LGBTQ: Jetzt kommt das Regenbogen-Label für Firmen

Pünktlich zum 1. Juni ändern Firmen weltweit ihr Logo in Regenbogenfarben und läuten so den Pride-Month ein. Ein Monat, der Protest und Party in einem ist: Menschen aus der LGBTI-Community feiern ihre Vielfältigkeit und demonstrieren für Gleichberechtigung. Dass auch Unternehmen in dieser Zeit Farbe bekennen, ist erfreulich – allerdings haben die regenbogenfarbenen Logos für viele Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben oder sich selbst anders definieren als die heterosexuelle Norm, auch einen bitteren Beigeschmack. Dann nämlich, wenn die Firmen sich jenseits solcher PR-Aktionen nicht für LGBTI-Menschen und gegen Diskriminierung einsetzen und sich ihre Unterstützung auf vier Wochen im Jahr beschränkt. Jetzt, am Ende des sogenannten Pride-Months, stellt sich daher die Frage: Wie können Firmen das Thema darüber hinaus auf die Agenda setzen? «Wir gehen stark davon aus, dass in der Unternehmenswelt weiterhin eine verdeckte Diskriminierung stattfindet», sagt Ann-Kathrin Greutmann, Diversity- und Inklusionsbeauftrage bei der Züricher Kantonalbank (ZKB). Bei der Bank soll kein Platz sein für solche Diskriminierung. Um das zu verdeutlichen, hat sich die ZKB bei der Gründung und Entwicklung des Swiss LGBTI-Labels engagiert. «Wir wollen unbedingt die Vielfalt unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern und legen grossen Wert darauf, dass alle Menschen gleich behandelt werden, egal, welche sexuelle Orientierung sie haben», so Ann-Kathrin Greutmann.Diese Firmen sind LGBTI-zertifiziert Am Mittwoch, 16. Juni 2021, wurden in Zürich folgende Organisationen mit dem Swiss LGBTI-Labelausgezeichnet: Industrie: ABB, Bühler Telekommunikation/IT: Swisscom, SAP Pharma: Roche, Novartis, Gilead, Alexion, MSD Organisationen/Gemeinden: Offene Kirche Elisabethen, Stadt Kloten,Universität Zürich, Universitätsspital Zürich, Stapferhaus Banken: UBS Dienstleistungen:Capco, BDO, Passion Up Weddings Das Label wurde vom Verein Network (Verein schwuler Führungskräfte in der Schweiz) und Wybernet (Verein lesbischer und bisexueller Führungskräfte in der Schweiz) lanciert. Economiesuisse unterstützt die Initiative. Das Swiss LGBTI-Label ist eine Non-Profit-Organisation, die aus den beiden Businessnetzwerken Wybernet und Network Gay Leadership hervorgegangen ist. «Für uns war klar, dass wir in der Schweiz ein Label etablieren wollen, das klar und deutlich gegen Diskriminierung und für die Inklusion von LGBTI-Menschen steht», sagt Moreno della Picca, Vorstand des Network Gay Leadership. Gemeinsam mit den Dachorganisationen TGNS, Pink Cross, LOS und Regenbogenfamilien sowie mit Gründungsunternehmen wie der ZKB haben della Picca und sein Team das Label aufgezogen und 2019 an den Markt gebracht. Mittlerweile wurden 41 Unternehmen damit ausgezeichnet. Detailliertes Verfahren Um das Label tragen zu dürfen, müssen die Unternehmen einen mehrstufigen Prozess durchlaufen. Dabei wird überprüft, mit welchen Instrumenten und Massnahmen eine Organisation LGBTI-Menschen fördert und unterstützt. Dazu dient ein standardisierter Fragebogen: Unternehmen müssen Fragen beantworten zu ihrem Leitbild, ihrer Strategie und Jahresplanung, zu Konzeptentwicklungen, Führung und Organisation, Kommunikation und Prozessen im Personalbereich. Die Fragebögen unterscheiden sich für kleine, mittlere und grosse Unternehmen. Das Label kostet kleine Unternehmen mit bis 14 Mitarbeitenden 500 Franken, mittlere Unternehmen müssen 1000 Franken zahlen und grosse Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitenden zahlen 3000 Franken. Längst nicht jedes Unternehmen, das sich um das Label bewirbt, erhält es am Ende dieses Prüfprozesses dann auch. «Wir wollen, dass Unternehmen nicht nur nach aussen kommunizieren, dass sie etwas für die Community tun, sondern auch nach innen wirklich aktiv sind», sagt della Picca. Wer es nicht schafft, die Vergabekommission zu überzeugen, darf sich erst nach zwei Jahren noch einmal bewerben. Unternehmen, die das Label einmal bekommen haben, müssen nach drei Jahren einen Re-Labeling-Prozess durchlaufen und sollten dann möglichst noch besser abschneiden als beim ersten Mal. Della Picca und sein Team raten gerade grösseren Unternehmen dazu, eine Diversity-Fachstelle zu schaffen, die sich mit dem Thema LGBTI mit Fokus auf Mitarbeitende beschäftigt. Dabei sollte das Unternehmen Mittel und Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sich die Fachstelle mit dem Thema auseinandersetzen und Projekte initiieren und begleiten kann. «In der Zeit während der Entwicklung des Labels hat uns das angespornt, bei uns selbst zu schauen, was wir schon tun und wo wir vielleicht noch engagierter sein können», sagt Ann-Kathrin Greutmann von der ZKB. Parallel zum Bewerbungsprozess um das Swiss LGBTI-Label ist bei der ZKB das Firmennetzwerk «Queers and Peers» entstanden. Es wird von Mitarbeitenden geleitet, die selbst Teil der LGBTI-Community sind, ist jedoch offen für Mitarbeitende jeglicher Orientierung. Um Diversität und Akzeptanz im Unternehmen zu etablieren, müssen besonders die Führungskräfte selbst aktiv werden und als Vorbilder agieren. «Grundsätzlich ist es so, dass man diese Gruppe von Menschen nicht als etwas Besonderes anschauen muss. Wir müssen es uns zum Ziel machen, eine Kultur zu schaffen, die Offenheit zulässt», sagt Ann-Kathrin Greutmann. Gerade Führungskräfte hätten es in der Hand, psychologische Sicherheit zu schaffen und es den Mitarbeitenden zu ermöglichen, über solche Themen offen zu sprechen. «Vielfalt ist nicht zuletzt auch für den Erfolg eines Unternehmens wichtig», betont die Diversity-Expertin. Schliesslich komme man mit vielen verschiedenen Menschen zu einem besseren Ergebnis, als wenn ausschliesslich Gleichgesinnte zusammensitzen. «Unsere Führungskräfte treiben diese Vielfalt aktiv voran», sagt Greutmann. Für Bernhard Bischoff, Partner bei der Galerie Kornfeld, ist diese Vielfalt längst Normalität: «Wir leben die Inklusion ohne grosses Aufsehen, einfach mit gegenseitigem Respekt, den wir auch allen anderen Menschen entgegenbringen.» Mitarbeitende aus der LGBTI-Community werden nicht anders behandelt als ihre Kolleginnen und Kollegen. «Ich denke das ist so, wie es auch in der Gesellschaft sein sollte. Inklusion darf nicht zu einem Hervorheben einer besonderen Gruppe werden; sonst ist es ja gerade eher das Gegenteil», sagt Bischoff. Das bedeute jedoch nicht, dass es nicht wichtig sei, sich deutlich gegen Diskriminierung zu positionieren. Aus diesem Grund hat auch die Galerie Kornfeld das Swiss LGBTI-Label erworben. «Ich arbeite seit zwanzig Jahren im Kunsthandel, seit dreissig Jahren im kulturellen Umfeld – die LGBTI-Community ist überall präsent, für mich ist das etwas ganz Normales, auch wenn ich selbst kein Teil davon bin. Dass keine Diskriminierung stattfindet, ist mir sehr wichtig», betont Bischoff. Zeichen setzen für Diversität Fast die Hälfte der 14 Mitarbeitenden der Galerie Kornfeld sind selbst Teil der LGBTI-Community. Einer von ihnen ist Teil des Vorstands im Network Gay Leadership und hatte Bischoff auf das Swiss LGBTI-Label aufmerksam gemacht.Kommentar: Diversity braucht Mut im Alltag – nicht nur Workshops Um Diversity wirklich zu fördern ist ein Umdenken nötig. Weg von quantitativen Zielvorgaben hin zur Akzeptanz von alternativen Lösungen, schreiben Claudia Scarpatetti und Susanne Schmuckli im Gastkommentar. Für den kleinen Betrieb mussten die Anforderungen zu diesem Zeitpunkt noch angepasst werden – im Gegenteil zu grossen Konzernen hat die Galerie beispielsweise keinen Diversity-Beauftragten. «Bei uns im Betrieb leben wir schon längst in einer Kultur, in der es völlig egal ist, wen jemand liebt», sagt Bischoff. Genau wie Bischoff wünscht sich auch Ann-Kathrin Greutmann, dass diese Normalität in der Gesellschaft ankommt: «Der Mensch mit seinen vielfältigen Gedanken interessiert uns, und nicht, wen er oder sie liebt. In einer idealen Welt werde ich als Diversity-Beauftragte irgendwann nicht mehr gebraucht.» Bis es so weit ist, will Greutmann weiter Zeichen setzen.