Vor dem grossen Publikum aufzutreten, über sein schillerndes Leben, vor allem aber über seinen Beruf zu referieren, das fällt Jürg Marquard nicht leicht. Fein säuberlich hat der Verleger ein Manuskript vorbereitet. Jetzt, im Kongressraum des Zuger Einkaufscenters Metalli, möchte er manchmal auch frei reden, aber irgendwie lässt ihn das Papier nicht los: Immer wieder greift er zum Text, liest Zeile für Zeile ab.
Da steht nicht der glamouröse Lebemann, wie wir ihn aus der Boulevardpresse kennen mit seinem fotogenen Lächeln, meist in Begleitung einer weiblichen Schönheit. Den weit über 100 Kommunikationsfachleuten präsentiert sich Marquard jedoch als einer, der schon als 20-Jähriger den Riecher für die neue Jugendkultur hatte.
Als Einmannbetrieb startete er mit der Zeitschrift «Pop», war Redaktor, Fotograf, Anzeigenleiter und Strassenverkäufer in einem. Und nun, fast 40 Jahre später, schaut der Erfolgsgewohnte zurück, hält sich als Mann der Printmedien an das geschriebene Wort. Die Sätze sollen sitzen, auch wenn er früher einmal verraten hat: «Sechzig Prozent der Wirkung eines Artikels ist das Bild, vierzig Prozent der Text.»
Kein Showman
Als Showman hätte Marquard im Verlagsmetier niemals reüssiert. Beim Aufbau seiner Lifestyle-Magazine, Jugendzeitschriften, Sport- und Tageszeitungen waren andere Eigenschaften ausschlaggebend. Der Wille, durchzuhalten, auch wenn er sich auf dem Gipfel wähnte, der Weg aber plötzlich steil nach unten ging.
Vor allem jedoch war es sein Instinkt, den ihm auch Branchenkonkurrenten attestieren: «Man muss Strömungen frühzeitig erkennen.» Die Perfektion bei der Umsetzung von Printprojekten und das Gespür für die Ästhetik kommen dazu.
Mit der Wirtschaftsmatura im Sack war sein Weg an eine Hochschule Mitte der 60er Jahre eigentlich vorgezeichnet. Stattdessen aber startete der Älteste von drei Söhnen mit 2000 Fr. geliehenem Geld die heutige Marquard-Media-Gruppe.
Sein Vater, ein Zürcher Zahnarzt, sprach von den Schulkollegen, die in einigen Jahren mit einem akademischen Titel ihre Karriere starten würden. «Dafür habe ich dann meine erste Million auf dem Konto», konterte der rebellische Twen.
Alles ohne Banken
Es sei auch Glück gewesen, die Zeit war einfach reif für neue Pressetitel, sagt Marquard. Damals waren die Beatles, später die Rolling Stones hoch im Kurs. Das Rockzeitalter mit einem anderen Lebensstil beeinflusste Kultur und Mode. Der Jungunternehmer war wie prohezeit rasch Millionär. Fortan finanzierte er alles selber: «Auf die Banken war ich nicht angewiesen.»
Im steuergünstigen Zug ist die Holding mit Buchhaltung und Controlling einquartiert. Von hier aus kontrolliert er 15 Zeitschriften und drei Tageszeitungen in Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen und der Schweiz. Mit rund 400 Mitarbeitern erzielt die Gruppe einen Umsatz von 120 Mio Fr. Exakte Zahlen sind ihm kaum zu entlocken. Der Gewinn wird als «gut» eingestuft.
Die meisten seiner Aufgaben delegiert der 59-Jährige. Stehen neue Projekte an, kann er aber zwei bis drei Tage durcharbeiten. Vom Burnout-Syndrom ist er nicht betroffen: «Die Arbeit macht mir Spass.» Vom Tagesgeschäft hat sich der 100-prozentige Besitzer aber weit gehend zurückgezogen. CEO Albrecht Hengstenberg zieht von München aus die Fäden.
So hat Verleger Marquard zwar mittlerweile mehr Zeit für seine Hobbys, neuerdings als Autorennfahrer in der Maserati-Trophy, bei wichtigen unternehmerischen Entscheiden aber ist er dabei. «Das Produkt muss für mich einfach stimmen.» Regelmässig setzt er sich mit den Chefredaktoren zusammen, um über Inhalt und Grafik zu diskutieren.Wer im Lesermarkt nicht erfolgreich sei, der habe beim kommerziell wichtigen Anzeigenverkauf keine Chance.
Die Titelschlagzeilen seiner deutschsprachigen Magazine überprüft er persönlich. Als Mitte der 90er Jahre das neu lancierte Frauenmagazin «Joy» nicht erwartungsgemäss vorankam, wechselte er kurzerhand den Chefredaktor aus.
Immer wieder Rückschläge
Bei der Expansion hat er mit seinen Zeitschriften und Zeitungen auch immer wieder Rückschläge erlitten. Vor einigen Jahren trennte er sich im hart umkämpften deutschen Markt von den Jugend- und Musiktiteln, in Osteuropa verkauft er die politischen Tageszeitungen.
Dabei war Marquard 1988 in Ungarn mit den Zeitschriften «Popcorn» und «Mädchen» einer der Ersten im Osten. Obwohl er das Gefühl «für das ökonomisch Machbare» hat, werden neue Märkte nicht blindlings erobert. Zu viel Lehrgeld hat die mittelständische Marquard Media dafür schon bezahlt. Bei den Tageszeitungen war es im politischen Wechselklima der Oststaaten besonders schwierig. Da hat sich der Schweizer Verleger laufend Artikel übersetzen lassen.
Allerdings: Als politischer Zeitungsmacher fühlte er sich nie berufen. Jetzt besitzt er in Polen lediglich noch Sportzeitungen und betätigt sich in Zug als ungarischer Honorarkonsul für die Innerschweiz.
Überhaupt ist er jüngst daran gegangen, seine Pressetitel besser zu bündeln und zu straffen. «Mit einer Zeitung allein kann man nicht in einem Markt operieren, es braucht ein ganzes Portfolio», ist Marquard überzeugt. Von seinem Engagement in Tschechien hat er sich getrennt, aus Russland hat er sich zurückgezogen und mit Rumänien nur geliebäugelt. Zu viele Baustellen mag er nicht betreuen.
Mit seiner langjährigen Erfahrung versucht der Medienmann, die Mega-Trends zu ergründen: «Auf den kurzlebigen Trends lassen sich keine nachhaltigen Zeitschriftenkonzepte entwickeln.» In Deutschland hat Marquard 2003 «Joy Celebrity» lanciert, weil er in der Gesellschaft laufend mehr Leute beobachtete, die gerne Lebensgeschichten von Berühmtheiten lesen.
Ob es ein Langfristtrend ist, muss sich weisen. Er selbst bewegt sich jedenfalls nicht ungeschickt in dieser Szene. Und weitere Pläne hat er nach der Neuausrichtung des Portfolios auf Premium- und Special-Interest-Titel auch: Schlägt die Formel mit «Celebrity» ein, will er sie später über Lizenzen in anderen Ländern vermarkten.
Jürg Marquards Führungsprinzipien
1. Strategische Ziele für die Unternehmensgruppe abstecken.
2. Übersicht über das operative Geschäft behalten und im Dialog mit den Verantwortlichen die Stärken und Schwächen bewerten.
3. Klar umrissene Ergebnisbereiche definieren und Ergebnisverantwortung übertragen.
Zur Person
Jürg Marquard (59) gründet nach der Wirtschaftsmatur die Jugendzeitschrift «Pop» und wird Präsentator der Radiohitparade. 1981 übernimmt er die deutschsprachige Frauenzeitschrift «Cosmopolitan». Sieben Jahre später expandiert er mit der in Zug domizilierten Marquard Media nach Osteuropa. Nach der Jahrtausendwende konzentriert sich der Alleinbesitzer auf Premium- und Spezial-Interest-Titel. Der in Herrliberg wohnhafte Verleger gibt in St. Moritz regelmässig Prominenten-Partys. Aus zwei Ehen hat er einen Sohn und vier Töchter.