Es gab Zeiten, da polterte Lufthansa-Chef Carsten Spohr gegen unfaire Wettbewerbsvorteile der grossen Luftfahrtgesellschaften aus dem Mittleren Osten. Die Airlines vom Persischen Golf würden staatlich unterstützt, lautete seine Kritik. Jetzt ist es ausgerechnet einer der Erzfeinde, die der Lufthansa quasi den roten Teppich ausrollt. Damit kann Deutschlands grösste Airline sich lukrative Teile von der insolventen Nummer zwei Air Berlinherausschneiden.

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Es ist der grosse Triumph für Spohr, weil die staatliche Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit Sitz in Abu Dhabi mit ihrer Europa-Expansionspolitik gescheitert ist und nunmehr selbst nach einer Zukunftslösung sucht. Aus den Erzfeinden werden Verbündete. In der Branche wird über ein Rahmenabkommen zwischen der Politik als grossem Ordnungshüter des Luftverkehrs, der Lufthansa, Air Berlin und Etihad gemunkelt.

Der Plan ist nicht aufgegangen

Etihad ist vor Jahren eine Beteiligung von gut 29 Prozent bei Air Berlin und von 49 Prozent an der grössten italienischen Fluggesellschaft Alitalia auch mit dem Ziel eingegangen, Passagiere zum Flughafen in Abu Dhabi zu bringen. Aber dieses Konzept ging nur zum Teil auf. Beide grossen Europabeteiligungen von Etihad sind derzeit Insolvenzfälle.

Nunmehr wird die Lufthansa mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung in die Rolle von Air Berlin schlüpfen, als Zubringer für das Etihad-Drehkreuz Abu Dhabi. Davon würde Etihad profitieren und die Lufthansa könnte ihren Fluggästen mehr Möglichkeiten in Richtung Asien über den Zwischenstopp Abu Dhabi anbieten.

Beide Seiten profitieren

Ein Vorteil für beide Seiten. Zuletzt hat sich das Verhältnis von Etihad zu Air Berlin grundlegend gewandelt. Als die Scheich-Airline im Dezember 2011 bei Air Berlin im grossen Stil einstieg, galt die erst im Jahr 2003 gegründete Scheich-Airline als der grosse Hoffnungsträger für den Lufthansa-Konkurrenten.

Die zweitgrösste deutsche Fluggesellschaft war damals bereits wirtschaftlich angeschlagen. Aber nun wurden die Flugverbindungen in die VAE massiv ausgebaut. Das gemeinsame Streckennetz umfasste 239 Ziele in 77 Ländern. Ab Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München wurden tägliche Direktflüge nach Abu Dhabi angesteuert.

Ein klares Konzept fehlte

Die Hoffnung auf die Air-Berlin-Gesundung musste zuletzt doch aufgegeben werden. Die Fluggesellschaft sollte quasi alles sein – eine Langstreckenfluggesellschaft, eine Kurzstreckenairline in Deutschland in Konkurrenz zur Lufthansa und eine Touristenairline. Es fehlte das klare Konzept. Etihad gewährte weiter Kredite und bekam jährlich Verlustmeldungen aus Deutschland.

Langfristig musste dieses Modell scheitern. Im vergangenen Jahr begann die Annäherung zwischen Etihad und der Lufthansa. Die Konkurrenten suchten nach einer Lösung – im Interesse beider Seiten. Die Lufthansa mietete knapp 40 Flugzeuge samt Besatzungen von Air Berlin für ihre Billigtochter Eurowings an. So kam regelmässig Geld in die Air-Berlin-Kasse.

Etihad wechselte die Führung aus

Zugleich kam mit Thomas Winkelmann ein neuer Air-Berlin-Chef und bei Etihad wurde auch die Spitze ausgetauscht. Winkelmann schrieb im neuen Geschäftsbericht noch voller Zuversicht, dass der «Partner Etihad Airways voll hinter uns steht». Noch Ende April 2017 gewährte Etihad ein 350 Millionen Euro Darlehen. Zudem sicherte die Scheich-Airline in einem «Unterstützungsschreiben» die Absicht zu, den finanziellen Verpflichtungen von Air Berlin bis Oktober 2018 nachzukommen. Ohne dieses Geld und die Zusicherung hätte Air Berlin schon im Frühjahr Insolvenz anmelden müssen.

Doch die 18-Monate-Garantie von Etihad hielt keine vier Monate. Die Scheichs zogen jetzt den Stecker. Das Geschäft ihrer Deutschlandbeteiligung habe sich «rapide verschlechtert, was dazu führte, dass entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden konnten». Daher könne Etihad keine weitere Finanzierung leisten. Ende der grossen Hoffnung. Auch in Italien ist Etihad nicht länger bereit, weiteres Geld in die grösste italienische Airline zu pumpen.

Tiefrote Zahlen bei Etihad

Welche Spuren die beiden grossen Verlustquellen Air Berlin und Alitalia in der Etihad-Bilanz hinterlassen haben, wird an wenigen Zahlen deutlich. Der Etihad-Konzern weist für 2016 selbst tiefrote Zahlen aus. Bei 8,4 Milliarden Dollar Umsatz wurde ein Verlust von 1,9 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Bei Etihad gilt die Europastrategie als gescheitert, zumindest mit den bisherigen Partnern. Nunmehr zeichnet sich ein neues Bündnis ab – mit der Lufthansa. Im Dezember wurde schon ein Codeshare-Abkommen geschlossen, also der gemeinsame Betrieb von Flugrouten. Ausserdem wurde eine Zusammenarbeit bei der Bordverpflegung und Wartung vereinbart. Weitergehenden Spekulationen über Beteiligungen hat Spohr eine Absage erteilt.

Dieser Text erschien zuerst bei unserem Schwesterblatt «Die Welt» unter dem Namen «Air-Berlin-Fiasko treibt Etihad in die Arme der Lufthansa».