Die Macht, die die Welt beherrscht, hat weder Panzer noch Soldaten. GAFA regiert nicht mit Waffen, GAFA regiert mit Geld. Mit Billionen und Aberbillionen Dollar. Mit Summen, höher als die Wirtschaftsleistung mancher Staaten. Der Zirkel besteht aus vier Unternehmen, die sich von Start-ups zu globalen Giganten aufgeschwungen haben: Google, Apple, Facebookund Amazon. GAFA. So lautet die Kurzform für das Quartett, erfunden von der Europäischen Union.

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Die vier amerikanischen Internetunternehmen besitzen einen Marktwert von 1,7 Billionen Dollar – das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt der einstigen Supermacht Russland. Diese schiere Grösse ist zu einem Risiko für die Welt geworden.

Jedweder demokratischen Kontrolle entzogen

Das meint zumindest die Eurasia Group, eine der wichtigsten politischen Analysehäuser der USA. «Eine Reihe nichtstaatlicher Akteure betreibt plötzlich Politik», sagt Ian Bremmer, der Eurasia-Gründer. «Und diese Akteure werden immer einflussreicher.»

Bremmer unterstellt den Mega-Konzernen nicht per se böse Absichten. Aber die «Technologists», wie er ihre führenden Köpfe nennt, ihre Manager, Gründer und Besitzer, entzögen sich jedweder demokratischer Kontrolle. Kein Parlament, kein Volk kann sie zur Rechenschaft ziehen. Minister und Regierungschefs, abhängig von der Gunst der Wähler, verhalten sich meist berechenbar – die Unternehmen nicht. Damit sind sie Eurasia zufolge ein Unsicherheitsfaktor.

«Die Branchenriesen unterlaufen die offizielle Politik«, sagt Bremmer. Immer vehementer seien ihre Initiativen. Nicht selten arbeiten die Technologists dabei genau in Gegenrichtung der Regierung. So warfen etwa Amerikas Politiker China im September des vergangenen Jahres Cyberspionage vor – während Amerikas Tech-Chefs die Volksrepublik umgarnten.

Jack Ma will eine digitale Freihandelszone

Sie wollten erreichen, dass Peking die Sperrungen von Facebook, Google und Twitter lockert. China sei «grossartig«, soll Apple-Chef Tim Cook damals bei einem Besuch gesagt haben. Zugleich schickte er ein Foto von sich über den wichtigsten Kurznachrichtendienst des Landes, Weibo. Es zeigte ihn an der Chinesischen Mauer. Der Text darunter: Er sei glücklich, wieder da zu sein.

Auch Chinas mächtige Manager machen Politik. Der Chef des Internetkonzerns Alibaba etwa, Jack Ma, nutzt seine Finanzkraft nicht nur dazu, bessere Geschäftsbedingungen für sein Unternehmen herauszuholen. Er strebt nach Grösserem: nach einer Art digitalen Freihandelszone, einer Welthandelsorganisation namens WTO2, angeführt von der Webwirtschaft. Auch diese Initiative läuft der Politik zuwider. Die will Freihandelsabkommen nicht allein für Internetkonzerne aushandeln, sondern für alle Branchen.

Brüssel setzt zur Gegenwehr an

Nicht nur in Amerika und China, auch in Europa treten die Technologists selbstbewusster auf denn je. Mit den Milliarden, die sie zur Verfügung haben, betreiben sie aggressives Lobbying gegen die EU-Kommission. Zum Beispiel wenn es darum geht, schärfere Datenschutzbestimmungen abzuwenden, Wettbewerbsbeschränkungen zu stoppen oder Steuervorteile zu bewahren.

Brüssel rüstet deshalb auf gegen die gefürchtete GAFA. So hatte etwa der frühere Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia jahrelang versucht, Googles Vormachtstellung unter den Suchmaschinen mittels Diplomatie zu begrenzen – seine Nachfolgerin Margrethe Vestager hingegen geht direkt zum Angriff über. Vestager leitete ein Klageverfahren ein, das für Google zu einer Geldstrafe von bis zu 6,6 Milliarden Dollar und harten Auflagen führen könnte.

Spirale der Unsicherheit

Es scheint eine Spirale der Unsicherheit entstanden zu sein: Die Feldzüge der Politik gegen die neuen Mächte schaffen Bremmer zufolge nur noch weitere Risiken für die Welt. Denn geraten die grossen vier plötzlich ins Wanken, taumeln auch die Märkte.

Schon einmal hielt eine Gruppe Konzerne die ökonomischen Fäden der Welt in der Hand: die Ölgiganten. Sie geboten in den 1960er-Jahren über 85 Prozent der globalen Reserven. Noch vor zehn Jahren zählten mit Exxon, BP und Royal Dutch Shell drei von ihnen zu den zehn grössten Unternehmen. Ohne sie ging nichts in der Wirtschafts- oder Umweltpolitik, zu mächtig waren ihre Lobbyisten.

Doch die Ölkonzerne haben ihre Macht verloren. Inzwischen schafft es mit einem Börsenwert von 322 Milliarden Dollar nur noch Exxon in der Rangliste der Top Ten. Zwar verdienen die Rohstoffriesen nach wie vor gut – doch fehlt ihnen, anders als den Tech-Firmen, die Idee für die Zukunft.

Positive Seiten der Machtkonzentration

Nur die Firmen mit den besten Innovationen können die ökonomische Führung übernehmen – und damit politisch gestalten. Das besagt die Theorie der schöpferischen Zerstörung. In der Gegenwart stehen jene Konzerne für Macht und Erfolg, die sich fortwährend weiterentwickeln: die die Vernichtung mit dem Ziel, aus den Ruinen Neues zu schaffen, zum Leitmotiv erheben. Solche technologischen Revolutionen sind den Ölunternehmen kaum zuzutrauen – Google, Apple, Facebook und Amazon hingegen sehr wohl.

Viele Durchbrüche seien ohne die Technologists nicht denkbar, sagt Bremmer. Er nennt etwa die Klimaschutz-Offensive des Microsoft-Gründers Bill Gates. Gefährlich werde es nur, wenn die politischen Ambitionen zu gross würden.
 

Dieser Text ist zuerst bei unserer Schwester-Publikation «Die Welt» unter dem Titel «Die gefährliche Dominanz der grossen Vier» erschienen.