Swisscom kennt jeder, Nescafé auch, Rolex sowieso. Es sind Ikonen der Schweizer Markenlandschaft, dem Mann von der Strasse ein Begriff. Aber gilt das auch für Sulzer, Syngenta, Sandoz? Ja, geht es nach Michel Gabriel, Managing Director von Interbrand Zürich. Die Markenberatungsagentur hat in Zusammenarbeit mit BILANZ das Ranking der wertvollsten Schweizer Marken erstellt, heuer bereits zum siebten Mal. Neu sind diesmal auch reine Business-to-Business-Marken in die Erhebung einbezogen worden, so wie dies auch beim weltweiten Marken-Ranking «Best Global Brands» der Fall ist. Dort finden sich unter den Top 15 immerhin vier B2B-Marken.

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«Auch in der Schweiz gibt es B2B-Powerhäuser, Global Player mit führenden Positionen in ihrer jeweiligen Industrie », sagt Gabriel. «Entsprechend wertvoll sind ihre Marken.» 4,9 Milliarden Franken beim Industrieriesen ABB etwa – und damit mehr als Omega oder Nespresso. 1,9 Milliarden bei der Rückversicherung Swiss Re – und damit mehr als Patek Philippe oder Chopard. 1,1 Milliarden beim Pharmakonzern Sandoz – und damit mehr als Swatch oder Migros. Diese B2BMarken finden ebenso neu Eingang in die Top 50 wie der Betongigant Holcim (1,2 Milliarden Franken) oder der erwähnte Agrarmittelkonzern Syngenta (1,9 Milliarden) und der Maschinenbauer Sulzer (320 Millionen).

Absteiger und Abwesende

Wenn sechs neue Marken in die Top 50 stossen, müssen auch sechs gehen. Es sind dies die letztplatzierten aus dem Ranking 2013, nämlich Spezialchemieproduzent Sika, das Modehaus Tally Weijl, Franke Küchensysteme, der Kosmetikanbieter La Prairie, die Sicherheitsfirma Kaba und der Milchverarbeiter Emmi. Auch andere wohlklingende Namen haben es nicht unter die Top 50 geschafft: Firmen wie Denner, Ricola oder Charles Vögele weisen einen zu geringen Markenwert auf.

Andere Brands fehlen in der Liste, weil ihr Wert sich mangels Datenmaterial nicht berechnen liess, wie Navyboot, Mövenpick, Intersport, Victorinox oder die SBB. Die Swiss schliesslich ist nicht vertreten, weil Interbrand grundsätzlich den Wert von Airline-Marken nicht berechnet: In dieser Industrie hat der Brand kaum Einfluss auf den Geschäftserfolg.

215 Millionen braucht es für die «Hall of Fame»

Reichte letztes Jahr noch ein Markenwert von 126 Millionen Franken (Emmi), um in die Hall of Fame eingelassen zu werden, so weist der diesjährige Platz 50, Telekomanbieter Sunrise, schon einen Markenwert von 215 Millionen auf. Die Gesamtsumme aller in den Top 50 vertretenen Markenwerte stieg von 89,8 auf 104,6 Milliarden Franken. Ein sattes Plus von 16,4 Prozent. Das liegt natürlich hauptsächlich an der Berücksichtigung der Businessmarken. Aber nicht nur: «Generell haben viele Schweizer Firmen trotz den konjunkturell schwierigen Zeiten eine positive Performance bei Umsatz und Gewinn gezeigt», sagt Gabriel. «Ergo steigen auch die Markenwerte.»

Rund 3,3 der 14,8 Milliarden Franken Mehrwert gegenüber dem letzten Jahr sind darauf zurückzuführen. Nicht über einen Mehrwert freuen kann sich Nescafé, ganz im Gegenteil. Zwar bleibt der lösliche Kaffee mit 10,2 Milliarden Franken die wertvollste Marke der Schweiz. Doch kein Brand hat dieses Jahr mehr verloren, 420 Millionen. Bereits 2013 musste Nespresso ähnlich stark Federn lassen. «Das Umsatzwachstum in den Schwellenländern verlangsamt sich, der bisherige Erfolg des Produktes ist nicht mehr so einfach zu multiplizieren», sagt Gabriel. Dennoch bleibt der Nahrungsmittelmulti der mit Abstand erfolgreichste Markenkonzern der Schweiz: 20,2 Milliarden sind die drei Marken Nescafé, Nestlé und Nespresso wert.

Swatch Group mit sechs Marken vertreten

Auf Platz zwei mit 7,5 Milliarden Franken folgt die Swatch Group. Sie hat gleich sechs Marken unter den Top 50, mehr als jeder andere Konzern. Allesamt haben sie zugelegt. Die Edelmarken Omega und Breguet profitieren von der weiterhin steigenden Nachfrage nach Luxusgütern in den Schwellenländern, auch wenn dieses Wachstum inzwischen etwas gebremst ist. «Ihr Markenwert steigt noch, aber nicht mehr so schnell wie früher», sagt Gabriel. Aber von dieser Verlangsamung profitieren die Mittelmarken des Konzerns, nämlich Longines, Tissot und Rado. Sie sind für breitere Käuferschichten attraktiv.

Auch die verschärften Antikorruptionsgesetze in China tragen dazu bei, dass die etwas weniger luxuriösen Uhren nun stärker gefragt sind. Und selbst die Billiguhr Swatch konnte noch einmal kräftig zulegen: Ein Plus von 13 Prozent Markenwert steht auf dem Zifferblatt. Die Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag der Plastikuhr dürften dabei geholfen haben.

Überflieger Hublot

Die Uhrenmarke mit dem stärksten Zuwachs, nämlich 16 Prozent, ist freilich der relativ junge Brand Hublot (349 Millionen Franken). Die markanten Zeitmesser aus dem waadtländischen Nyon zeigen weltweit noch immer ein starkes Wachstum, nicht nur was den Umsatz angeht, sondern auch hinsichtlich der Markenstärke. Ungebrochen ist der Aufschwung zweier Luxusmarken im Foodbereich: Lindt baut ihre Markenwelten auch in den aufstrebenden Märkten immer weiter aus, eröffnet Cafés und Erlebniswelten.

Auch Nespresso erobert den Globus, baut in wohlhabenden Ländern Flagship Stores und profitiert in aufstrebenden Märkten von der kaufkräftiger werdenden Mittelschicht. Dass beide Marken einen Platz im Ranking verloren haben, liegt nicht an eigener Schwäche, sondern an ABB, die neu gleich auf Platz sieben im Ranking eingestiegen ist. Eine Ausnahme im Luxusmarkt ist die Marke Davidoff, die sechs Prozent des Wertes und fünf Plätze im Ranking verloren hat. Grund ist Umstrukturierung des Konzerns, der sich wieder mehr auf das Kerngeschäft mit Tabakwaren konzentrieren will. Gelingt ihm das, dürfte der Markenwert langfristig wieder steigen.

Orange Riesen unter ferner liefen

Handelsmarken finden sich kaum in der Liste, zu gering sind in dieser Branche die Margen, als dass der Brand gewaltigen Wert generieren könnte. So schaffen es nur die beiden orangen Riesen Migros und Coop auf die hinteren Plätze der Top 50. Dabei lässt die Migros mit einem Plus von satten elf Prozent ihren Rivalen heuer alt aussehen und korrigiert damit ihre Schwächephase aus dem letzten Jahr. «Die Migros punktet über Qualität und Service», sagt Michel Gabriel. «Auch der Einbezug der Konsumenten via Social Media wirkt sich günstig auf den Markenwert aus.» Coop hingegen kommt kaum vom Fleck, vielleicht auch weil der Detailhändler immer mehr neue Labels und Linien kreiert.

Der grösste Gewinner im Jahr 2014 heisst Roche (auf Platz zwei im Ranking). Um 900 Millionen legte der Markenwert zu, der Abstand zu Spitzenreiter Nescafé schrumpfte in den beiden letzten Jahren von 3,8 auf 1,7 Milliarden Franken. Gabriel sieht den Pharmakonzern in absehbarer Zeit sogar an der Spitze des Rankings. Auch Rolex zeigt mit fast 600 Millionen Franken ein beeindruckendes Wachstum. Hier dürfte das Formel- 1-Sponsoring eine Rolle gespielt haben.

Bank Julius Bär mit neuen Pluspunkten

Relativ am stärksten zugelegt hat die Bank Julius Bär. Gleich um 19 Prozent auf rund 2,1 Milliarden Franken ist der Markenwert gewachsen. Nicht, weil das Bankhaus plötzlich als besonders diskret, vertrauenswürdig oder kompetent gelten würde. Das tat es schon immer. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass unter der Marke nun viel mehr Geschäft getätigt wird: 2012 hat Bär das internationale Vermögensverwaltungsgeschäft der US-Bank Merrill Lynch übernommen und so das verwaltete Vermögen um 40 Prozent erhöht. «Die daraus zu erwartenden Gewinne werden im Markenwert bereits heute berücksichtigt», erklärt Gabriel die starke Verbesserung der Bank im Ranking.

Natürlich ist Bär ein Extremfall. Aber generell gilt: Waren die Banken letztes Jahr die Sorgenkinder mit rückläufigen Markenwerten, so hat sich die Branche inzwischen gefangen. Selbst die lange Zeit gebeutelte UBS legt wieder zu, ebenso Vontobel, Raiffeisen und PostFinance. Die CS konnte trotz allen Justizproblemen ihren Markenwert halten, auch die Kantonalbanken sind stabil. «Man sieht, dass die Veränderungsprozesse etwas bewirken», sagt Gabriel. «Die Banken haben ihre Hausaufgaben gemacht.»

Und das ist eine gute Nachricht. Denn wenn bei der wichtigsten Branche der Schweiz die Markenwerte auch in Zukunft zulegen, färbt das positiv ab auf das Image des Landes. Davon profitieren auch andere Firmen, die explizit oder implizit unter der Schweizer Flagge segeln. Und irgendwann sind Sulzer, Syngenta und Sandoz als Markennamen dann auch dem letzten Mann von der Strasse ein Begriff.

Die kompletten Top-50 sowie das Interview mit Michel Gabriel, Managing Director von Interbrand Zürich, lesen Sie in der neuen BILANZ, ab Freitag am Kiosk oder mit Abo bequem jede Woche im Briefkasten.