Was haben Sie eigentlich gegen Google?
Ferdinand Dudenhöffer*: Gegen Google? Gegen das Unternehmen selbst habe ich nichts, nur gegen die Macht, die es als Suchmaschinenmonopolist ausübt. Das finde ich, was zum Beispiel den Datenschutz anbelangt, bedenklich.

Jetzt zählt Google zu den ersten, die das autonome Auto als ernstzunehmendes Projekt angegangen sind. Der Software-Konzern hat viel Lob für seinen Pioniergeist bekommen. Sie sagen aber, es ginge Google gar nicht darum, ein Auto zu bauen.
Wollte Google ein Auto bauen, hätten sie das längst getan. Der Konzern arbeitet seit fast zehn Jahren daran und zeigt ausser einigen Marketingbildern wenig, was in die Umsetzung geht. Google hat ja das autonome Fahren nicht erfunden, sondern Sebastian Thrun angeworben, der zuvor als Professor für künstliche Intelligenz in Stanford Erfolge mit selbstfahrenden Fahrzeugen gefeiert hat. Google war einfach bereit, Geld auf den Tisch zu legen und hat sich dann auf das Thema autonomes Fahren konzentriert, was sicherlich klug war.

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Woran arbeitet Google dann in Wirklichkeit?
Google arbeitet an der Software für autonome Autos und hat nach meiner Einschätzung den Plan, diese Software dann ebenso zu monopolisieren wie seine Suchmaschine. Quasi das Android-Betriebssystem für Fahrzeuge. Wenn das gelingt, lassen sich hochprofitable Geschäftsmodelle um Dienstleistungen für das Selbstfahrer-Auto aufbauen.

Was ist daran das Problem?
Das autonome Fahren ist zu wichtig, als dass wir es Google überlassen dürfen. Wenn das Grundvertrauen in die Datensicherheit erschüttert wird, gefährden wir die Zukunft dieser Technologie, die deutlich mehr Sicherheit verspricht. Wenn sich die Kunden in ihrem Auto beobachtet fühlen, wie bei George Orwell in dem Buch «1984», wird für viele die Aufgabe ihrer Privatsphäre ein zu hoher Preis sein.  Damit würden wir die Vision «Null Verkehrstote» aus reinen Profitinteressen aufgeben. Genauso wenig sollten Unternehmen übrigens Beta-Versionen von Autopiloten in ihre Fahrzeuge installieren, mit denen dann tödliche Unfälle passieren können, so wie bei Tesla. Autos sind keine Spielzeuge. Das Vertrauen der potenziellen Nutzer darf nicht enttäuscht werden.

Datenschutz ist schon bei der Kommunikation via Smartphone und im Internet ein Riesenthema. Warum sollte er ausgerechnet für das Auto wirksam funktionieren?
Das ist eine politische Aufgabe. Wir müssen Regeln schaffen, die einen klugen Rahmen vorgeben. Wir brauchen politische Regeln, die die Privatheit im Auto schützen. Das kann nur auf EU-Ebene oder auf internationaler Ebene formuliert werden, die Impulse werden nicht aus der Industrie selbst kommen.

Die Weitergabe persönlicher Daten ist das eine, die Angst vor Auto-Hackern eine andere. Hier haben die Unternehmen ja ein Eigeninteresse, ihre Fahrzeuge abzuschirmen. Welche technischen Möglichkeiten haben sie denn?
Es gibt keine absolute Sicherheit vor Hackern. Jede Software, die nicht trivial ist, hat Fehler und ist verwundbar. Also können wir nur machen, was die Banken machen – permanent solche Fehler aufspüren und mit Updates beseitigen. Doch auch, wenn es keinen absoluten Schutz gibt, fahren wir mit dem automatisierten Auto besser. In der Autoindustrie fehlt es meiner Meinung nach noch am Bewusstsein für das Thema Schutz vor Cyber-Angriffen. Bisher waren unsere Autos so gut wie nicht mit dem Internet verbunden, die Autobauer lebten in einer abgeschirmten, geschlossenen Welt. Daher fehlt auch die Erfahrung, dass etwas schief gehen kann. Der einzige, der Software für Fahrzeuge updatet wie Microsoft und Apple für ihre Computer, ist Tesla. Gründer Elon Musk versteht eben Software und digitale Welten.

Hebelt die Gefahr eines Hacker-Angriffs dann doch das Plus an Sicherheit durch die Systeme des autonomen Fahrens aus?
Ein Stück weit ja. Allerdings müssen wir uns dafür anschauen, wer ein Interesse daran hätte, Autos zu hacken. Die meisten Hacker haben ökonomische Interessen. Im Bankingbereich zum Beispiel geht es ihnen darum, Geld zu ergaunern. Warum sollte ich meinen Mitmenschen körperlich wehtun, wenn ich davon nicht profitiere? Die Gaunereinen kommen ja dadurch zustande, dass sich Menschen daran bereichern können. Das könnte dann so aussehen, dass ihr Auto nachts um drei Uhr im Walde stehen bleibt und Sie eine Mail bekommen – wenn Sie weiterfahren wollen, dann überweisen Sie bitte X Bitcoins an folgende Adresse.  Erst dann können Sie weiterfahren. Das wären wahrscheinlich die gefährlichsten Angriffe.

Das wäre ganz schön beunruhigend.
Das stimmt. Es gibt aber gute Möglichkeiten, Fahrzeuge technisch gegen Hackerangriffe zu schützen – die Hersteller müssen es eben nur machen. Dann wird die Gefahr nicht null sein. Sie wird aber kalkulierbar begrenzt.

Worüber sprechen BMW und Ford denn eigentlich, wenn sie sagen, sie wollen 2021 das autonome Auto auf die Strasse bringen?
Automes Fahren heisst auf allen Strecken der Stadt, der Autobahn und der Landstrasse in den gesetzlichen Geschwindigkeitsbereichen ohne Hilfe eines Fahrers zu fahren. Der Computer oder Roboter ist der Fahrer. Alles andere gibt es ja heute schon. Die Fahrassistenzsysteme sind sehr ausgereift. Mit einer Mercedes E-Klasse oder einem Model S können sie fast schon seit einem Jahr vollautomatisch auf der Autobahn fahren. In Zukunft gilt, dass das Auto vollautomatisch auf allen Strecken fährt, so wie ein Linienflieger vollautomatisch fliegt.

Jetzt sitzt aber im Passagierflieger auch bei eingeschaltetem Autopiloten immer ein Pilot am Steuer, der jederzeit eingreifen können muss. Sehen Sie tatsächlich das führerlose Auto in absehbarer Zukunft?
Das hängt von unserer Gesellschaft ab, inwieweit wir das wollen. Der Einzelne wird relativ schnell Vertrauen in das Selbstfahrer-Auto fassen, wenn er es ausprobiert hat. Auch jemand, der seit 20 Jahren Auto fährt, wird spüren, dass seine Hand am Lenkrad eigentlich überflüssig ist. Das ist ein Bewusstseinsprozess, der aber nicht einzigartig ist. Wir verlassen uns ja heute bereits in vielen Bereichen selbstverständlich auf Technik. Auch im Flugzeug gibt es Manöver, die von Maschinen ausgeführt werden, weil die Reaktionsfähigkeit des Menschen dafür viel zu langsam ist.

Im Flugzeug ist der Autopilot aber nicht dem Grossstadtverkehr ausgesetzt, wo von links ein Kind und rechts ein Radfahrer kommen kann.
Beim autonomen Fahren simulieren wir die Reaktionen des Menschen mit künstlicher Intelligenz. Künstliche Intelligenz wird nicht müde und reagiert nicht emotional. Damit werden Sie beim Fahren stets bessere Ergebnisse erzielen, als wenn der Mensch steuert. Wenn die Maschine vernünftig gebaut ist, schlägt sie den Menschen, egal ob beim Schach spielen oder beim Autofahren.

Die Gesetzesgrundlage verlangt aber – in der Schweiz wie in anderen Ländern – dass der Mensch jederzeit sein Fahrzeug beherrschen muss.
Ja, das ist so. Das ist eine Zeitfrage. In den USA können Sie bereits in Kalifornien und zwei anderen Bundesstaaten autonom Fahren. Und die oberste Strassensicherheitsbehörde hat auf die Anfrage von Google, ob automatisiertes Fahren in ganz USA erlaubt wird, geantwortet: «Yes, if it´s save». Ich gehe davon aus, dass es auch in China relativ schnell gehen wird. Dann werden wir dorthin schauen und von den Chinesen übernehmen, was funktioniert. Das Problem dabei ist ein industrielles. Die Industrie wird sich dort aufbauen, wo neue Technologie als erstes umgesetzt wird.

Die Autonationen der Zukunft sind also die USA und China?
Für die Autoindustrie ist gleichgültig, ob Deutschland oder die Schweiz fünf Jahre früher oder später an Bord kommen. Die paar Autos, die hierzulande und in Deutschland verkauft werden, sind vernachlässigbar. Wichtig ist China, und China ist sehr offen für Veränderungen. Und in den USA war das in der Vergangenheit auch so.

Bedeutet das einen Generationenwechsel auch auf der Seite der Hersteller? Steht der Diesel-Skandal, der VW und andere Hersteller trifft, für den Abgesang auf die althergebrachten Autobauer?
Die konventionellen Autobauer sind manchmal etwas langsam, das zeigt sich auch in der Entwicklung des Elektroautos. Man hat in Diesel investiert, bis man jetzt erkannt hat, dass dieser Antrieb an seine Grenzen kommt. Es war ein Fehler, in Deutschland und anderen EU-Ländern Diesel-Fahrzeugen Steuervorteile einzuräumen. Das hat einen künstlichen Boom geschaffen, mit der die Industrie blockiert war für andere Entwicklungen. In China und den USA gab es den Diesel-Boom eben sowenig wie in der Schweiz. Ohne Tesla hätten wir heute keine Elektroautos mit 500 Kilometer Reichweite. Jetzt investiert die Industrie ernsthaft in die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien zum Antrieb von Elektroautos, reduziert Gewicht und Kosten. Dann kommen wir in Reichweiten, in denen Elektroautos sehr wohl bezahlbar werden.

Welches Potenzial hat das Elektroauto?
Es ist schwer, hier eine Zahl zu nennen. Allerdings dürfen Autos in der EU ab 2020 noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen und das unter realen Fahrbedingungen. Von diesen Werten ist man heute noch weit entfernt. Darum gibt es nach meiner Einschätzung für die Industrie keine Alternative dazu, möglichst schnell auf das batteriebetriebene Elektroauto zu setzen. Es sind ja auch alle dabei – Audi will seinen sogenannten «Tesla-Jäger» 2018 bringen, BMW erhöht die Reichweite des i3, VW und Daimler investieren. Der Druck auf den CO2-Verbrauch wird absehbar eher steigen als sinken, ein Signal dafür ist die Ratifizierung des UN-Klimaabkommens durch die USA und China am Wochenende. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Verbrennungsmotoren nach 2030 noch eine wesentliche Rolle spielen.

Bei der momentanen Entwicklung in der Autobranche geht es aber um mehr als den Abschied vom Verbrennungsmotor. Viele Menschen der jüngeren Generation besitzen gar kein eigenes Auto mehr.
Ja, darum spielt Car-Sharing eine wichtige Rolle. Ich kenne sogar Mitarbeiter von Autobauern, die kein eigenes Auto mehr besitzen, sondern das Sharing nutzen. Das wird in seiner Bedeutung weiter steigen. Der Hype um Uber lässt das Potenzial der Sharing Economy spüren.

Uber und Co. wollen Robotertaxen bauen. Hat das Aussicht auf Erfolg?
Das ist wieder eine Frage der Zeit. In zehn Jahren werden Sie in Schanghai zu einer Party gehen, dort etwas trinken und sich dann von einem Selbstfahrer-Auto ins Hotel bringen lassen. In Europa dauert es vermutlich etwas länger. China ist wahnsinnig schnell. Schauen Sie nur mal auf Alibaba. Für die jungen Chinesen ist es völlig normal, über das Smartphone zu shoppen, während wir ab und zu bei Amazon mal online ordern. 

Wenn das autonome Fahren in Zukunft so viel zuverlässiger funktioniert, wird eigenständig Auto fahren irgendwann verboten wie Rauchen im Restaurant? Denn wer selbst steuert, gefährdet dann ja nicht nur sich, sondern auch seine Mitmenschen.
Das weiss ich nicht, das wäre eine politische Entscheidung. Allerdings ist es immer schwierig, den Menschen etwas zu verbieten. Der Weg wird eher so sein, dass nur noch wenige Menschen selbst fahren wollen, weil man während der Fahrt andere Dinge machen kann – arbeiten, spielen, sich mit seinen Mitfahrern unterhalten. Selbst ein Auto zu steuern verliert die emotionale Wirkung, die es heute hat.

Es wird also ein Selbstfahrer-Auto geben, in dem es so viel Spass macht, nicht zu fahren, dass  die Mehrheit freiwillig das Steuer abgibt?
So wird es funktionieren und dass ist auch die Herausforderung für die Hersteller. Der Innenraum der Fahrzeuge muss ohne Steuer komplett neu gedacht werden.

Wer wird dieses Auto bauen?
Das wissen wir heute noch nicht. Da besteht derzeit ein grosser Wettbewerb, der noch nicht entschieden ist. Die heutigen Autobauer, die relativ offen sind gegenüber Veränderungen, haben gute Chancen. Hier ist es zum Beispiel interessant, was sich bei VW in den letzten neun Monaten unter Matthias Müller getan hat. Der jetzige Kurs steht diametral zum vorigen. Nach wie vor glaube ich auch, dass Apple ein grosses Interesse am Autobau hat und auch mehr Hardware-Kompetenzen als zum Beispiel Google. Die neuen chinesischen Unternehmen muss man sehr ernst nehmen – Uber-Konkurrenten Didi zum Beispiel, oder Faraday Future. Das Rennen läuft.
 

*Professor Ferdinand Dudenhöffer ist Gründer und Direktor des CAR – Center Automotive Research – an der Universität Duisburg-Essen. Mit seinem neuen Werk «Wer kriegt die Kurve?» beschreibt der viel zitierte Experte, wer die Zukunft der Mobilität für sich entscheidet. Das Buch ist ab 8. September erhältlich.