Selbstregulierung ist eine grossartige Sache. Je mehr Unternehmen einander gegenseitig in die Pflicht nehmen, desto besser. Das ist effizient und kostengünstig. Das gilt auch für die Transparenzinitiative, mit der die Pharmaindustrie vor ein paar Jahren auf den zunehmenden politischen Druck reagierte, die Zuwendungen an Ärztinnen und Ärzte offenzulegen. 

Doch nun, nach sieben Jahren, muss man sagen: Die Übung hat ihr Ziel verfehlt. Gewiss, dank der Transparenzinitiative wissen wir einigermaßen über die Geldströme im Gesundheitswesen. Gewiss, Industrie, Ärzteschaft und Spitäler haben in der Zwischenzeit viel unternommen, um unethisches Verhalten zu verhindern. Die Vorstellung vom Ärztekongress, an dem sich Ärztinnen und Ärzte samt Begleitung auf Kosten der Industrie ein paar schöne Tage in Monte Carlo machen, hat nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Weiterbildungsveranstaltungen für Ärzte sind heute in aller Regel ziemlich spartanische Events: stressiger Anflug, stundenlanges Herumsitzen in klimatisierten Konferenzsälen, mittelmässiges Hotelessen. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Doch das «Gschmäckle» bleibt. Wenn von der Industrie bezahlte Spezialistinnen an Kongressen vor ihren Kollegen über die neuesten Therapiemethoden referieren, dann hinterlässt das ein ungutes Gefühl. Ob da auch über Alternativen zu medikamentösen oder invasiven Therapiemethoden nachgedacht wird? Eher unwahrscheinlich.

Ärztinnen müssen ihre Weiterbildung selber bezahlen

Das Unbehagen über die heutige Regelung bleibt. Offenbar auch in der Politik. Der Neuenburger SP-Nationalrat Baptiste Hurni fordert ein vom Bund geführtes Register, in dem Ärztinnen und Ärzte alle Gelder, die sie von der Industrie erhalten, offenlegen. Das würde bedeuten: Noch eine Bundesstelle mehr, noch mehr staatlicher Aktivismus. Und gewonnen wäre trotzdem nichts.

Nein, wenn wir unser – berechtigtes – Unbehagen über die Zuwendungen der Industrie an die Ärzteschaft wirklich loswerden wollen, dann gibt es nur eine Lösung: Die Ärztinnen und Ärzte müssen ihre Weiterbildung selber bezahlen. Nur so ist garantiert, dass sie sich unabhängig von den kommerziellen Interessen der Industrie ein Bild darüber machen können, welche Behandlungen für welche Patientinnen und Patienten die besten sind. 

Unabhängigkeit hat ihren Preis

Und da die ständige Weiterbildung für Ärzte und Ärztinnen, anders als für die meisten anderen Berufsgruppen, Pflicht ist, müssen diese im Tarifsystem dafür entschädigt werden. Damit würde all den Ärztinnen und Ärzten Genüge getan, die sich um ein ethisch korrektes Verhalten bemühen und sich trotzdem immer wieder mit dem Generalverdacht konfrontiert sehen, sie würden sich von der Industrie vereinnahmen lassen. Und es wäre im Interesse einer Gesundheitsversorgung, die jedem Patienten, jeder Patientin, die Behandlung zukommen lässt, die für ihn oder sie die beste ist. Und damit von uns allen. Unabhängigkeit kostet. Aber der Abhängigkeiten haben einen viel höheren Preis. Und das nicht nur finanziell.