Erinnern Sie sich noch an den grossen Goldcrash? Ich auch nicht. Schon das Wort passt schlecht in unsere Sprache, und das mit Grund: Der Preis für das Edelmetall unterliegt zwar Schwankungen, die heftig sein können; man kann von Korrekturen reden – so geschehen im August, als nach einem mehrmonatigen Pandemie-Boost eine Schubumkehr einsetzte. Aber wer Gold kauft, der weiss auch: Das Metall hat einen Boden. Es bleibt irgendwie wertvoll. Und am Ende findet sich immer jemand, der für ein Goldstück in eine tiefe Tasche greift.

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Deshalb ist Gold auch 2021 noch die Alternativwährung. Wie schon unter Nebudkadnezar, Caesar oder Montezuma gilt es als Gut, das die Zahlungsmittel des Staates im Nu ersetzen kann (wenn es sie nicht sowieso untermauert). Ganz logisch also, dass die Kleinanleger ihre Goldvorräte im letzten Jahr massiv ausbauten – wie sie das schon immer getan hatten in unsicheren Zeiten. Der Detailhandelsabsatz von Barren und Münzen hat sich 2020 verdreifacht.

Bitcoin als Bunker

Allerdings wurde das kaum beachtet. Angesichts des lebhaften Treibens bei Bitcoin oder Ether beschäftigten sich die Anleger, Experten und Medien lieber mit der Frage, ob derartige Konstrukte bald schon die Aufgaben der Währungen übernehmen werden – und wie gut sie diese in einer Grosskrise ersetzen könnten.

Denn die Kryptowährungen umgibt jetzt ein gewisses Armageddon-Flair: Sie könnten womöglich ein Bunker sein für den Fall, dass das aufgeblasene Notenbanksystem kollabiert. Oder sie könnten als Schutz dienen gegen finanzielle Repression durch klamme Regierungen.

«Es kann sich jeder selber fragen, ob er seine Notgroschen in einem System lagern will, für das er einen komplexen IT-Zugang braucht.»

Die digitalen Alternativ-Coins, so die Idee, werden ihre volle Kraft entfalten, wenn die Geldwerte der Zentralbanken schwächeln oder gar zerfallen. Dahinter wiederum steht die Vorstellung eines Gegensatzes – hier das traditionelle, ja überkommene «Fiatgeld»; da die Alternativen des 21. Jahrhunderts. Die Erwartung: Wenn die Menschheit dereinst das Vertrauen in den Dollar verliert, dann geht das direkt einher mit einem Vertrauensverlust bei Euro, Yen, Pfund, Krone, Franken.

Das war allerdings noch nie der Fall, wie die Schweizerische Nationalbank schon leidvoll erfahren musste: Wenn Leitwährungen an Ansehen verlieren, gewinnen Fluchtwährungen. Im Übrigen kann sich jeder fragen, ob er in einer geldpolitischen Weltrevolution seine Notgroschen in einem System gebunkert haben will, für das er selber einen IT-Zugang und der Rest der Welt ein barrierefreies Hostingnetz benötigt. Oder ob er nicht besser dran wäre mit ein paar Goldmünzen.

Bitcoin ist konsequent schlechter

Dass sie ohne zentrale Autorität funktionieren – dies macht den Charme von Bitcoin und Co. aus. Doch auch das Gold ist staatenlos und dennoch respektiert von Malakka bis Medellín. Es hat einen eigenen, intrinsischen Wert.

Und es ist weniger flatterhaft als die Kryptokurse (eine wichtige Bedingung, um als Ersatzgeld zu funktionieren). Es ist liquide und lässt sich selbst in turbulenten Zeiten schnell über weite Distanzen transferieren (wie europäische Handelshäuser mit allerlei Formen des Wechsels schon im Hochmittelalter bewiesen haben). Es dient erwiesenermassen als Inflationsschutz (was bei Bitcoin noch unklar ist). Es funktioniert als Hedge bei schweren Finanzkrisen (was bei Bitcoin offenbar nur begrenzt klappt).

Im Übrigen kann man es auch ganz gut dazu verwenden, sich finanziell vor dem Staat wegzuducken.

Kurz: Bitcoin ist konsequent schlechter. Wenn es um Wertaufbewahrung und Werterhaltung geht, taugt es weniger als Gold. Wenn eine Summe bezahlt beziehungsweise übertragen werden soll, ist es den gängigen Formen des E-Banking unterlegen.

Aber es ist trotzdem noch da, seit nunmehr zehn Jahren. Je länger es da ist, desto mehr verfestigt sich sein Ansehen, und Ansehen heisst Wert. Bitcoin ist, weil es ist. Das mag absurd klingen, doch es verrät viel über das Wesen des Geldes.

Allerdings muss man deshalb ja nicht gleich 50'000 Dollar pro Münze bezahlen.

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