Die Botschaft. Im Dezember 2006 war die Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Strafgesetzbuchs klar und deutlich: Die bisherige Insiderstrafnorm in Artikel 161 habe sich als «zu wenig griffig» erwiesen, der Begriff der vertraulichen kursrelevanten Tatsache sei «zu eingeschränkt». So fielen Wertschriftenverkäufe nicht unter diese Strafnorm, «die im Vorfeld einer Gewinnwarnung getätigt werden, um einen zu erwartenden Kursverlust abzufedern». Das wurde mit der Revision des Artikels geändert. Sie trat 2008 in Kraft und beendete eine jahrzehntelange straffreie Praxis, die massgeblich von managementaffinen Juristen wie Peter Böckli und Peter Forstmoser legitimiert, jedoch in der Botschaft des Bundesrats als «sachlich nicht begründet» verworfen wurde. Auf der Basis dieser Interpretation des alten Artikels, die auch vom Bundesgericht gestützt worden war, hatten Insider leichtes Spiel: Nicht einmal der Einbruch des Reingewinns eines Unternehmens um die Hälfte wurde als vertrauliche Tatsache bewertet. Innert 20 Jahren gab es daher nur wenige Verurteilungen.

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Der Lehrbuchfall. Der Fall Sonova ist strafrechtlich noch nicht geklärt, es gilt die Unschuldsvermutung. Klar ist jedenfalls: Hier liegt exakt die lehrbuchmässige Fallsituation vor, die der Gesetzgeber 2008 explizit in den Artikel aufgenommen hat. Es besteht der Verdacht, dass Insider, darunter Konzernleitungsmitglieder und Verwaltungsräte, ihre Kenntnis vertraulicher kursrelevanter Tatsachen ausgenützt haben, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Klar ist auch: Die internen Ereignisse waren erheblich, es ging um gravierende Verluste. Ein Kurssturz nach Veröffentlichung dieser Tatsachen war vorhersehbar.

Beweisproblem. Schwieriger wird es sein, den Beweis zu führen, dass die tatverdächtigen Insider subjektiv in der Absicht handelten, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Aus dem Schneider sind Manager, die Orders stehen liessen, die sie erteilten, bevor sie von den relevanten Tatsachen erfuhren. Eine besondere Absicht ist für eine Bestrafung nicht vorausgesetzt, aber das Insiderwissen muss kausal zum Börsenhandel geführt haben. Die Schwelle liegt dabei nicht hoch: Es reicht, wenn Insider durch ihr Wissen «(mit)motiviert» waren, wie der Zürcher Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel, ein ausgewiesener Kenner dieses Deliktes, in seinem Strafrechtskommentar schreibt. Die Staatsanwälte können sich bei ihren Ermittlungen unter anderem auf die Auftragsuntersuchung durch die Homburger-Anwälte stützen, sie müssen dies aber nicht. Der Auftrag für die Anwaltsexpertise kann allenfalls strafmildernd wirken, weil sie einen Aufklärungswillen zeigt. Als parteiische Untersuchung hat sie strafrechtlich wenig Relevanz.

Strafen. Im Gegensatz zu den Sanktionen der Börse, die wegen der Regelverletzungen eine ertragbare Geldbusse gegen das Unternehmen sprechen kann, können die Strafermittlungen vor Gericht gravierend enden – mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Ausserdem könnten institutionelle Investoren Schadenersatzklagen einreichen.