Der Druck auf SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger wächst. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat am Freitag gegen ihn ein Strafverfahren wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung eröffnet.
Bis zum Ende der Wintersession der eidgenössischen Räte am 23. Dezember war der SVP-Politiker aus dem zürcherischen Hinwil vor einer Strafverfolgung geschützt gewesen. Bis zu diesem Datum galt die so genannte «Sessionsteilnahmegarantie». Es konnte deshalb kein Verfahren gegen den Parlamentarier eingeleitet werden.
Nach Sessionsende seien die gegen Zuppiger erhobenen Vorwürfe anhand von Gerichtsakten geprüft worden, teilte die Zürcher Staatsanwaltschaft I mit. Gestützt darauf sei ein formelles Strafverfahren eröffnet worden.
Zürcher SVP würde Rücktritt begrüssen
Trotz des Verfahrens, will Zuppiger von einem Rücktritt als Nationalrat nichts wissen. Er stelle sich auf den Standpunkt, für ihn gelte - wie für jeden andern Bürger - die Unschuldsvermutung, teilte die Zürcher SVP am Freitag mit. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass er sich strafrechtlich nichts vorzuwerfen habe.
Die Zürcher Parteileitung würde es hingegen begrüssen, wenn Zuppiger seinen Sitz in Bern räumen würde, wie aus der Mitteilung von Kantonalpräsident Alfred Heer hervorgeht. «Damit hätten unschöne politische Folgediskussionen für ihn selber und für die Partei beendet werden können - und zwar unabhängig davon, was die Strafuntersuchung letztlich ergeben wird.»
Die Zürcher SVP hatte Zuppiger bereits im Dezember nahe gelegt, sein Amt als Nationalrat niederzulegen, wenn gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet werden sollte.
Baader: »Es gilt die Unschuldsvermutung»
Die Spitze der SVP Schweiz erfuhr während ihrer Kadertagung im thurgauischen Horn von der neuen Entwicklung im Fall Zuppiger. Fraktionschef Caspar Baader sagte gegenüber der Nachrichtenagentur sda, dass die Eröffnung des Strafverfahrens keine Überraschung darstelle. «Es musste damit gerechnet werden.»
Für die Dauer des Verfahrens gelte die Unschuldsvermutung, sagte Baader weiter. Für ihn ändere sich nichts, es liege nach wie vor in den Händen des Beschuldigten oder allenfalls in jenen der Zürcher Kantonalpartei, wie mit dem Fall umgegangen werde.
«Die Fraktion hat hier nichts zu entscheiden», sagte Baader. Sollte der Zürcher Nationalrat schliesslich verurteilt werden, sei klar, dass sich die Lage anders präsentiere.
Am Rande einer Medienkonferenz in Romanshorn TG bezeichnete Nationalrat Christoph Blocher die jüngste Entwicklung als «ausserordentlich bedauerlich». Auf die Frage, ob Zuppiger als Nationalrat noch tragbar sei, sagte Blocher, das müsse dieser selber wissen. Er wolle sich dazu nicht äussern.
Ein tiefer Fall
Noch Anfang Dezember des vergangenen Jahres war für Zuppiger die Welt in Ordnung. Einstimmig wurde er von seiner Fraktion als aussichtsreicher Bundesratskandidat auf den Schild gehoben. Eine Woche vor der Wahl platzte jedoch der Traum.
Zum Stolperstein wurde für ihn ein Artikel in der «Weltwoche». Das Wochenblatt deckte einige Ungereimtheiten in Zusammenhang mit der Verteilung des Nachlasses einer verstorbenen Mitarbeiterin seines Betriebes, der Zuppiger & Partner AG, auf.
So soll Zuppiger die Auszahlung von 265'000 Franken an zwei gemeinnützige Organisationen verzögert, ein überrissenes Honorar verrechnet und 100'000 Franken auf ein eigenes Konto überwiesen haben. Nachdem die beiden Organisationen interveniert und mit Klagen gedroht hatten, bezahlte Zuppiger den vollen Betrag mit Zinsen an diese aus.
Fehler eingeräumt
Der Politiker bestritt die Vorwürfe nicht und räumte ein, Fehler gemacht zu haben. Weil er in seiner Wirtschafts- und Unternehmensberatungsfirma wegen der Politik viel abwesend sei, hätten sich seine Mitarbeiter um die Erbschaft gekümmert.
Er versicherte jedoch mehrmals, er habe sich nicht bereichern wollen. Im Übrigen sei die Angelegenheit aussergerichtlich beigelegt worden. Dies alles nützte ihm jedoch nichts: Nur einen Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe, tauschte die Fraktion Zuppiger gegen Nationalratspräsident Hansjörg Walter als Bundesratskandidaten aus.
Am 19. Dezember schliesslich gab Zuppiger seinen sofortigen Rücktritt als Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) bekannt. Diesen Schritt begründete er damit, dass für ihn die Interessen des Verbandes im Vordergrund stünden. Zuppiger stand seit Mai 2010 an der Spitze des sgv.
(tno/sda)