Eigentlich ist die Sache gelaufen. Ein Fonds der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Capvis hat den deutschen Versandhändler Hess Natur übernommen. Das Unternehmen wurde 1976 gegründet und beliefert die Schweiz, Österreich und Deutschland mit ökologisch korrekter Mode und nachhaltig produzierten Textilien.

Es beschäftigt rund 330 Mitarbeiter und setzte letztes Jahr umgerechnet gegen 90 Millionen Franken um. Gewinnzahlen publiziert die Gesellschaft nicht, sie soll aber hochprofitabel sein. Hess Natur ist im deutschsprachigen Raum der klare Marktführer in Sachen Öko-Mode. Früher war die Firma - wie etwa der Versandhändler Quelle - Teil des konkursiten Konzerns Arcandor.

Notariell beurkundet wurde der Verkauf Ende Mai. Capvis soll laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» umgerechnet rund 48 Millionen Franken für Hess Natur bezahlt haben. Zum Kaufpreis äussert sich der federführende Capvis-Partner Andreas Simon nicht: «Es wurde Stillschweigen vereinbart.» Er sagt einzig, dass der Verkäufer mit dem erzielten Erlös «sehr zufrieden» sei. «Wir haben marktübliche Multiples bezahlt.»

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Noch ist der Deal nicht vollzogen. Ausstehend ist aber nur noch die Zustimmung der Kartellbehörden.«Sie ist eine Formsache. Wir erwarten sie in den kommenden Wochen», sagt Simon. Hess Natur ist das erste Engagement von Capvis im Textilhandel. Die Gesellschaft hält aktuell unter anderem Beteiligungen am Schweizer Möbelhersteller De Sede, am deutschen Besteckproduzenten WMF und war bis vor kurzen auch Aktionär bei Stadler Rail.

Heftiger Widerstand

Als in Deutschland durchsickerte, dass mit Capvis eine Beteiligungsgesellschaft oder «Heuschrecke» Hess Natur übernimmt, formierte sich Widerstand. Aktuell schiessen Mitarbeitende und Kunden im Internet, auf Facebook und Twitter scharf gegen die neuen Eigner aus Zürich. Innerhalb von wenigen Tagen haben sich auf einer Anti-Capvis-Internetseite gegen 1800 besorgte Konsumenten zu Wort gemeldet. Ihr Tenor: «Ich will fair und ökologisch gehandelte Kleidung kaufen, aber nicht mit meinem Geld die Spekulation finanzieren!»

Auch bei der «Handelszeitung» melden sich besorgte Kunden. «Der Kauf eines vorbildlich ökologisch und fair produzierenden Unternehmens an eine Private Equity Gesellschaft schliesst sich für mich aufgrund der konträren Geschäftsziele prinzipiell aus!», schreibt ein Leser. «Meine Reaktion auf den Kauf durch Capvis: Nach der Abwicklung meiner aktuellen Bestellung werde ich Hess Natur boykottieren.» Eine Leserin geht in die gleiche Richtung: «Als überzeugte Käuferin ökologisch und fair hergestellter Produkte werde ich aufgrund des Verkaufes von Hess Natur an Capvis Waren von Hessnatur nicht mehr kaufen und ökologisch-fair hergestellte Kleidung bei anderen, glaubhaften Unternehmen erwerben.»

Koordiniert wird der Widerstand gegen die Schweizer Investoren von der Genossenschaft HNGeno, die vor rund einem Jahr vom Hess-Natur-Betriebsrat Walter Strasheim-Weitz ins Leben gerufen wurde. Die Genossenschaft wollte und will Hess Natur zusammen mit einem Partner selbstübernehmen. Sie soll aber rund 12 Millionen Euro weniger als Capvis gebotenhaben. HNGeno verhinderte zusammen mit den Globalisierungskritikern von Attac im letzten Sommer in einer ersten Runde den Verkauf von Hess Natur an die US-Beteiligungsgesellschaft Carlyle. Ein Investor, der auch Rüstungsfirmen finanziere, passe nicht zu einem Öko-Modehaus, hiess es damals. Der Widerstand hatte Erfolg. Carlyle liess die Finger von dem Geschäft.

Stimmung gegen Capvis macht HNGeno mit Verweis auf deren Beteiligung am Besteckhersteller WMF. Dieser sei von den Schweizern «strikt auf Rendite getrimmt» worden. Unter anderem sei die Produktion nach China verlagert worden. Ähnliches befürchtet die Genossenschaft jetzt auch bei Hess Natur. Dass nämlich die hohen ökologischen und sozialen Standards des Unternehmens der Profitabilität geopfert würden.

Capvis hält dagegen

Capvis-Mann Simon kontert die Vorwürfe: «Wir haben WMF nicht strikt auf Rendite getrimmt. Im Gegenteil: Wir haben in das Wachstum der Firma investiert. Heute hat WMF mehr Angestellte als vor unserem Einstieg macht doppelt so viel Umsatz wie vorher. WMF ist der letzte Haushaltswarenhersteller, der noch in Deutschland produziert.»

Auch in Hess Natur will Capvis investieren: «Wir saugen das Unternehmen sicher nicht aus. Wir wollen es weiterentwickeln», sagt Simon. Konkret geplant ist etwa der Ausbau des Filialnetzes in Deutschland. Heute hat Hess Natur nur in Hamburg und München Ladengeschäfte. «Ich habe nie verstanden, warum es nur so wenige sind», sagt Simon. Nicht vorgesehen seien vorderhand Filialen in der Schweiz. «Das ist auch eine Frage der Mieten», erklärt Simon.

Investiert werden soll auch in die Stärkung der Marke. Schliesslich hält Simon auch einen Einstieg in den Grosshandel für vielversprechend.

Die Kritik an Capvis hält Simon für überzeichnet: «Wir sind ein reputabler Eigentümer und haben beste Absichten. Die klare Mehrheit der Angestellten und Kunden sowie die Hess-Natur-Geschäftsführung stehen hinter uns.» Demnächst wollen die neuen Besitzer zudem an einer Mitarbeiterversammlung um Vertrauen werben. «Wir werden das Herz und die Seele von Hess Natur – die hohen ökologischen und sozialen Standards der Firma - nicht antasten. Sie machen die DNA des Unternehmens aus. Daran zu rütteln, wäre kurzsichtig», sagt Simon.

«Es gibt keine Exit-Strategie»

In einem diese Woche verschickten Brief an die Mitarbeitenden, welcher der «Handelszeitung» vorliegt, hält Capvis zudem fest, am Standort Deutschland und an den Mitarbeitenden festhalten zu wollen. «Wir planen weder einen Stellenabbau noch eine Auslagerung oder eine Verlagerung von Funktionen. Wir wollen mit Ihnen allen zusammen nachhaltig wachsen.» Unterzeichnet hat das Schreiben unter anderem auch Simon.

Ebenfalls diese Woche haben einige Hess-Natur-Angestellten einen Brief an Capvis verschickt. Darin «bitten» sie die Investoren, vom Kauf zurückzutreten. Und sie machen weiter Druck im Netz: «Aus Angst vor weiteren Kundenreaktionen und schlechter Presse ist noch jeder Finanzfonds wieder abgesprungen», hofft der Widerstand. Für ähnliche Proteste sorgte zuletzt der geplante Einstieg des Discounters Lidl bei der deutschen Bio-Lebensmittel-Kette Basic. Lidl gab das Vorhaben auf.

Daran denkt Simon nicht: «Es gibt keine Exit-Strategie.» Capvis wisse, dass sie bei Hess Natur von Kunden und Angestellten genau beobachtet würde. «Wir werden die Kritiker mit unseren Leistungen überzeugen und zum Verstummen bringen. Wir stehen zu unseren Versprechen.»

Marcel Speiser Handelszeitung
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