Er war ein begabter und begnadeter Tüftler und hatte eine gute Nase für Geschäftsopportunitäten: der gelernte Kaufmann Max Felchlin. 1908 beginnt er in Schwyz, mit Honig zu handeln. 1924 fertigt er sein erstes Produkt, den Backkunsthonig «Herbst». Später entdeckt er seine Liebe zu Kakaoprodukten. Im Laufe der Zeit entwickelt sich das Unternehmen zur führenden Nischenproduzentin für Couverturen. Heute ist die Max Felchlin AG mit Sitz in Ibach bei Schwyz eine Schokoladenmanufaktur mit rund 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Halbfertigfabrikate in rund 40 Länder exportiert.

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Die Manufaktur kann sich auch gegenüber grossen Wettbewerbern durchsetzen. «Wenn es ausschliesslich um den tiefsten Preis geht, dann sind wir der falsche Partner», schränkt CEO Thomas Truttmann ein, «aber wenn es um eine langfristige Zusammenarbeit für beste Qualität und nachhaltiges Arbeiten geht, dann sind wir wohl weltweit führend.» Truttmann, der die Firma seit dem 1. August leitet, weiss, wovon er spricht, schliesslich studierte er Betriebswissenschaften mit Spezialgebiet Marketing. Und seine beruflichen Erfahrungen erwarb er bei Coca-Cola, Unilever und McDonald’s in unterschiedlichsten Funktionen. Ab März 2017 war er Managing Director der Compass Group AG.

Die Ablaufprozesse werden laufend hinterfragt und bei Bedarf optimiert.

 

Nähe zur Kundschaft

Der Vorteil der Schwyzer Manufaktur ist, dass sie sich als Nischenproduzentin auf Couverturen konzentriert. Im Fokus stehen B2B-Kunden wie Confiserien, Bäckereien, Patissiers, Gastro- und Industrieunternehmen sowie Hotels rund um den Globus. Ebenfalls seit Jahren ist die Nachhaltigkeit im Fokus. Die Nachhaltigkeitsstrategie werde bei Felchlin sicher eine noch stärkere Bedeutung bekommen, gibt Truttmann den Weg vor. «Gerade im Daten-Handling entlang der Wertschöpfungskette und in der Kommunikation sehen wir durchaus weitere Chancen.»

Die wichtigste ökologische Herausforderung, mit denen die Schokoladenindustrie und damit auch Felchlin konfrontiert ist, betrifft die vor- und nachgelagerte Lieferkette des Kakaos bezüglich CO₂-Bilanz. Zudem ist der Klimawandel auch in den Ursprungsländern des Kakaos stark spürbar.

 

Mit Alternativen unterstützt

Doch wie können nachhaltige Praktiken diese Herausforderungen bewältigen? Grosses Potenzial liege in der Logistik, ergänzt Stefan Künzli, Leiter Geschäftsbereich Marketing bei Felchlin. «Wir transportieren ab den Produktionsländern per Schiff und Container bis Basel und erst ab dem dortigen Lager per Camion nach Ibach.» Zudem bezieht Felchlin keinen Kakao aus Monokulturen, «denn da stimmt für uns die Qualität des Rohstoffes nicht», so Künzli. «Die kleinbäuerlichen Strukturen dagegen, kombiniert mit den Mischkulturen unserer Kakaobauern, helfen uns allen, zur Förderung der Biodiversität beizutragen.» Dies betreffe nicht nur die Ursprungsländer von Kakao, sondern etwa auch die Bergheumilch aus der Unesco-Biosphäre Entlebuch.

Zur firmeneigenen Nachhaltigkeitsinitiative gehört auch ein Pionierprojekt im Bereich Gesundheitsversorgung, das in Madagaskar und in Ghana gestartet worden ist. Dabei erhalten die Kakaobauern und ihre Familien Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. Mit dem Projekt kann den Bäuerinnen und ihren Familien nicht nur eine bessere Gesundheit ermöglicht werden, es vermindert auch Einkommenslücken und schützt so vor extremer Armut. «Das Projekt in Madagaskar konnte dieses Jahr früher als geplant in die finanzielle Unabhängigkeit an unseren lokalen Partner übergeben werden», erzählt Marketingchef Künzli.

Weitere Länder wie Venezuela und Ecuador folgen nächstes Jahr. Zudem laufen derzeit Abklärungen mit dem Ziel, in allen Felchlin-Kakaoherkunftsländern ein an die lokalen Bedürfnisse und den vorhandenen Strukturen angepasstes Projekt zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Damit fokussieren die Schwyzer auf die UN-Nachhaltigkeitsentwicklungsziele eins (keine Armut) und drei (Gesundheit und Wohlergehen). Des Weiteren hat Felchlin im Nordwesten von Madagaskar den Start des Projektes einer Frauengruppierung unterstützt, bei dem kleine Kakaobäumchen gezüchtet und dann den Kakaobäuerinnen und -bauern verkauft werden.

 

Preisaufschlag für Produzenten

Bei der Durchführung der Nachhaltigkeitsbewertung für den Schokoladenproduktionsprozess werden die Prozesse laufend hinterfragt und bei Bedarf optimiert. «Wir nutzen zum Beispiel die Abwärme aus der Produktion, um das Bürogebäude zu heizen. Oder die Kakaobohnen werden mit der überschüssigen Wärme der Röster vorgewärmt und benötigen danach weniger Energie bei der Debakterisierung», erklärt Stefan Künzli. Auch der Wasserkreislauf in der Produktion ist so konzipiert, dass das Wasser im Kreislauf verbleibt und je nachdem zum Kühlen oder Wärmen eingesetzt wird. Versteht sich fast von selbst, dass der benötigte Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft stammt und für das sich derzeit im Bau befindende neue Gebäude eine Photovoltaikanlage geplant ist.

Felchlin ist in einem Nischenmarkt tätig und benötigt deswegen die höchstmögliche Qualität von Kakao, um sich gegenüber den Mitbewerbern durchzusetzen. «Dafür bezahlen wir auch einen sehr hohen Preis, der weit über dem Börsen- und auch dem Fairtrade-Preisaufschlag liegt», erklärt CEO Thomas Truttmann. «Wir gehen nach Möglichkeit immer langfristige Abnahmeverträge mit unseren Kakaolieferanten ein.» Sähe der 1970 verstorbene Max Felchlin Senior die Fortsetzung dessen, was er vor 115 Jahren begonnen hatte – er wäre sicherlich äusserst zufrieden.

«Verantwortung nicht an ein Label delegieren»

Interview mit Thomas Truttmann, CEO Max Felchlin AG

 

Sie haben Ihre bisherige Laufbahn bei Grosskonzernen verbracht. Jetzt arbeiten Sie für ein KMU. Was hat Sie dazu bewogen?

Nun, Max Felchlin ist nicht irgendein Unternehmen. Es ist der Hersteller schlechthin von hochwertiger Couverture, Backmassen und Füllungen. Das ganze Unternehmen ist auf langfristige, nachhaltige Partnerschaften in der ganzen Wertschöpfungskette ausgerichtet. Hier mit dem Team ein nächstes Kapitel schreiben zu dürfen, ist ein grosses Privileg.

Felchlin rühmt sich, das Produktangebot den individuellen Kundenbedürfnissen anzupassen. Wie konsequent können Sie das einhalten?

Ich kann mir vorstellen, dass damit Kosten an Schnittstellen und vor allem durch Umrüstungen in der Produktion verbunden sind. Für uns als kleines Unternehmen ist die Flexibilität eine wichtige Maxime. Genau deswegen kommen die Kunden und Kundinnen ja zu uns. Aber natürlich sind die Kosten ein Thema. Deswegen wurden für jedes Produktsegment Mindestbestell- und Mindestjahresmengen definiert – und an diese halten wir uns auch.

Mit der «Felchlin Cacao Selection» haben Sie sich eigene Nachhaltigkeitsrichtlinien erarbeitet. International gelten die ESG-Kriterien jedoch als Mass aller Dinge. Warum fahren Sie hier einen Extrazug?

Die Nachhaltigkeit ist bei uns seit rund 25 Jahren ein Teil der strategischen Ausrichtung. Die Richtlinien haben wir lange vor den internationalen Standards definiert und wenden sie seither an. Die Bedürfnisse der Kundschaft verändern sich laufend, der Fokus ebenfalls. Deshalb ist die Nachhaltigkeit bei uns zuoberst auf der Agenda, auch weil das Thema immer umfassender wird. Alle Unternehmensbereiche sind betroffen und tragen einen Teil dazu bei. Als KMU kaufen wir den Kakao übrigens nicht über die Börse ein, sondern sind in direktem Kontakt mit dem Ursprung. Deswegen ist es uns möglich, den Austausch mit den Kakaobauern oder Kooperativen zu pflegen. Dafür können wir auch die Verantwortung selbst tragen und müssen sie nicht an ein Label delegieren.

Interview: Marc Rüedi