Alle grossen Architekten hinterliessen neben ihren Architektur-Denkmälern weitere Zeichen ihrer Talente: Ob in Form von Armaturen wie Jacobsen, Küchengeräten oder Glas wie Aalto, Möbeln wie ein Le Corbusier – oder eben Fliesen wie Giò Ponti und Piero Fornasetti. Und heute? Heute entwerfen Zumthor und Botta Accessoires für Alessi, Nouvel Besteck für Georg Jensen. Und Nigel Coates eine Aufsehen erregende Keramikfliesen-Serie.



Mit Nigel Coates im «Bodypark»



Nach Coates drückt Architektur vor allem Sinnlichkeit aus. Folglich gilt: «Je stärker diese in den Gegenständen präsent ist, desto besser.» Coates ist Architekt, Designer und Kommentator. Für ihn sind die komplexen Aspekte und das Chaos der Städte reizvolle Eigenschaften, die er in seinen Gebäuden umsetzt, in Architektur-Ikonen wie The Wall in Tokyo, The Pop Museum in Sheffield und The Body Zone im Londoner Millennium Dome. Sein 2003 erschienener «Guide to Ecstacity» gibt Einblicke in sein weiteres und umfangreiches Schaffen.

Sein Design «Bodypark» zeigt eine geniale plastische Umsetzung der menschlichen Gestalt. Mit Hilfe einer computerisierten Abtastung gelangt Coates zu einer verblüffenden grafischen Darstellungstechnik: Die Linien stellen die menschliche Gestalt und deren Bewegungen dar, so als ob diese zugleich durchsichtig, besonders naturgetreu und abstrakt wären. Im Innern eines Raumes rufen die verschiedenen «Personen» untereinander einen Dialog ins Leben und betonen dabei sogar die Art und Weise, wie wir den Raum «erleben».

Ponti war Zeit seines Lebens fasziniert vom Theater und kreierte zwischen 1940 und 1950 die Bühnenarchitektur sowie die Kostüme für die Aufführungen berühmter Theater wie der Scala in Mailand. Schnelle Skizzen und lebhafte Formen sind die Merkmale der Fliesen-Serie «I Costumi», deren Vorlagen für die Ausstattung der Oper «Orfeo» von Gluck und für die Ballette Strawinskys entstanden. Teil des Entwurfs sind die auf den Fliesen bewusst festgehaltenen Notizen mit Anmerkungen zu den Skizzen. Diese «Costumi» werden jetzt gerade wieder von renommierten Einrichtern und Architekten «entdeckt» und in die Gestaltung ihrer modernen Badezimmer integriert.

Giò Ponti wurde am 18. November 1891 in Mailand geboren. Im Jahre 1921 promovierte er am Polytechnikum seiner Heimatstadt in Architektur. Im Laufe von sechs Jahrzehnten – von den 20er bis zu den 70er Jahren – war er nicht nur auf dem Gebiet der Architektur erfolgreich, sondern auch in den Bereichen Malerei, Design, in der Lehrtätigkeit und im Journalismus.

Aus den 20er Jahren stammen seine ersten «neuklassizistischen»Architekturen, von dem Gebäude in der Via Randaccio in Mailand bis hin zum Haus Bouilhel in Garches, Paris. Die Keramik war seit jeher Pontis bevorzugte Ausdrucksform, von der Schaffung der «animierten Flaschen» für die Ceramica d’Imola bis zu zahlreichen Keramikserien. Diese entstanden häufig im Zusammenhang mit seiner Architektur, so die Relieffliesen «Diamanti» der Ceramica Joo für die Fassaden des Pirelli-Hochhauses, die Keramikverkleidung der Fassaden des Shui-Hing Warenhauses in Hongkong oder des Bijenkorf Warenhauses in Eindhoven und diejenige des INA-Gebäudes in Mailand. Von Pontis weltweit bekannter Architektur gilt vor allem sein Pirelli-Turm als architektonisches Symbol der 50er Jahre. Die Kathedrale von Taranto und das Museum von Denver, Colorado, sind architektonische Symbole der 70er Jahre. Im Design kennzeichnete Pontis Espresso-Kaffeemaschine der Pavoni den kreativen Aufschwung der 50er Jahre, ebenso wie der «superleichte» Stuhl von Cassina. Ponti starb am 16. September 1979 in Mailand im Alter von 88 Jahren.



Piero Fornasettis Fantasien



Fornasetti ist Mailänder. Maler, Bildhauer, Innendekorateur, Drucker von Kunstbüchern, Schöpfer von mehr als elftausend Gegenständen, Bühnenbildern und Kostümen. Er ist weltweit als der typischste unter den surrealistischen Gestaltern und als Schöpfer von Trompe-l’Œil-Objekten bekannt und wurde von Giò Ponti als ein «wahrer Italiener» bezeichnet. Sein unverwechselbarer Stil scheint ohne Alter, seine Schöpfungen aus den 40er Jahren besitzen bis heute Gültigkeit. Fornasetti war auf fast allen Gebieten tätig:Als Entwerfer von Einrichtungsstoffen und Möbeln über Mode, Glas, Metall, Lacke, Porzellan bis hin zum Theater und Kurator bedeutender Ausstellungen.

Stellvertretend für sein umfangreiches Werk von Keramikfliesen für Bardelli stehen seine Kollektionen «Ultime Notizie», «Soli e Lune» und «Variazioni». Die Flüchtigkeit der Zeitungsnotiz stellt Fornasetti in «Ultime Notizie» Schmetterlingen gleich. Der Wind der Erinnerung trägt uns in Zeiten zurück, in denen die Zeitung in den Schaukästen und an den Wänden der Cafés gelesen wurde.



Träume von Reisen



«Soli e Lune» gehören zu den klassischen Entwürfen von Fornasetti: Sie zeigen Sonne und Mond, Träume von Reisen des berühmten Künstlers in eine ideale Welt. In «Tema e Variazione» blicken uns kleine, versunkene Gesichter wie Engel an. Keines von ihnen sieht dem anderen ähnlich – alle sind sie unterschiedlich, wie im Leben auch. Motive wie Wolken, Monde und Glühbirnen vereinen sich mit den Gesichtern, um uns daran zu erinnern, wie sehr die Welt Teil des Menschen ist und wie der Mensch mit der Wahl des auf ihn zugeschnittenen Ambientes Teil eines ewigen Atemzuges wird. Diese klassischen Fliesen im Format von 13x13 cm passen in jede Umgebung. Poetische Programme voll zarter Anmut und zeitloser Schönheit.

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Nachgefragt | Carlo Bardelli, altaeco-Gruppe: «Santiago Calatrava fehlt mir noch»



Carlo Bardelli (46), Marketing-Verantwortlicher der Altaeco-Gruppe, lebt in der Lombardei, ist verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn. Seine zwei Brüder Alberto und Luca sind ebenfalls in der Familien-Holding tätig. Ceramica Bardelli, das Keramikfliesen-Unternehmen, wurde von Carlos Vater gegründet. In den 60er Jahren kamen Appiani dazu, Produzentin von Keramikmosaik, sowie die Fliesenproduzenten Gabbianelli und Vogue. Alle vier sind heute vereint unter dem Label Altaeco.



Sie haben Produkte einer hochkarätigen Designer-Crew im Programm. Wer fehlt Ihnen noch?



Carlo Bardelli: Santiago Calatrava.



Weshalb?



Bardelli: Für mich ist er ein Genie, der die Architektur auf die höchste Stufe von Kunst stellte, und es würde mich reizen, Seite an Seite mit ihm das Material neu zu interpretieren.



Wo würden Sie das einsetzen?



Bardelli: Natürlich in seiner Architektur – was würde er damit

machen?