Es ist in den letzten Monaten, ja Jahren, fast schon langweilig geworden, das Beobachten der Preise für Luxusuhren auf dem Secondhand-Markt. Denn es ist immer nur aufwärts gegangen. Mal rasend schnell, mal etwas gemächlicher. Aber länger andauernde Phasen sinkender Preise gab es schlicht nicht. Jedenfalls bis jetzt.
Seit Ende März aber tendieren die Durchschnittspreise für Uhren-Occasionen abwärts. Nicht massiv, aber deutlich. Und eben seit Wochen anhaltend.
Der Preisindex von Watchcharts, der die dreissig am meisten gehandelten Uhren-Modelle umfasst, hat im letzten Monat um 4,7 Prozent nachgegeben. Das ist deshalb besonders bemerkenswert, weil im Index eben auch Uhren von heissen Marken wie Patek Philippe, Audemars Piguet, Vacheron Constantin und auch Rolex enthalten sind.
Zum Beispiel die blaue Nautilus von Patek Philippe, die von der Genfer Manufaktur nicht mehr hergestellt wird. Die Preise für diese Referenz sind in den letzten Wochen abrupt gesunken, von plus minus 230’000 Dollar auf noch etwas über 205’000 Dollar. In den einschlägigen Foren gab es kürzlich gar Angebote mit Preisen zwischen 150’000 und 170’000 Dollar, während es noch im Februar praktisch keine Angebote unter 180’000 Dollar gab.
Was also ist da los? Haben wir gerade den Peak Patek überschritten? Oder den Peak Rolex?
Die Nachfrage nach Uhren-Trophäen bleibt hoch
Die kurze Antwort lautet: Sehr unwahrscheinlich. Dafür ist die Nachfrage nach Trophy Watches schlicht zu gross, das Angebot – und zwar sowohl auf dem Secondhand-Markt wie auch im Geschäft mit neuen Uhren – schlicht zu klein. Noch immer zeugen endlose Wartelisten, um die begehrtesten Uhren zu regulären Preisen im Handel zu kaufen, von diesem massiven Nachfrageüberhang.
Und die ausführliche Antwort? Einige Experten verweisen auf die Messe Watches & Wonders, die Ende März und Anfang April die Aufmerksamkeit der Uhren-Afficionados von historischen Modellen auf die präsentierten Neuheiten abgelenkt habe. Entsprechend seien auch die Budgets der Sammler vorübergehend neu sortiert worden.
Andere Marktkenner erklären den zuletzt beobachtbaren Preisrückgang bei den wichtigsten Uhrentrophäen mit der steigenden Frustration über exorbitante Preise und mangelnde Verfügbarkeit. Entsprechend würden Sammler auf weniger heiss gehandelte Uhrenmarken umschwenken. Feine Uhren von H. Moser & Cie., F.P. Journe, Czapek oder De Bethune würden deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit geniessen.
Beide Erklärungsansätze sind in sich stimmig und schliessen sich auch gegenseitig nicht aus. Und dennoch bleibt die Frage: Beobachten wir bei den Uhrenpreisen derzeit eine blosse Delle oder sehen wir eine Trendwende? Noch ist das sehr schwer abzuschätzen, ähnlich wie bei Aktienkursen. Denn: Vier Wochen mit fast konstant sinkenden Preisen sind zwar eine aussergewöhnlich lange Periode. Sie ist aber dennoch zu kurz, um klare Trendaussagen zu machen. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass der Langfristtrend der letzten zehn Jahre plötzlich und ohne wirklich triftigen Grund gebrochen wird.
Nur die richtigen Uhren gewinnen
Nur schon der Blick auf die Preisentwicklung in den letzten zwölf Monaten zeigt es: Uhren von Patek Philippe sind aktuell im Schnitt mehr als 50 Prozent teurer als vor einen Jahr. Zeitmesser von Audemars Piguet fast 47 Prozent teurer. Und auch die Modelle von Vacheron Constantin und Rolex haben sich in den letzten 52 Wochen spürbar verteuert. Will heissen: Die klassischen Trophy Watches der wichtigsten Marken auf dem Secondhand-Markt mögen zuletzt zwar leicht billiger geworden sein. Doch schon über eine etwas längere Frist ist der Aufwärtstrend nach wie vor intakt.
Doch längst nicht alle Marken verfügen über dieses anhaltende Momentum. Selbst klingende Namen wie Omega, Tudor, IWC oder Breitling haben im vergangenen Jahren im Schnitt der Modelle an Wert verloren.
Auf dem Markt für Secondhand-Uhren ist es eben wie bei den Handtaschen, den Sneakern oder – ganz profan– bei den Aktien. Nur wer auf die richtigen Assets setzt, profitiert.
Alle weiteren Folgen von «Handelszeitung Insights» finden Sie hier.