Wie lange wird es noch Hotels geben?
Christopher Cederskog: Ich sehe keinen Grund, warum es bald keine Hotels mehr geben sollte. Der Branche geht es global sehr gut. Die Leute reisen immer mehr.

Airbnb tut alles daran, Hoteliers arbeitslos zu machen.
Wir machen die Hoteliers nicht arbeitslos. Wir erweitern den Markt, bringen auch Menschen zum Reisen, die das zuvor nicht gemacht haben. Zum Beispiel Familien mit Kindern, die in Grossstädte reisen, suchen eine Bleibe mit Waschmaschine und Küche.

Airbnb hat schon über eine Million Unterkünfte in fast 200 Ländern. Damit haben Sie die grösste Hotelkette Hilton überholt.
Solche Zahlenvergleiche bringen wenig. Ein Hotelzimmer von Hilton hat das Ziel, zu 100 Prozent ausgelastet zu werden. Bei Airbnb hingegen stellen viele Privatleute ihre Zimmer nur gelegentlich zur Verfügung. 90 Prozent der Anbieter vermieten ihren Erstwohnsitz. Hinzu kommt: Viele Menschen wollen verstärkt in Städte eintauchen und sie erleben. Damit bedienen wir ein anderes Kundensegment als klassische Hotels. Airbnb-Vermieter zeigen zum Beispiel ihren Stadtteil und geben Tipps für ihr Lieblingsrestaurant.

Das klingt nach einer romantischen Idee. Die Realität sieht anders aus: Ihr Geschäft ist längst stark kommerzialisiert, manche Anbieter haben Hunderte Appartements, die sie professionell vermieten. Die führen niemand persönlich durch die Stadt.
Das ist nicht richtig. Die überwiegende Mehrheit unserer Anbieter sind ganz normale Leute, die sich mit der gelegentlichen Vermietung etwas dazuverdienen wollen. Und wir wollen noch stärker als bisher unsere Erwartungshaltung kommunizieren: Nämlich dass Privatleute ihre Wohnung anbieten und Kunden ein gutes Erlebnis bieten. Wir glauben allerdings nicht, dass jemand, der viele Wohnungen anbietet, kein guter Gastgeber sein kann.

Auf welche Kunden setzen Sie?
Unsere typischen Gäste sind Mitte bis Ende dreissig, sowohl Männer als auch Frauen. Sie suchen das Erlebnis und den Kontakt zum Gastgeber. Das ist weniger eine Frage des Einkommens und des Alters als der Einstellung. Ziel ist das Entdecken und Eintauchen in die lokale Kultur.

Was ist mit Geschäftsleuten?
Wir zielen nicht auf den klassischen Geschäftsreisenden, der zum Meeting nach London jettet, sondern zum Beispiel auf digitale Nomaden – also Menschen, die projektbezogen an verschiedenen Orten für einen längeren Zeitraum arbeiten.

Wie läuft das Geschäft in der Schweiz?
Letztes Jahr kamen durch Airbnb 135 000 Besucher aus 157 Ländern in die Schweiz. In der Regel bleiben sie 4 bis 5 Tage. Beim Hotel sind es im Durchschnitt nur 2 bis 3 Tage. Die Schweizer sind fast in alle Länder der Welt mit Airbnb gereist. Der typische Gast in der Schweiz ist 38 Jahre alt, der typische Gastgeber ist mit 42 etwas älter. Wir haben knapp 7000 Unterkünfte in der Schweiz. Davon 1500 in Zürich, 1100 in Genf, 900 in Basel und 600 in Bern. Wir stellen fest, dass wir in ländlichen Regionen mit dem Angebot für Ski- und Wanderurlauber stärker werden.

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Wie viele Gäste erwarten Sie dieses Jahr in der Schweiz?
Ich kann keine Zahlen nennen, aber wir wachsen schnell. Bisher hatten wir global 30 Millionen Gäste, davon 20 Millionen allein im vergangenen Jahr. Monatlich kommen mehr als 1 Million neue Gäste dazu.

Wie wirkt sich starke Franken auf Ihr Geschäft aus?
Dazu haben wir noch keine Ergebnisse.

Schweizer Hoteliers sagen, Sie seien Teil einer touristischen Schattenwirtschaft.
Ja, wir sind touristisch, aber wir sind nicht Teil einer Schattenwirtschaft. Airbnb-Gastgeber zahlen Steuern und wie im Fall der Stadt Bern auch Kurtaxe. Das ist ein gutes Beispiel, wie unser Angebot funktionieren kann. Es gibt einfache Regeln und wenig Aufwand für alle Beteiligten.

Haben Sie schon einen Termin bei Bundesrätin Widmer-Schlumpf? Der Bundesrat will das Airbnb-Geschäft in der Schweiz untersuchen.
Wir begrüssen das Vorgehen. Wir haben bereits viele Studien gemacht, und das Ergebnis ist in allen Städten weltweit in der Tendenz eindeutig: Die Städte profitieren von den Gästen, die Airbnb anzieht, und Airbnb-Gastgeber haben keinen negativen Einfluss auf den Wohnungsmarkt. Wegen uns steigen auch nicht die Mieten. Derweil schätzen Airbnb-Vermieter die zusätzlichen Einnahmen, um die steigenden Lebensunterhaltungskosten finanzieren zu können.

Airbnb behauptet, oft seien Gesetze veraltet. Was heisst das?
Viele Gesetze stammen aus einer Zeit, als es das Internet noch nicht gab. Viele Regeln sind nicht mehr zeitgemäss. Wir brauchen Regeln, die sowohl für Kunden als auch für Städte gut sind. Das ist alles eine Frage des Dialogs. Wir sind sehr offen für Gespräche. Jeder Stadtpräsident in der Schweiz kann mich anrufen.

Nehmen wir das Beispiel Brandschutz. Da müssen Hoteliers hohe Standards 
erfüllen, Airbnb-Anbieter nicht. Wollen 
Sie den Brandschutz abschaffen?
Nein, natürlich nicht. Aber wer gelegentlich Wohnraum vermietet, sollte nicht dieselben Auflagen erfüllen müssen wie ein Hotel, wo Hunderte Menschen übernachten und es eine Grossküche gibt. Allerdings sind bei uns Rauchmelder in den privaten Unterkünften ein grosses Thema. Wer seine Wohnung bei Airbnb zur Verfügung stellt, hat ein sehr grosses Eigeninteresse an Sicherheit. Nicht zu vernachlässigen bei der Debatte ist auch, dass viele Hotels über zu viel Regulierung klagen. Am besten, wir treffen uns beim Thema Regulierung irgendwo in der Mitte.

Ist Airbnb zu schnell gewachsen? Es hat Ärger gegeben wegen Sexparties und Vandalismus.
Wir sind sehr zufrieden mit unserem Wachstum. 30 Millionen Gäste hätten wir nicht gehabt, wenn das Erlebnis schlecht oder nicht sicher wäre. Wir setzen stark auf Vertrauen und Sicherheit. Selten hat es Probleme gegeben. Wichtig ist, dass die Erwartungshaltung für Mieter und Vermieter klar ist, was das Angebot angeht. Deshalb setzen wir klare Standards für die Gastgeber, sonst nehmen wir sie von der Plattform. Fehlverhalten zeigt sich ohnehin sofort in den Bewertungen der Nutzer.

Wie wollen Sie diese Einheitlichkeit sicherstellen bei einer Million Angeboten?
Es bleibt eine Gratwanderung, weil wir auch den Individualismus leben wollen. Aber genau dafür haben wir die Standards eingeführt und haben diverse Tools, um unsere Gastgeber auf der ganzen Welt zu unterstützen und zu schulen.

Wie entwickelt sich Airbnb weiter? Bieten Sie bald auch Flüge an?
Nein, das können andere besser als wir. Wir schauen uns aber jeden Schritt an, den ein Urlauber unternimmt: Wie reist er an, wie bekommt er sein Essen, was macht er in der Stadt? Das sind interessante Punkte für uns. Konkretes können wir jedoch nicht verkünden.

Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal in einem Hotel übernachtet?
Natürlich gehe ich auch ins Hotel, das war kürzlich für eine Wochenend-Reise. Ich war in einem Hotel mit Spa zum Entspannen. Airbnb-Mitarbeitern sind Hotelbesuche nicht verboten.

Christopher CederskogChristopher Cederskog ist Europachef von Airbnb. Unter dem Motto «Weltweit private Unterkünfte finden» vermittelt die Onlineplattform Wohnungen und Häuser unter Privatleuten. 

 

Tim Höfinghoff
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Andreas Güntert
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