Die Bank J. Safra Sarasin zog kürzlich Bilanz: «Die Performance im Rohstoffsegment war im Februar durchzogen», hiess es in einem Marktkommentar. «Während der Preis für Rohöl aufgrund des Konfliktes im Roten Meer leicht anzog, verloren Agrarrohstoffe und die meisten Metalle an Boden. Die schwächere Nachfrage aus China spielte hierbei eine wichtige Rolle.»

 

Kaum Bewegung beim Rohöl

Die Rohstoffpreise liegen insgesamt, gemessen am S&P-GSCI-Index, auf einem Niveau, das man an den Märkten zuletzt vor 2015 deutlich übertroffen hatte. Davor gab es einige Ausschläge nach oben, nach 2015 jedoch eine tiefe Baisse, von der sich die Rohstoffe insgesamt erst nach dem Ende der Covid-Krise erholten. Was vor einem, zwei Jahren prominent als Erklärung für die hohe Inflation galt, war laut Analystinnen und Analysten lediglich die Rückkehr zu einem langfristigen Trend. Und der geht vor allem seitwärts, trotz des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der Attacken der Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer.

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Solche Attacken hätten vielleicht vor zehn Jahren zu höheren Preisausschlägen beim Rohöl geführt. Aber laut dem Rohstoffbranchendienst Kpler hatten die Nicht-Opec-Staaten die Produktion ausreichend stark erhöht, womit sich derzeit auch die Lager, die im vergangenen Sommer beansprucht wurden, wieder auffüllen lassen. Die Folge: Der Preis der für Europa massgeblichen Sorte Brent schwankt seit knapp zwei Jahren zwischen 70 und 95 Dollar pro Barrel. Ähnlich ruhig ist es am Erdgasmarkt, wo in den vergangenen zwei Jahren die Verhältnisse in Europa komplett umgekrempelt wurden. Die Lieferungen aus Russland spielen nur noch in einigen kleineren osteuropäischen Ländern eine Rolle, der Rest bezieht seinen Bedarf aus Norwegen, dem Persischen Golf und Nordamerika. Laut Analysten und Analystinnen verringern sich mit jeder Woche des laufenden Jahres die Gefahren eines erneuten Kälteeinbruchs in Europa – und darauf hat man sich am Markt eingestellt.

 

Ersatzstoffe bremsen

Der Rohstoffmarkt ist auch ein beliebtes Prognoseinstrument für die Weltwirtschaft. Läuft diese rund, so die Erfahrung, dann steigen die Preise beispielsweise von Kupfer. Läuft es nicht ganz so rund, fallen beziehungsweise stagnieren die Preise. Aber laut den Analysten von BNP Paribas ist auch darauf kein Verlass mehr. Der Kupferpreis etwa bewegt sich seit  zwanzig Monaten kaum noch – und das weist auf eine Schwäche der Weltwirtschaft hin, denn das Industriemetall wird praktisch überall gebraucht, sowohl in konventionellen Industrieanlagen als auch für E-Autos. Diese benötigen auch Lithium für die Akkus – und da liegen die Notierungen bei 14 000 Dollar pro Tonne und damit 85 Prozent unter der Spitze vom November 2022. Und der Preis von Nickel, ebenfalls ein wichtiger Akkurohstoff, liegt bei 14 000 Dollar pro Tonne. Das ist das tiefste Niveau der vergangenen zwei Jahre. «In Rohstoffe zu investieren, ist albtraumhaft schwierig geworden», fassen die Kolumnistinnen des «Economist» die Entwicklungen zusammen. Natürlich braucht man nur die fallenden Absatzzahlen bei E-Fahrzeugen zu betrachten, um seine Schlüsse zum Lithium- und Nickelpreis zu ziehen. Aber hier zeichnet sich möglicherweise bei der Schwefel-Ionen-Akku-Technologie ein Durchbruch ab. Dann wäre das gegenwärtige Preisniveau bei den bisherigen Akkubestandteilen völlig überteuert.

85 Prozent tiefer liegt der Kupferpreis seit den Höchstpreisen im November 2022.

 

Nur echte Engpässe zählen

Wenn sich, wie das die Morgan-Stanley-Analystinnen skizzieren, die Entwicklung der Weltwirtschaft auf einem gemächlichen Wachstumspfad etabliert, weil China als Lokomotive ausfällt, verschieben sich weitere Einflussfaktoren bei den Rohstoffmärkten. Die Regulierung etwa wird wichtiger. Sicht- und spürbar ist diese in Europa bei den Umstellungs- und Verbotsplänen für Benzin- und Diesel-Pkw. Diese Pläne werden derzeit entweder zeitlich verschoben – oder inhaltlich entschärft. Auch haben die Rohstoffe auf dem gegenwärtigen Preisniveau ihre Attraktivität als Absicherungsinstrumente gegen hohe Inflationswerte verloren.

Wenn sowohl ein überraschend starkes Wachstum der Weltwirtschaft als auch schlechtes Wetter in Europa als mögliche Preistreiber für Rohstoffe ausfallen, bleiben politische Entwicklungen, und hier in erster Linie kriegerische Ereignisse, als wichtigste treibende Faktoren für die Rohstoffpreisentwicklung. Diese als Investorin oder Investor auszunutzen, sei in der Praxis weitaus schwieriger als in der Theorie, sagt Marko Papic. Der Chefstratege der Clocktower Group, ein US-Assetmanagementunternehmen, hatte die Chancen und Risiken solcher Ereignisse untersucht. Lediglich «echte» Engpässe bei bestimmten Rohstoffen sorgen für länger und deutlich höhere Rohstoffpreise. In den meisten Fällen finden die Märkte rasch Ausweichmöglichkeiten, alternative Lieferanten und neue Lieferrouten.