Retten, was noch zu retten ist: So lesen sich die Überlebensbotschaften des VR-Präsidenten Jacques Baumgartner seit Monaten. Dazwischen liegen verpatzte Chancen und ein anhaltender Aderlass an Umsatz, Knowhow und Aktienkapital. Für ehemalige Kadermitarbeiter liefert Baumgartner «die Gebrauchsanweisung für die systematische Vernichtung eines Unternehmens». Hauptmotiv sei nicht etwa die Rettung, sondern die möglichst lange Aufrechthaltung einer «aristokratisch organisierten Verwaltung im Waadtland», die bei stetem Missmanagement in guten Zeiten ihre Töchter aussaugt und sie in schlechten verscherbelt.

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Baumgartner indes vermeldet im Nachgang zum erneuten Halbjahresverlust von 10 Mio Fr. munter weiter die Umsetzung eines ewig währenden Rettungsplanes: Neben dem marod gewordenen Kerngeschäft im Papierhandel und der lustlos verkauften Filterfabrik Fibertec in Crissier (VD) trifft es jetzt die renommierte Basler Couvertherstellerin Elco.

Systematisch ausgesaugt

Nachvollziehbare Anhaltspunkte für solche Unterstellungen liefert Baumgartners neuster Sanierungsfall tatsächlich: Die 1994 angeeignete Perle im europäischen Couvert-Markt muss Stellen und Kapazitäten abbauen. Dass erneuter Aderlass nicht nur Folge eines schwierigen Wirtschaftsumfeldes ist, weiss Baumgartner selbst am besten: «Elco plagt auch die erstarkte Konkurrenz.» Was der Konzernchef hingegen als absurd betitelt, ist die These seiner Kritiker, Elco sei systematisch ausgesaugt worden, um das Mutterhaus zu sanieren. Nachdem die Waadtländer Elco 1994 zum überhöhten Preis von 30 Mio Fr. eingekauft hätten, habe sich die kerngesunde Tochter für die Mutter verschuldet, immer wieder happige Managementgebühren nach Lausanne überweisen und gewinnträchtige Produktesegmente im Printgeschäft abgeben müssen. Das Gegenteil sei wahr, beschwört Baumgartner: «Elco stünde heute noch schlimmer da, hätten wir die aufs Ausland gerichtete Expansionsstrategie weiter laufen lassen.»

Wirklich? 2000 verzeichnete Elco noch Rekordumsatz. Gemäss Brancheninsidern liegt sie heute zwar einen Fünftel unter dem Inlandbudget, erreicht ihre Umsatzziele auf ausländischen Märkten jedoch spielend. Dennoch scheint Baumgartner Elcos ausländische Vertriebstöchter liquidieren zu wollen. Projekte für europäische Allianzen wurden stets zurückgewiesen. Einen solchen Vorschlag der französischen GPV-Gruppe vermittelten die Basler unlängst ans welsche Hauptquartier, um Elcos Nischenposition als Qualitätsmarke im europäischen Markt zu verbreitern. Baumgartner ging nicht darauf ein. Der langjährige Elco-Direktor und sein Finanzchef mussten abtreten. Dass GPV statt als freundliche Partnerin demnächst auch in der Schweiz als unfreundliche Konkurrentin auftritt, gilt als sicher.

Baumgartners Reaktion laut Communiqué eine «umfassende Restrukturierung und Konzentration auf Bereiche mit hohem Ertragspotenzial» kommt derweil entweder zu spät oder zielt auf etwas anderes: Den Schuldenabbau bei der Waadtländer Verwaltung mittels Verkauf des aufzuhebenden Werkareals in Allschwil, so unterstellen Kritiker. Immerhin versickerten damit bis zu 15 Mio Fr. in Baumgartners sechsmal grösserem Schuldentopf. Was bliebe, wäre eine halbwegs überlebensfähige Mini-Elco, «die sich samt der wertvollen Marke versilbern liesse», spekulierte kürzlich die «Basler Zeitung». Einen solchen Ausverkauf will Baumgartner darauf angesprochen in mittlerer Zukunft zumindest nicht ausschliessen.

Zerstückeln und profitieren

Er täte damit genau das, was er dem amerikanischen Raider und Aktionär Asher Edelman unterstellte, als dieser Baumgartner Papiers aufkaufen wollte: «Übernehmen und profitabel zerstückeln.» Edelman und die um ihn gruppierten Papierindustriellen hätten Elco die sich eine Expansion früher noch aus der Portokasse habe leisten können , kaum ausgesaugt und im schwelenden Verdrängungsprozess auf dem europäischen Papiermarkt vor sich hin dümpeln lassen. Bei Baumgartner indes sind zumindest die Konsequenzen später Einsicht déjà vu: Auch die 1997 für 12 Mio Fr. übernommene, 2001 beinahe liquidierte und dann für den Spottpreis von 1 Mio Fr. verscherbelte Schweizer Papier AG hatte vormals passabel gearbeitet. Dann schauten die Waadtländer tatenlos zu, wie ein ehemaliger Verkaufsleiter eine Parallelfirma aufbaute, Kunden und Mitarbeiter abwarb. Die daraus hervorgegangene Focus Discount AG sackte 2001 die Überreste von Schweizer Papier ein, nachdem sie sich mit Baumgartner ob ihrer Methoden aussergerichtlich versöhnt hatte.

Den Verkauf von Fibertec wertet Baumgartner als Erfolg, obwohl deren Weiterbetrieb nur gerade für ein bis zwei Jahre gesichert sei. Kommt die Schliessung, stehen über 150 Angestellte auf der Strasse, ohne dass die Waadtländer dafür gerade stehen müssten, dafür aber weitere 17000 m2 Fabrikareal in goldene Münze umsetzen könnten. Die im Frühling angekündigte Konzentration auf die ausländischen Verpackungstöchter Litofan und CFS läuft nach eigenen Angaben wie am Schnürchen. Von aussen betrachtet passt sie aber schlecht zu einem Unternehmen, das Jahrzehnte lang hauptsächlich Papier verkauft hat und wie der VR-Präsident immer wieder versichert in der Romandie verankert bleiben will.

Aristokratisch organisiert

Auch dieser Eindruck ist schwer zu widerlegen; vor allem solange Baumgartner an seinem Lippenbekenntnis für die Romandie festhält. Nach der Verlagerung der Papierlogistik von Crissier nach Brunegg (AG) ankern im protzigen Hauptquartier oberhalb Lausanne eigentlich nur noch der hauptberufliche Anwalt Jacques Baumgartner, der neu eingesetzte CEO Claude Romy, der unlängst in die Schlagzeilen geratene, ehemalige Waadtländer Bankpräsident Gilbert Duchoud und ein paar weitere Verwaltungsmandanten. Von einer Aristokratie will Baumgartner aber nichts wissen. Romy sei als Finanzfachmann (Dimension Corporate Finance AG und Tochter der Banque Cantonale Vaudoise, BCV) der Mann der Stunde und Duchoud bringe wertvolles Knowhow mit, um die Aktiviäten des Verwaltungsrates zu verstärken.

Vielleicht ist Aristokratie das falsche Wort. Jedenfalls kennt Baumgartner Romy, weil dieser als BCV-Beauftragter seine Finanzen durchforstet hat. Romy kennt Duchoud als ehemaligen Präsidenten seiner Auftraggeberin BCV. Baumgartner ist Duchouds Copain, weil er als BCV-Präsident traditionsgemäss den VR-Sitz der Hauptaktionärin beanspruchte und trotz unehrenhafter Entlassung bei der BCV von letztem Jahr darauf sitzen bleiben durfte.

Baumgartner Letzter Kurs: Fr. 181

Fazit: An den Turnaround der Firma glauben nur mehr die grössten Optimisten. Das Management hat schon zu viel Vertrauen verspielt in den letzten zwei Jahren. Zudem wirft die Westschweizer Verbandelung ein schiefes Licht auf das Unternehmen, das sich darüber hinaus in einem schwierigen Branchenumfeld bewegt.