Im Frühjahr hatte die italienische Justiz die Fälle von asbestbedingten Todesfällen unter italienischen Arbeitern in der Schweiz aufgerollt. Zuvor waren im Februar der Bruder von Thomas Schmidheiny, Stefan Schmidheiny, und ein Mitangeklagter in Turin in Abwesenheit in erster Instanz zu je 16 Jahren Haft verurteilt worden.

Beim Prozess ging es unter anderem um asbestbedingte Todesfälle in den vier Fabriken Eternit S.p.A. (Genua), an denen Schmidheiny beteiligt war - zuletzt als Mehrheitsaktionär. Die Eternit S.p.A. war 1986 Konkurs gegangen. Die beiden Verurteilten sowie die Staatsanwaltschaft haben gegen das Urteil rekurriert.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Stephan Schmidheiny hatte 1976 die Leitung der Schweizerischen Eternit-Gruppe, die auch im Ausland zahlreiche Eternit-Beteiligungen hielt, von seinem Vater Max übernommen. Thomas Schmidheiny, langjähriger Chef und Verwaltungspräsident des Zementkonzerns Holderbank (später: Holcim), kauft 1989 die Aktien der Schweizer Eternit AG mit ihren Fabriken in Niederurnen (NW) und Payerne (VD) von seinem jüngeren Bruder.

1994 wurde in der Schweiz das letzte asbesthaltige Rohr hergestellt. 2003 kaufte das Luzerner Baustoffunternehmen BA Holding AG die Eternit (Schweiz) AG.

Andere Verjährungsfristen

In den Schweizer Eternit-Werken waren auch zahlreiche italischen Gastarbeiter beschäftigt. Der Versuch, wegen durch Asbest verursachte Krankheiten und Todesfällen in der Schweiz eine Entschädigung zu erhalten, scheiterte am Schweizer Recht zur Verjährung.

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Betroffene Asbest ausgesetzt war. Bis zum Ausbruch der Krankheiten wie Lungenasbestose oder einem durch Asbest verursachten Krebs des Brust- oder Bauchfells kann es aber Jahre oder Jahrzehnte dauern.

Nach Schweizer Recht sind die Fälle dann verjährt, wie das Bundesgericht 2008 im Falle von Klagen von zwei Angehörigen von Arbeitern des Eternit-Werks Niederurnen und eines Anwohners entschieden hat.

In Italien dagegen beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tod des Betroffenen zu laufen. Inzwischen untersucht die italienische Justiz den Tod von fast 200 Arbeitern von Eternit-Fabriken in Niederurnen und Payerne.

Dass die Ermittlungen nun auch auf Thomas Schmidheiny ausgedehnt wurden, enthüllte Staatsanwalt Guariniello gegenüber der italienischsprachigen Gewerkschaftszeitung «AREA» Ende Juni.

In dieser Woche druckte die französischsprachige Gewerkschaftszeitung «L'Evénement syndical» das Interview mit Guariniello nach. Man sei derzeit dabei, mit Hilfe von Dossiers und Zeugen die Fälle der Betroffenen zu erfassen.

Wer ist verantwortlich?

Die Untersuchung gegen Thomas Schmidheiny konzentriere sich auf die Zeit, in der dieser die Eternit (Schweiz) AG geleitet habe, sagte er. «Wenn alle Fälle bekannt sind, können wir ermessen, welcher der beiden Schmidheiny-Brüder wofür verantwortlich ist», sagte Guariniello.

Der Sprecher von Thomas Schmidheiny, Jörg Denzler, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur sda am Mittwoch, ihm sei nichts bekannt über eine gegen Thomas Schmidheiny gerichtete Untersuchung in Italien. Zugleich gab er zu bedenken, dass es in der Ära Thomas Schmidheiny «fast kein Asbest mehr» in den Fabriken des Unternehmens gegeben habe.

(laf/aho/sda)