Ein bisschen Verzweiflung und Ratlosigkeit lässt sich schon heraushören: «Alle Kollegen motzen, doch ich mag nicht mitmachen, mir gefällt meine Arbeit. Was soll ich nur tun?» Für den Arbeits- und Organisationspsychologen David Förtsch von X-PLAIN Menschen und Organisation AG in Basel ist der ständige Konflikt mit einem unzufriedenen Arbeitsumfeld sogar eine Standardsituation in der Beratung: «Eigentlich sind viele Menschen froh an ihrer Stelle, aber darum herum läuft es nicht gut.» Wie damit umgehen?

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Überall lauern Gefahren

Beschliesst der Einzelne, aktiv etwas dagegen zu unternehmen, geht er ein Risiko ein. Wer mit guten Absichten die generelle Motzerei anprangert, die Kollegen zu einer Lösungsfindung aufruft oder gar den Chef darauf anspricht, könnte sich zum Nestbeschmutzer machen und schlimmstenfalls in der Isolation enden. «Das Risiko muss so genau wie möglich überprüft werden, damit nicht eine Bumerang-Bewegung daraus entsteht», rät David Förtsch. Das Pendant zu diesem äusseren ist das innere Risiko. Mit anderen Worten: Die eigene Fähigkeit, in der Situation auszuharren, ohne sich selbst untreu zu werden. Franziska Tschan, Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Neuenburg, vergleicht direkt und einleuchtend: «Es ist wie bei einem Nichtraucher unter Rauchern. Er hat drei Möglichkeiten: Den Gestank aushalten, für das Nichtrauchen missionieren oder selbst Raucher werden.»

Jede Entscheidung hat Konsequenzen, auch nichts tun. Dann ist es eine Frage der Zeit, bis der Leidensdruck so gross wird, dass aus dem zufriedenen ein unzufriedener oder ein ehemaliger Mitarbeitender wird.

Zahlen belegen, dass es in der Schweiz um die Arbeitszufriedenheit nicht besonders gut gestellt ist. Der Anteil der Zufriedenen bewegt sich um 26%. Ihnen gegenüber stehen 39% «resignativ Zufriedene» und 4% «fixiert Unzufriedene». Wie Geschäftsleiter Fredy Lötscher der in Stansstad ansässigen TransferPlus, welche die Umfrage durchgeführt hat, erklärt, sind diese beiden letzten Gruppen negativ besetzt: «Resignativ Zufriedene und fixiert Unzufriedene haben in erster Linie ihr Anspruchsniveau gesenkt.»

Es geht ihnen nur noch darum, die Arbeit zu erledigen. Was darüber hinausgeht, ist bereits zu viel. Sie motzen lieber, als dass sie anpacken. In einem derart geprägten Umfeld bewegen sich motivierte Kollegen, die Veränderungen bewirken wollen, auf unsicherem Boden.

Denn von den restlichen 31% «stabilisiert Zufriedenen» ist keine grosse Unterstützung zu erwarten: Für sie stimmt das Arbeitsumfeld, sie hoffen, dass es auch so bleibt und gefährden es nicht selber.

Entscheidend für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist der Vorgesetzte. Wie sehr er auf die Stimmung Einfluss nehmen kann, ist wie die Zahlen belegen wohl manchem nicht bewusst. «Schlechte Vorgesetzte können sehr gut Stimmungen vermiesen», weiss Franziska Tschan. Oft befänden sich die Chefs ebenfalls auf der negativen Seite, also dort, wo stimmungsfördernde Massnahmen unterdrückt würden. Einen Grund nennt David Förtsch: «Ein Vorgesetzter schützt die Missstände, weil er davon profitiert.»

Ein Betriebsfest reicht nicht

Dies widerspricht Untersuchungen, die belegen, dass zufriedene Mitarbeitende besser arbeiten und zu besseren Geschäftsergebnissen beitragen. Doch scheint das Interesse an Zufriedenheit auf der Prioritätenliste der Führungsverantwortlichen hier zu Lande nicht allzu weit oben zu stehen. In der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Lage würden die Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit eher verschoben, stellt Fredy Lötscher von TransferPlus fest: «Nur punktuell wird antizyklisch gehandelt.» Ein anderer Grund ist aber auch Angst vor Veränderungen. «Wenn nämlich eine Umfrage unter den Mitarbeitenden die schlechte Stimmung offiziell ans Licht bringt, muss etwas geändert werden. Und Veränderungen werden meistens als unangenehm empfunden», weiss Arbeitspsychologin Franziska Tschan. Denn um eine schlechte Stimmung ins Positive zu wenden, braucht es nicht einfach ein Betriebsfest, sondern vielleicht gar schwierige strukturelle Veränderungen, die unabhängig von der wirtschaftlichen Lage anstehen.

Für den Einzelnen, der als einsame Insel an seiner Arbeitsstelle glücklich ist, gibt es nicht viele Möglichkeiten. Er muss auf individueller Ebene entscheiden, wie lange er in dieser Situation ausharren kann, wie er sich den motzenden Kollegen gegenüber abgrenzt und ob er sich für eine generelle Verbesserung der Stimmung einsetzt.

Tipps für zufriedene Mitarbeitende

Dem negativen Sog ausweichen

- Täglich die Erfolge aufschreiben.

- Teilzeitarbeit ins Auge fassen.

- Sich mit Kollegen verbünden, die in einer ähnlichen Situation sind und/oder sogar Verantwortungsträger sind (Achtung: Könnte zu einer Spaltung innerhalb der Belegschaft führen).

- Sich aktiv für eine bessere Stimmung einsetzen (Achtung: nur nach einer sorgfältigen Risikoanalyse).

- Sich anderweitig nach einem ähnlichen Arbeitsinhalt umsehen. (ms)