Die ganze Planungs-, Bau und Immobilienbranche gilt grundsätzlich als kritisch gegenüber Geschwindigkeit. Weshalb? Planungs und Projektierungsabläufe nehmen oft Jahre in Anspruch. Gebäude und Gebäudetechnik sind als Labor für Experimente nicht gerade prädestiniert, weil sie meist über Zeiträume von einer oder sogar mehreren Generationen voll funktionstüchtig sein müssen.

Trotzdem weht heute ein frischer Wind in der Branche. Nehmen wir als Beispiel Städtebau und Architektur: Die Zürcher Firma Halter Entwicklungen hat für das van Baerle-Areal in Münchenstein BL erstmals einen digitalen Architekturwettbewerb durchgeführt. Das heisst, dass schon die ganzen Vorgaben auf digitalen Standards beruhen (digitales Geländemodell, Geodaten und so weiter). Im Kern drehen sich der ganze Wettbewerb und die Jurierung um ein digitales 3D-Modell.

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Maschinen auf den Millimeter genau positionieren

Die beteiligten Partner betonen zwar, dass diese Vorgehensweise vorerst noch als Pilotversuch angelegt ist. Die digitale Planung und Beurteilung bietet aber wesentliche Vorzüge – die eingereichten Wettbewerbsbeiträge sind besser vergleichbar und funktionale Defizite kommen eher ans Licht als bei einem konventionellen Ablauf. Gemäss bisheriger Praxis würden die Architektenteams zu viel Zeit dafür verwenden, die «Schokoladenseite» ihrer Entwürfe zu zeigen – zum Beispiel mit eindrücklichen Gipsmodellen und fotorealistischen Visualisierungen. Das sagt Daniel Kapr von der Firma Raumgleiter, die mit der Durchführung des Wettbewerbs betraut war. «Dabei verleitet ein konventionelles Vorgehen dazu, allfällige funktionale Defizite eines Vorschlags zugunsten visueller Überzeugungskraft unter den Teppich zu kehren.»

In Anlehnung an die industrielle Revolution und die Automatisierung sprechen die Fachleute längst auch von der Baustelle 4.0. Was schon heute möglich ist, zeigt das deutsche Familienunternehmen Liebherr. Der Konzern – mit einer rechtlich selbstständigen Schweizer Firma gleichen Namens – zählt zu den grössten und innovativsten Herstellern von Baumaschinen weltweit. Das Ziel der Baustelle 4.0 lautet: Die bereits heute digital vorhandenen Planungsdaten aufgrund von Building Information Modeling (BIM) werden direkt auf Baumaschinen übertragen. Nehmen wir beispielsweise einen Baumeister, der auf einem Baufeld zwanzig Bohrungen vorzunehmen hat. Dank der Digitalisierung und Vernetzung ist er in der Lage, seine Maschine auf dem Gelände auf den Millimeter genau zu positionieren. Reto Studer von Liebherr Baumaschinen in Reiden LU sagt dazu: «Das kann man sich ähnlich vorstellen wie die Näherungssensoren bei Autos. Nur mit dem Unterschied, dass unser Fahrassistenzsystem eine sehr viel genauere Positionierung gestattet.» Umgekehrt lassen sich auch Daten von der Maschine exportieren, zum Beispiel zur Qualitätskontrolle. Das Fazit von Reto Studer lautet: «Die digitalen Daten aus unterschiedlichen Quellen ermöglichen es, diese Synergieeffekte optimal einzusetzen.»

SBB misst Besucherfrequenz an Bahnhöfen

Aktuell und in dieser Art einzigartig ist ein neuer Service, den Geschäftsmieter in grossen SBB-Bahnhöfen nutzen: Frequenzsensoren messen anonym die Aus- und Eintritte in den Bahnhöfen. Diese Daten werden über mathematische Algorithmen umgerechnet, auf das digitale Mietercockpit überspielt und bieten eine reiche Fülle an Informationen. Jeder Mieter weiss zuverlässig, mit welchem Passantenaufkommen er rechnen kann – sowohl im Tagesals auch im Wochen- oder Monatsverlauf. Dies gestattet eine wesentlich bessere Planung der gesamten Geschäftstätigkeit, insbesondere der Personalplanung. Seit Anfang dieses Jahres steht der Service in den Bahnhöfen Basel SBB, Bern, Genève Cornavin, Luzern und Zürich HB ausgewählten Mietern zur Verfügung. Laut Roman Schmidt von SBB Immobilien verläuft das Projekt sehr erfolgreich: «Ab April 2018 wird es schrittweise für weitere Geschäfte ausgerollt und laufend gemeinsam mit den Mietern weiterentwickelt.»

Als besonders gross gilt das Potenzial im Bereich der Immobilienbewirtschaftung von Geschäfts- und Wohnflächen. Fachleute schätzen, dass es sich bei über der Hälfte aller Erstkontakte von Mietern um rein repetitive Routineanfragen handelt (zum Beispiel Einzahlungsscheine oder Schlüssel bestellen und einfache Schadensmeldungen). Einen grossen Schritt in Richtung mehr Effizienz unternimmt jetzt Credit Suisse Asset Management mit neuen digitalen Services für rund 4000 Wohnungen: Über die entsprechende App haben Mieter unter anderem die Möglichkeit, direkt verschiedene Services wie Wohnungsreinigung oder Ferienservice zu bestellen. Hinzu kommen viele weitere Dienste und Informationen rund um die Nachbarschaft und die Wohnung. Mit den digitalen Living Services hat die Mieterschaft zudem einen direkten Draht zur Verwaltung: Über die App lassen sich Anfragen, Schadensmeldungen oder Beschwerden direkt übermitteln. Die Meldungen treffen rund um die Uhr bei der Bewirtschaftung ein und lassen sich effizienter bearbeiten.