Schon zu seiner Zeit als er noch in Australiens Regierung sass, galt Kevin Rudd als passionierter Aussenpolitiker. Sein Feuer brennt wie eh und je für die grossen geopolitischen Fragen und wirkt selbst via Videolink ansteckend. Wie wenig andere, weiss der studierter Sinologe Bescheid über die zentralen Fragen, wenn es ums Verhältnis zwischen China, Australien und dem Rest der Welt geht.

«Chinas Wirtschaft wird noch weiter nach links driften», konstatiert Rudd gleich zu Beginn seines Auftritts, um dann anzufügen, dass dies aber gar nicht so schlimm sei. «Die Gans wird weiterhin goldene Eier legen und nicht sterben, sie legt einfach etwas langsamer.» Unbestritten sei allerdings, dass diese goldenen Eier der Zukunft noch viel mehr vom Staat kontrolliert würden. Man müsse sich auch daran gewöhnen, dass die Wachstumszahlen weiterhin kleiner werden, sagt der ehemalige australische Politiker. Den Linksrutsch der chinesischen Wirtschaft verknüpft Rudds direkt mit dem Aufstieg Xi Jinpings und der Machtkumulation in seinen Händen. Er selber studiere schon seit den Achtzigerjahren die Partei- und Volkskongresse Chinas, sagt Rudds von Sydney aus. Der Machterhalt der Kommunistischen Partei habe dabei immer im Zentrum gestanden. Eine Konzentration, wie sie heute bei Xi Jinping herrscht, sei jedoch einzigartig. Auf der einen Seite berge dies  Risiken andrerseits müsste heute wirklich etwas ganz Grosses passieren, um die Partei noch aus der Bahn zu werfen, meint Kevin Rudd, nicht einmal die Corona-Pandemie hätte dies geschafft.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Eigenes Modell für die Weltspitze

Xi Jinping habe all seine Gegner aus dem politischen und auch dem privaten Sektor kaltgestellt und aus dem Weg geräumt und damit eben auch sichergestellt, dass die Partei weiterhin unangefochten im Zentrum der Gesellschaft stehe. «Es gibt zwar auch in China noch Opposition, organsiert ist diese jedoch schlecht», erklärt Rudds. Damit habe sie den Weg geebnet, um China global dorthin zu führen, wo es schon lange hinwill: An die Weltspitze und zwar mit einem Modell, das es so noch nie gab. Er nannte es eine Mischung aus Marxismus, Nationalismus und Xi-Sozialismus, also der Doktrin, die heute der Bevölkerung in China als «Xi-Gedankengut» auf allen Kanälen eingetrichtert wird.

Die «Handelszeitung» ist Medienpartner des Europa Forum Lucerne.