Der Genfer Staatsanwalt Claudio Mascotto war erschöpft von der langen Reise ins westafrikanische Guinea. Zehn Stunden dauerte die Reise in die Hauptstadt Conakry, acht Stunden retour. Im Sommer war er dort, um drei Schlüsselpersonen im Stundentakt in einem der grössten Korruptionsfälle der Rohstoffbranche zu befragen. Demnächst reist er zu weiteren Befragungen in die USA. Der Fall beschäftigt mittlerweile Guinea, die USA und – mittendrin – die Schweiz. Mascotto will den Fall nicht kommentieren. «Die Ermittlungen laufen unter strengster Geheimhaltung», sagt der Staatsanwalt.

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Recherchen der «Handelszeitung» zeigen, worum es bei den Ermittlungen geht. Der Vorwurf lautet, der israelische Rohstoffmilliardär Beny Steinmetz habe über seine Firmengruppe BSGR (Beny Steinmetz Group Resources) die Regierung von Guinea bestochen. Aus Unterlagen sowie Dokumenten des Bundesstrafgerichts in Bellinzona, in die die «Handelszeitung» Einsicht hatte, geht hervor, dass die mutmasslichen Bestechungsgelder zu einem wesentlichen Teil von der Schweiz aus orchestriert wurden.

Über seine Firmen in Genf und diverse Mittelsmänner habe Steinmetz die Gelder via Töchter auf die Kanalinseln und in die Karibik sowie über Konten bei internationalen Banken in den USA bis nach Guinea gebracht. Er habe sich dadurch die Schürfrechte an den Eisenerzminen von Simandou im Süden Guineas sichern wollen. Die Minen sind viele Milliarden Dollar wert. Weder Steinmetz noch BSGR in Grossbritannien und in der Schweiz äussern sich dazu. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ein schlauer Deal

Um den Fall zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Im Jahr 1997 erhielt der anglo-australische Rohstoffriese Rio Tinto die Schürfrechte an den wertvollen Minen in Guinea. Rio Tinto vereinbarte mit der damaligen guineischen Regierung, im Gegenzug für die Schürfrechte die Infrastruktur auszubauen: Bahnstrecken, Strassen und Transportwege. Doch nichts sei geschehen, behaupteten die Vertreter Guineas. Zehn Jahre später nahm die Regierung dem Konzern die Schürfrechte deswegen weg. Die Rechte gingen flugs an BSGR. Erste Korruptionsvorwürfe wurden laut.

Steinmetz erhielt die Minen für einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag und verkaufte anschliessend 51 Prozent der Anteile an den brasilianischen Rohstoffriesen Vale für 2,5 Milliarden Dollar weiter. Das waren zwei Fliegen auf einen Schlag: Steinmetz sicherte sich einen Teil der Schürfrechte. Und er konnte einen Anteil an den Minen schlagartig zu Geld machen. Im April 2014 klagte Rio Tinto gegen das Joint Venture zwischen Vale und BSGR. Der Fall ist in den USA hängig.

Drehscheibe Genf

Aus heutiger Sicht ist dieser Deal ein Aspekt von vielen in der Causa Steinmetz. Und die Schweiz stellt sich dabei als Drehscheibe für diese Geschäfte heraus. Angelpunkt für BSGR ist die Firma Onyx Financial Advisors in Genf, eine Finanzberatungsfirma unter der Leitung der Geschäftsfrau Sandra Merloni-Horemans. Horemans ist seit fast 30 Jahren für Beny Steinmetz tätig und kann als seine rechte Hand bezeichnet werden.

Sie gründete für ihn Firmen und führt Zahlungen für das Firmenimperium des israelischen Milliardärs durch. Bis heute ist sie die Präsidentin von Onyx. Und seit Beginn dieses Jahres ist sie als Chefjuristin für eine weitere Schweizer Firma der Steinmetz-Gruppe tätig, die Invicta Advisory. Weder Merloni-Horemans noch Steinmetz wollen auf Anfrage beantworten, was die Aufgaben dieser Firmen in der Steinmetz-Gruppe sind.

Pentler Holdings als Bindeglied

Onyx steht in einer direkten Geschäftsbeziehung mit BSGR, die heute rund die Hälfte der guineischen Simandou-Minen kontrolliert. Den Dokumenten zufolge veranlasste Merloni-Horemans von Onyx aus Geldtransfers an eine Zwischengesellschaft, Pentler Holdings, eine Firma auf den Britischen Jungferninseln. Gleichzeitig stattete sie drei Mittelsmänner mit einer Vollmacht aus, damit diese über das Geld bei Pentler verfügen können. Die Dokumente liegen der «Handelszeitung» vor.

Pentler Holdings kommt in diesem Fall eine wesentliche Rolle zu. Die Firma ist das Bindeglied zwischen Guinea und der Schweiz. Das belegen Dokumente von Onyx und Pentler sowie Protokolle der US-Justiz. Über Pentler sollen die mutmasslichen Bestechungsgelder nach Guinea geflossen sein, was derzeit auch Gegenstand der Ermittlungen in der Schweiz ist.

Anklage noch in diesem jahr

Für die guineischen Behörden liegt mittlerweile ausreichend Beweismaterial vor, um noch in diesem Jahr Anklage gegen die Beteiligten in der mutmasslichen Bestechungsaffäre in Guinea zu erheben. In der Schweiz dauert es noch etwas länger. Die Ermittler seien drauf und dran, die letzten Mosaiksteine für die Klageschrift zusammenzutragen, heisst es.

Über gegenseitige Rechtshilfegesuche zwischen der Schweiz, den USA und Guinea erhalten die Staatsanwälte in Genf portionsweise aufschlussreiche Dokumente. Wie die «Handelszeitung» aus Anwaltskreisen erfuhr, könnte in der Schweiz in einigen Monaten bis maximal eineinhalb Jahren das Dossier für die Klageschrift komplett sein.

Ziel der Schweizer Ermittler sei es unter anderem, Steinmetz persönlich zur Aussage zu bringen, sagt ein mit der Sache vertrauter Anwalt. Der Geschäftsmann versucht dagegen, einem Verhör in der Schweiz mit allen Mitteln zu entkommen. Er fürchtet nämlich die US-Justiz, die sich nicht nur auf Ermittlungsergebnisse des FBI, sondern auch auf jene der Schweizer Ermittler stützt.

Präsidentenwitwe befragen

Je mehr die US-Justiz gegen Steinmetz in der Hand hat, desto mehr ist der Geschäftsmann dem Druck der US-Behörden ausgesetzt. Das kann schwerwiegende Folgen für seine Geschäfte in den USA sowie für seine gesamte Firmengruppe weltweit haben.

Die USA sind auch das nächste Reiseziel der Genfer Staatsanwälte. Dort befindet sich einer der wichtigsten Zeugen in diesem Fall: Die Witwe des ehemaligen Präsidenten Guineas, Mamadie Touré. Sie soll grossen Einfluss auf das Staatsoberhaupt gehabt haben. Touré könnte äusserst nützlich für Steinmetz und BSGR gewesen sein. Ihren Einfluss wollten die Gefolgsleute von Steinmetz nutzen, um sich die Eisenerzminen zu sichern.

Aus Verhörprotokollen und Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Touré Bestechungszahlungen von bis zu 5 Millionen Dollar erhalten hat – über Schweizer Ableger des Steinmetz-Imperiums. Mit Touré wollen die Staatsanwälte sprechen, um weitere Hinweise über die Geldströme zu erhalten.