen, wenn dieser vielfältig gestaltet ist. Die urbanen Räume sind dabei eine Ergänzung, nicht ein Ersatz.»

Gemeinden können gemäss Florian Altermatt sowohl regulierend wirken wie auch als gutes Beispiel ein Zeichen setzen. Es ist etwa sehr zu begrüssen, wenn auf öffentlichem Grund Lebensräume biodiversitätsfreundlich gestaltet werden. Dies habe einen Vorbildcharakter. Gewisse Regulationen, beispielsweise zum Erhalt von grossen Bäumen oder zur Reduktion von Versiegelung (keine Steingärten) können hilfreich sein und der Allgemeinheit zugutekommen, weil sie neben der Biodiversität auch das Stadtklima positiv beeinflussen.

Dafür setzt sich das Forum Biodiversität Schweiz ein. Das Forum ist das wissenschaftliche Kompetenzzentrum für Biodiversität und ihre Ökosystemleistungen in der Schweiz. Es ist Teil der Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT). Die Mission ist, das Wissen im Biodiversitätsbereich den Akteuren, sei dies Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft, zur Verfügung zu stellen. Die Forschung in der Schweiz zum Thema Biodiversität gilt übrigens weltweit als führend.

 

Eine entscheidende Rolle

Biodiversität und Nachhaltigkeit gewinnen besonders auch im Gartenbau weiterhin an Bedeutung. In Anbetracht der Klimaveränderung spielen Grünflächen nachweislich eine entscheidende Rolle. So kann etwa Hitze durch Schattenspender wie Bäume und Grosssträucher gemindert werden. Genauso an Bedeutung gewinnt die Wahl von standortgerechten, einheimischen Pflanzen und der Einsatz von nachhaltigen Baumaterialien. Denn Grünflächen sind lebende Organismen, deren Gedeihen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, wie beispielsweise die Wasserversorgung, das Nährstoffangebot, das Alter des Bestandes und nicht zuletzt die Intensität der Nutzung.

Die Kombination von verschiedenartigen Strukturelementen in Grünräumen mit hoher struktureller Diversität erlaubt es einer grossen Zahl von (Tier-)Arten, sämtliche verschiedenen Mikrohabitate – also sehr kleinräumige oder speziell abgegrenzte Habitate – oder Kleinstrukturen zu finden, welche von einer Art im Verlauf ihrer Entwicklung benötigt werden. Das heisst, es deckt eine Vielzahl von Nischen für Arten mit unterschiedlichen Standortansprüchen ab.

Doch im Allgemeinen sind Privatgärten zu klein, um lebensfähige Populationen von Arten zu beherbergen. Also viel Aufwand für nichts? «Überhaupt nicht!», betont Altermatt. Auch kleine, naturnahe Flächen seien wichtig. Einerseits könne die Summe vieler kleiner Flächen bedeutsam sein, anderseits könnten solch kleine Flächen auch als Ausbreitungskorridor und zur Vernetzung von Populationen sehr wichtig sein. Kurzum: «Es lohnt sich sehr, wenn jede Fläche im Siedlungsgebiet auf Biodiversität ausgerichtet wird.»

 

«Facettenreich und lebenswert» ist das Leitthema der Giardina 2024.

 

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«Mut zur Wildnis»

Interview mit Florian Altermatt, Präsident Forum Biodiversität Schweiz

 

Viele Menschen bevorzugen naturnahe Gärten – sofern diese nicht zu wild werden. Das scheint ein Widerspruch. Schliessen sich ökologische und ästhetische Aspekte eines Gartens aus?

Ich sehe keinen Widerspruch, aber es ist schon so, dass Naturnähe auch heisst, dass es vielfältig sein muss: Ein naturnaher Garten weist Strukturvielfalt auf, und Vielfalt an einheimischen Pflanzen sowie Vielfalt des Unterhalts sollten gegeben sein. Monotone Gärten mit Thujahecke und englischem Rasen sind biologisch wertlos. Viele Menschen schätzen Wildnis, beispielsweise wenn sie in den Ferien einen Nationalpark besuchen. Es ist sehr bereichernd, wenn man einen Teil dieser Natur auch direkt vor der Haustür oder im städtischen Umfeld beobachten kann. Es braucht dazu ein bisschen «Mut zur Wildnis». Solche naturnahen Gärten können auch sehr ästhetisch sein.

Welche Tipps geben Sie bezüglich der Optimierung von Gartenökosystemen?

Die Grundprinzipien sind einfach: möglichst nur einheimische Gehölze und Pflanzen, ein grundsätzlicher Verzicht auf Pestizide und Dünger, Bereiche mit geringer Pflegeintensität (so zum Beispiel nur selten gemähte Bereiche einer Wiese) und etwas Mut zur Wildnis – also Platz für einen Asthaufen, eine Trockensteinmauer oder sogar einen kleinen Teich. Oft stellt sich die Natur dann von selbst ein: Amphibien besiedeln den Teich, Schmetterlinge nutzen die Wiese zur Nektaraufnahme, Vögel fressen die Beeren an den Sträuchern.

INTERVIEW: MARC RÜEDI