Am Samstagabend hat Madonna mit ihrer «Rebel Heart»-Tour in der Schweiz Halt gemacht. Das Publikum im nicht ganz ausverkauften Zürcher Hallenstadion verzieh ihr vieles: Verspätung, Beschimpfungen, stimmliche Defizite und eine zu lange Show. Denn die Queen of Pop ist alles in allem noch immer gut in Schuss - und wo sie schwächelt, zaubert sie andere Trumpfe aus dem Ärmel.

Noch bevor Madonna in ihrem Käfig aus Speeren von der Decke auf die Bühne schwebt, erhält das Publikum die volle Dröhnung. Die Bässe, zu denen ein Heer von mit Kreuzen bewaffneten Kämpfern auf die Bühne poltert, sind so heftig, dass es in der Nasenwurzel kitzelt.

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Madonna wäre nicht Madonna, wenn sie sich für die halbe Stunde Verspätung (das Konzert war am Vortag bereits um eine Stunde nach hinten verschoben worden) kleinlaut entschuldigen würde. Viel lieber zeigt sie mit aller Power, wofür sich das lange Warten und die Pfiffe gelohnt haben: «I want to start a Revolution.»

57-jährige Provokateurin

Man müsse schon tun, was man predige, singt die Sängerin im Opener «Iconic». Und Madonna verkündet das Rebellentum. Nicht erst seit Beginn ihrer aktuellen «Rebel Heart»-Tour, sondern bereits seit den frühen 80er Jahren, als sie mit Hits wie «Holiday» oder «Like a Virgin» zur unangepassten Pop-Königin wurde. Auch mit 57 Jahren liebt sie es noch immer, aufzufallen und zu provozieren.

Allerdings runzelt heute kaum mehr jemand die Stirn, wenn Madonna mit gefesselten Händen und gespreizten Beinen auf dem Abendmahl-Tisch liegt. Oder wenn sie einen schwarzen Priester kaum bekleidet und auf den Knien anfleht, ihr das Beten zu lehren. An Unterhaltungswert haben solche Szenen aber nicht verloren.

Gucci, Moschino, Alexander Wang, Prada, Miu Miu und Swarovski

Und Madonna weiss, dass sie diese sündige Nummer nicht mehr abendfüllend durchziehen kann. Sie unterteilt ihre Show in vier Teile, um Abwechslung zu bieten und auch noch andere Facetten von sich zu zeigen. Das zweite Kapitel spielt denn auch in einer Autowerkstatt und ist mit «Body Shop», einem Song des neuen Albums «Rebel Heart», sogleich musikalisch eingeläutet.

Es ist der Teil, in dem Madonna ihre besten tänzerischen Leistungen vollbringt. Die sexy Line Dance-Choreographien, die sie bereits im Video zu «Don't Tell Me» (vom 2000er Album «Music») zum Besten gab, stehen ihr einfach wunderbar. Und die Kostüme, eine Art Westernkleider mit Karrenschmiere-Charme, runden die Szenerie perfekt ab.

Apropos Kostüme: Die Outfits der aktuellen Tour entstammen namhaften Designerhäusern wie Gucci, Moschino, Alexander Wang, Prada, Miu Miu und Swarovski. Und sie dienen nicht etwa bloss der Zierde. Oft halten sie das Publikum bei Laune, wenn die Show sonst nicht viel zu bieten hat. Beispielsweise im dritten Teil, einem zwar bunten aber sehr langatmigen Ausflug in die Welt der Stierkämpfe, des Flamenco, der Trachten.

Zuschauer als «Motherfuckers» beschimpft

Es scheint, als würde es selbst Madonna irgendwann zu langweilig, im Folklorekleid auf ihrem Holzstuhl zu sitzen und plätschernde Songs wie «Rebel Heart» oder «Who's That Girl» vorzutragen. Denn es ist bereits das zweite Mal an diesem Abend, dass sie einen Moment des Stillsitzens nutzt, um die Zuschauer von oben herab als «Swiss Bitches» und «Motherfuckers» zu beschimpfen.

Schade, denn sie zerstört damit die seltenen Augenblicke, in denen man die Künstlerin locker und publikumsnah und mit starker Stimme geniessen könnte.

Im finalen Showteil präsentiert sich Madonna noch einmal vollumfänglich als das, was sie ist: eine Diva, ein «Material Girl». Ausgerechnet das Kleid aus Strasssteinen ist es jedoch, das zu einem mässig glanzvollen Fazit überleitet: Die Queen of Pop ist zwar noch immer bewundernswert fit - letztlich sind es aber vor allem ihre Tänzer, die Designerkostüme und teuren Showeffekte, die das lange Warten rechtfertigen.

(sda/gku)