Weniger Staus dank intelligenterer Verkehrsführung, weniger Stromverbrauch in Städten, Gemeinden und Haushalten dank Smart-City- und Smart-Living-Anwendungen sowie höhere Produktivität der Computerprogrammierer mittels des Copiloten-Tools: Die künstliche Intelligenz (KI) verspricht in vielen Bereichen der digitaler werdenden Wirtschaft Einsparmöglichkeiten und Effizienzsteigerungen. Dem steht ein grösserer Energieverbrauch an anderen Stellen gegenüber: Die Large-Language-Modelle (LLM), die Anwendungen wie Chat GPT zugrunde liegen, benötigen sehr viel Rechenleistung. Eine Chat-GPT-Anfrage benötigt je nach Berechnung zehn- bis zwanzigmal mehr Strom als eine einfache Google-Abfrage.

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«Wir sind erst am Anfang, den Energieverbrauch von grossen KI-Anwendungen genau zu verstehen», sagt Jan Bieser, Assistenzprofessor für Digitalisierung und Nachhaltigkeit, am Institut Public Sector Transformation an der Business School der Berner Fachhochschule. «Es gibt aber schon ein paar Studien, und die zeigen, dass bei grossen, komplexen Modellen vor allem das Training viel Energie benötigt.» Sei ein Modell weltweit verbreitet und werde es oft genutzt, falle auch der Energieverbrauch beim Betrieb des Modells ins Gewicht.

 

Mehr Stromverbrauch als von mittelgrossen Ländern

Die steigende Nachfrage nach Rechenleistung macht sich auch beim Energieverbrauch von Ländern bemerkbar. Laut Bieser war in der Schweiz der Stromverbrauch der Rechenzentren zwischen 2014 und 2019 um etwa einen Viertel gestiegen, und man geht von weiteren Zunahmen aus. 3 bis 4 Prozent des Stromverbrauchs entfällt auf Rechenzentren. Und die KI trägt massgeblich zu weiteren Anstiegen bei. «GPU sind die Grafikprozessoren, auf denen grosse KI-Modelle laufen. Kürzlich wurde errechnet, dass eine einzige Serie an GPU, die der Hersteller Nvidia im Jahr 2023 und 2024 verkaufen möchte, im Betrieb mehr Strom als Bolivien, Estland oder Litauen benötigt», so Bieser.

3–4 Prozent des Stromverbrauchs entfallen auf Rechenzentren. Die KI trägt massgeblich zu weiteren Anstiegen bei.

 

Umgekehrt lässt sich mit digitalen Anwendungen auch Energie sparen. Ein Flug von Zürich nach Paris und zurück verursacht 300-mal mehr Treibhausgasemissionen als eine vierstündige Videokonferenz. «Wenn wir es wirklich schaffen, dank Videokonferenzen weniger zu fliegen, dann können wir hier einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz leisten», so Bieser. «Was aber gar nicht so klar ist: ob Videokonferenzen wirklich den Flugverkehr absolut reduzieren. Deshalb brauche es begleitende Massnahmen. «Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, müssen wir uns clevere Massnahmen überlegen und sie umsetzen», so Bieser. «Einfach digitalisieren und hoffen, dass das unsere Probleme von alleine löst, reicht nicht aus.»

 

Effizientere Nutzung und Wiederverwertung

Es gibt mehrere Ansatzpunkte für Energieeinsparungen in der digitaler werdenden Wirtschaft. Rechenzentren laufen ständig – sie gelten als kritische Infrastrukturen. «Hier kann man durch Steigerung in der Energieeffizienz und durch Erhöhung der Auslastung von Rechenzentren viel erreichen», erklärt Bieser. Es ist viel effizienter, wenn ein Rechenzentrum betrieben wird, das zu 80 Prozent ausgelastet ist, als zwei, die jeweils zu 40 Prozent ausgelastet sind. Die grossen Cloud-Unternehmen sind ziemlich gut darin, ihre Rechenzentren effizient zu betreiben – für Firmen kann der Abschied vom eigenen Serverraum auch aus Energieeinsparungssicht sinnvoll sein.

Grössere Spielräume haben Firmen und Mitarbeitende bei der Auswahl der Endgeräte und den Nutzungsmustern. Bereits die Herstellung von Endgeräten ist sehr ressourcen- und energieintensiv. Beispielsweise enthalten Smartphones mehr als 50 Prozent der Elemente des Periodensystems. «Hier können wir Einsparungen erzielen, wenn Hersteller die Ressourcen-/Energieffizienz steigern oder wenn wir absolut weniger Geräte herstellen, zum Beispiel indem wir Geräte länger nutzen», so Bieser.

Auch beim Betrieb lässt sich einiges sparen. «Eine Faustregel lautet: Je grösser das Display ist und je mehr Rechenpower im Gerät steckt, desto mehr Energie verbraucht es», so Bieser. «Hier gilt für Nutzer und Nutzerinnen, «unnötigen Betrieb» zu vermeiden, also etwa nicht im Hintergrund Videos zu streamen, wenn man eigentlich gar nicht hinschaut.» Vor allem Videos sind sehr datenintensiv. «Überall gilt: Die Energie beziehungsweise der Strom sollte aus erneuerbaren, klimafreundlichen Quellen stammen, um CO2-Emissionen niedrig zu halten», so Bieser.

Und auch bei der KI selber zeichnen sich Verbesserungen ab. «Es gibt immer mehr Forschung dazu, die Modelle effizienter zu gestalten und so Energie zu sparen», so Bieser, «ich gehe aber davon aus, dass der Nachfrage- den Effizienzanstieg in den nächsten Jahren deutlich übertreffen wird.»