Homeoffice: Die besten Tipps gegen Remote Ghosting

Hand aufs Herz: Haben Sie im Homeoffice schon mal Wäsche gefaltet, während Sie bei Ihrem Arbeitgeber eingeloggt waren? Dann sind Sie nicht allein: 52 Prozent der Heimarbeitenden tun das – und viele andere Dinge, für die sie der Arbeitgeber ebenfalls nicht bezahlt. 59 Prozent kochen, 55 Prozent sehen fern, 47 shoppen im Internet. Das ergab eine Umfrage der amerikanischen Stellensuchmaschine Joblist unter 958 Vollzeitheimarbeitenden. Die Erhebung bestätigt, was viele geahnt haben: Im Homeoffice wird keineswegs immer nur gearbeitet, und viele Kollegen lassen es dort ausgesprochen ruhig angehen. 83 Prozent flunkern bei der Arbeitszeit – und etwa jeder Dritte hat schon mal so getan, als sei er beschäftigt, zum Beispiel um einem Videomeeting aus dem Weg zu gehen. Wie soll man mit Kolleginnen und Kollegen umgehen, die im Homeoffice Vollgas vortäuschen, aber nur Bummeltempo fahren? Und wie soll man mit Mitarbeitenden umgehen, die im Homeoffice auf Anweisungen oder Anfragen kaum oder sehr verspätet reagieren? Nur einzelne nutzen das Homeoffice aus Vorab: Das Klischee, dass Heimarbeitende grundsätzlich fauler sind, wurde mehrfach widerlegt. Etliche Studien haben gezeigt, dass die meisten in den eigenen vier Wänden sogar mehr schaffen als im Büro. Doch das sind nur Durchschnittswerte. Einzelne Mitarbeitende nutzen es aus, dass der Chef sie nicht mehr im Blick hat. «Manche bauen an ihrem Haus, andere führen den Hund aus oder machen mit der Familie einen Ausflug», berichtet Eric Hartung, Geschäftsführer von Detektiv-Lux Deutschland aus Frankfurt am Main. Seine Firma hat zuletzt oft im Auftrag von Personalabteilungen ermittelt und Fotos von Blaumachern geschossen, die ihre Arbeitszeit im Supermarkt oder beim Sport verbringen.So bleiben wir im Homeoffice motiviert Setting: Gehen Sie zum Arbeiten an den Schreibtisch. Wer mit dem Laptop im Bett sitzt – womöglich in Schlafkleidung – neigt eher dazu, sich bei Netflix einzuloggen als ins Firmennetzwerk. Struktur: Arbeiten Sie zu den gleichen Zeiten wie im Büro. Ohne feste zeitliche Struktur steigt zum Beispiel die Versuchung, bei schönem Wetter die Mittagspause auszudehnen. Fokus: Erledigen Sie während der Arbeitszeit keine Aufgaben im Haushalt. Wer einmal angefangen hat, die Wäsche zu sortieren, ist gedanklich aus den Jobaufgaben raus und findet nur schlecht wieder rein. Privates: Legen Sie das Privathandy während der Arbeit – stummgeschaltet – in einen anderen Raum. So werden Sie nicht abgelenkt. Schritte: Teilen Sie die Arbeit in kleine Portionen ein. Riesenaufgaben wirken einschüchternd und steigern die Versuchung, sich komplett aus der Arbeit auszuklinken. Hartung, selbst studierter Betriebswirt, kann seine Auftraggeber gut verstehen. «Viele Unternehmen kämpfen ums Überleben und können es sich nicht leisten, dass jemand nicht 100 Prozent bringt.» Er betont jedoch, der Schlendrian im Homeoffice sei kein Massenphänomen. «Das sind Einzelfälle – und meistens gab es mit den jeweiligen Personen vorher schon Probleme.» Privatdetektive für Mitarbeitende Auch in der Schweiz gibt es inzwischen Privatdetektive, die ein Auge auf faule Mitarbeitende werfen. So etwa Erich Wunderli, Detektiv aus Dübendorf, der dem Sender Tele Züri von seinen Erkundungen berichtete. Dass im Heimbüro manchmal nur Arbeit vorgetäuscht wird, lässt sich übrigens quer durch alle Hierarchiestufen beobachten. Laut Joblist-Umfrage geben sogar 92 Prozent der Führungskräfte gelegentlich im Homeoffice vor, beschäftigt zu sein, obwohl sie es nicht sind. Auf Einstiegspositionen flunkern nur 79 Prozent. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass mittlerweile fast jeder von Kollegen, Kolleginnen oder Vorgesetzten berichten kann, die auf Mails nicht reagieren, obwohl sie offiziell eingeloggt sind. Erreichbarkeit ist Pflicht Wer die Arbeit in den eigenen vier Wänden schleifen lässt, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis. «Im Homeoffice gilt dasselbe wie im Büro: Die Mitarbeitenden müssen grundsätzlich anwesend sein und innert nützlicher Frist reagieren», erklärt Michèle Stutz, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei MME Legal Tax Compliance, Zürich. Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen und verlangen, dass das Personal während der normalen Arbeitszeit erreichbar ist und im Outlook seine Termine einträgt. Auch das Ein- und Auschecken über Werkzeuge wie Zoom oder Teams kann vorgeschrieben werden. «Ist ein Mitarbeiter wiederholt ‹nicht anwesend› oder reagiert nicht zügig auf Kommunikation, sollte die Arbeitgeberin eine – oder bei andauerndem Fehlverhalten – sogar mehrere schriftliche Verwarnungen aussprechen», rät Stutz. Wer sich konsequent aus der Kommunikation mit den Kollegen ausklinkt, muss mit schwerwiegenden Folgen rechnen. «Das kann, wie Nichterscheinen oder wiederholt spätes Erscheinen zur Arbeit, zur ordentlichen oder gar fristlosen Kündigung führen», warnt Anwältin Stutz. Wenn Mitarbeitende ausserhalb des Büros die Dinge schleifen lassen, steckt dahinter oft keine böse Absicht, sondern schlichtweg fehlende Kompetenz. «Aus einer US-Studie geht hervor, dass sich Menschen mit geringerer Selbstdisziplin schwerer tun mit längerem Arbeiten im Homeoffice», erklärt Hartmut Schulze, Professor für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Olten. Im Büro top, zu Hause nicht Die Erfahrung: Je länger diese Personen auf Distanz tätig sind, desto grösser kann ihr Hang zum Prokrastinieren werden, also zum Aufschieben von Aufgaben. Es fällt ihnen schwerer, sich morgens zu motivieren, sie lassen sich leichter ablenken, vernachlässigen eher mal die Arbeit. Im normalen Büroumfeld unter den Kolleginnen und Kollegen bringen sie oft Topleistung – auf sich allein gestellt schaffen sie weniger. Experten und Expertinnen erwarten, dass die Leistung im Homeoffice in den kommenden Monaten noch stärker abfällt, wiederum vor allem bei Menschen mit geringerer Selbstdisziplin. «Sie leiden stärker unter sozialer Isolation», erklärt Institutsleiter Schulze. Er rechnet damit, dass es sogar verstärkt zu Depressionen kommen könnte, falls die Pandemie noch länger anhält – vor allem unter Singles und jungen Leuten, denen die sozialen Kontakte besonders fehlen. Aber was tun, wenn der Kollege nie erreichbar ist und seine Jobs nicht erledigt? Alexander Benedix, Führungstrainer aus Tägerwilen am Bodensee, sieht vor allem die Vorgesetzten in der Pflicht. «Vielen ist nicht klar, dass sie auf Distanz ihre Tätigkeiten intensivieren müssen.» Remote Work sei kein Selbstläufer, sondern brauche genau wie Büroarbeit einen Rahmen, Feedback und Anweisungen, betont Benedix. Er rät virtuellen Teamleitern, möglichst früh festzulegen, wann jemand erreichbar sein muss und wie schnell auf Nachrichten zu reagieren ist. «Auch eine Kernarbeitszeit zu definieren, kann Sinn machen.» Rückholaktion ins Büro Und was ist, wenn jemand im Team die Arbeit schleifen lässt? «Eine gute Führungskraft kennt die Leute und weiss, wer mehr Aufmerksamkeit, Struktur und Unterstützung braucht», findet Benedix. Solche Mitarbeitenden müssten stärker begleitet werden, zum Beispiel durch häufigere Gespräche. Professor Schulze empfiehlt als Mittel gegen Prokrastination im virtuellen Team ebenfalls regelmässigere Meetings – nicht nur einmal pro Woche, sondern womöglich täglich. «Studien zeigen, dass davon alle profitieren – Mitarbeitende mit hoher wie mit geringer Selbstdisziplin.» Trainer Benedix rät ausserdem, mit sogenannten Kanban-Boards zu arbeiten, auf denen jeder sehen kann, welche Aufgaben anstehen und wer seine Jobs schon erledigt hat. «Transparenz hilft», so der Experte für virtuelle Führung. Eines scheint ebenfalls klar: Einige Menschen werden sich im Homeoffice nie wohl fühlen. Deshalb werden die Unternehmen, wenn die Pandemie überwunden ist, auch weiterhin die Option anbieten, im Büro zu arbeiten. Führungsexperte Benedix hält das für richtig. «Unternehmen, die Hybridformate entwickeln, werden die Gewinner auf dem Arbeitsmarkt sein.» Und dann kann jemand, der im Homeoffice immer wieder komplett untertaucht, ganz einfach wieder zurück an den Schreibtisch im Grossraumbüro beordert werden. Dieser Text wurde das erste Mal am 22. April 2021 publiziert.

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Wie Chefs mit «Remote Ghosting» umgehen sollten