Diese Schweizer Skigebiete werden von Superreichen finanziert

«Schweig, Suppenverkäufer!» So harsch bellte ein Gast Anfang der 1960er Jahre den Hotelier des Fünf-Sterne-Hauses Palace in Gstaad BE an. Heute wollen Multimillionäre und Milliardäre selber «Suppenverkäufer» sein. So besitzen Ex-Formel-1-Tycoon Bernie Ecclestone im Nobelkurort das Vier-Sterne-Hotel Olden, Unternehmerin Dona Bertarelli das Fünf-Sterne-Haus Grand Hotel Park und der Industrielle Jean-Claude Mimran mit dem Immobilienmakler Marcel Bach das Fünf-Sterne-Hotel Alpina. Hoteliers sind in Bergkurorten auf Bergbahnen angewiesen. Deshalb sind sie – wie die örtlichen Gewerbetreibenden, Stammgäste und Besitzer von Ferienresidenzen – Kleinaktionäre. Lokale Verbundenheit So besitze die Tschuggen Hotel Group der Erben des Milliardärs Karl-Heinz Kipp wegen ihrer Herbergen in Arosa GR traditionsbedingt ein kleines Aktienpaket an den Bergbahnen, sagt eine Sprecherin: «Wir unterstützen sie aus lokaler Verbundenheit. Involviert zu sein, ist wichtig, um zu wissen, was bei den Bahnen läuft.» Stehen die Anlagen vor dem Ruin, springen immer wieder vermögende Zweitwohnungs- und Hotelbesitzer als Retter ein. Im Saanenland haben bei allen Anlagen Multimillionäre und Milliardäre das Sagen. Marcel Bach war an zwei solchen Aktionen beteiligt. 2005 zum Beispiel stand das Skigebiet Glacier 3000 vor dem Konkurs. Die Kantone Bern und Waadt sowie die Gemeinde Saanen, zu der auch Gstaad gehört, schrieben 30 Millionen Franken ab. Die Aktien übernahmen Bach, Ecclestone, Mimran und der Russe Dmitry Rybolowlew.Wer zählt zu den Reichsten der Schweiz? Alle Listen zu den den 300 Reichsten der Schweiz: Mehr hier Sie hätten rund 40 Millionen Franken in das Bahnunternehmen eingebracht, sagt Bach: «Uns ging es nicht darum, Gewinn zu erzielen.» Der Erhalt des Skigebiets sei wichtig, «weil es schneesicher ist». Davon profitierten die ganze Region und alle Hotels. Zusammenlegung ist kein Thema Eine Zusammenlegung mit den Bergbahnen Destination Gstaad (BDG) ist für Bach kein Thema: «Die mussten ihre eigenen Probleme lösen, als sie sich 2016 neu aufstellen und refinanzieren mussten.» Auch diese Sanierung kostete die Kantone Bern und Waadt sowie die Gemeinden Dutzende von Millionen Franken. Als Retter in der Not sprangen Chaletbesitzer ein, darunter Donas Bruder Ernesto Bertarelli, der sich dafür gleich einen ganzen Berg kaufte, das Rellerli. Der Ex-Chef des Pharmakonzerns Serono plant dort eine Luxuslodge. Er gehört auch der Stammgäste-Vereinigung an, die den Bau einer neuen Gondelbahn auf den Gstaader Hausberg Eggli mit 8 Millionen Franken à fonds perdu unterstützt. Zudem erwarb deren AG Aktien für 2 Millionen Franken. Dafür dürfen die Gönner einen Stock des Berggasthauses als Lokal eines exklusiven Privatclubs nutzen. Wer sich beteiligt hat, soll geheim bleiben, deshalb ist im Geschäftsbericht nur vermerkt, dass «juristische Personen» und eine «Privatperson» mehr als 60 Prozent der Aktien halten. Auch in Klosters GR waren es vermögende Stammgäste, welche die angeschlagenen Bahnen auf die Madrisa unterstützten. Den Grossteil ihrer Aktien traten sie 2019 an den Spengler Thomas Steinmann und den Sanitär Roger Kunz in Klosters ab, welche die Bahnen nun auch gleich managen. Verlustrisiko bei Bergbahn-Investitionen Sie hätten investiert, so Kunz, weil die Bergbahnen einen grossen Anteil an der touristischen Wertschöpfung in Klosters hätten: «Ohne die Madrisa hätten wir weniger Aufträge und unsere Immobilien wären weniger wert.» Solche Investitionen in Bergbahnen sind mit einem erheblichen Verlustrisiko verbunden. Das zeigt deren wechselvolle Geschichte. Das Geld für die Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Bahnen in Orte wie Davos GR, Grindelwald BE, St. Moritz GR oder Zermatt VS stammte meist von Privatinvestoren aus dem Unterland. Das galt oft auch für Standseilbahnen wie jene auf die Schatzalp, bei deren Gründung der Banker Alfred Sarasin im Verwaltungsrat sass. Die Bahn war ein Zubringer zum dortigen Sanatorium. Heute ist es ein Hotel. 2003 übernahmen es der IT-Spezialist Pius App und der Hotelier Erich Schmid – samt Bahn und Skiliften auf den Strelapass. Transportanlagen für Sportler wie Skifahrer entstanden erst Ende der 1920er Jahre. Treiber waren Hoteliers und Gewerbler. Als jenen in St. Moritz in den 1930er Jahren das Geld ausging, sprang die Gemeinde ein. Grösse bestimmt Erfolg Und als zwanzig Jahre später die Gemeinde klamm war, finanzierte der schwerreiche griechische Reeder Stavros Niarchos die Bahn von der Corviglia auf den Piz Nair. Er gründete auch die Gesellschaft für die Bahn auf den Corvatsch. So wollen die Schweizer Top-Skigebiete nun Gäste anlocken Damals gab es in vielen prominenten Skiorten noch mehrere, sich konkurrenzierende Bergbahngesellschaften. Heute haben sich die Bahnen in den meisten Skigebieten zusammengeschlossen. Grösse ist wichtig, denn am erfolgreichsten ist, wer nicht nur Bergbahnen betreibt, sondern auch die Restaurants im Skigebiet sowie Hotels und Ferienappartements. Ein Geschäftsmodell, wie es in den USA gang und gäbe ist. In der Schweiz haben es als Erste zwei Quereinsteiger umgesetzt: Metzgermeister Walter Gurtner erschloss in Laax GR den Crap Sogn Gion. Sein Sohn Reto fusionierte 1996 das Unternehmen mit den Flimser Bahnen. Carlo Schertenleib investierte 1986 das Geld aus dem Verkauf seines Modeunternehmens in die Jakobshornbahnen in Davos. Ende der 1990er Jahre brachte er sein Unternehmen in dasjenige auf der Parsenn ein. Heute verfügen beide Firmen über die meisten Hotelbetten in ihren Regionen. Sawiris in Andermatt Nur ein Investor überragt die beiden: Der ägyptische Milliardär Samih Sawiris baut auf dem ehemaligen Militärgelände in Andermatt UR einen neuen Dorfteil mit 500 Ferienwohnungen, 28 Chalets und 6 Hotels. Gleichzeitig kontrolliert Sawiris die Bergbahnen im Hochtal, die mit Sedrun GR verbunden sind. Solch starke Ankeraktionäre können zu problematischen Abhängigkeiten führen. Der tschechische Milliardär Radovan Vitek stellte im Frühjahr 2018 den Betrieb der von ihm übernommenen Bergbahnen in Crans-Montana VS ein. Er hielt den Beitrag der Gemeinden an sein Unternehmen für zu klein. Daher sei es, wie in seinem Fall, für eine Bergbahn ein Vorteil, wenn die Standortgemeinde rund einen Drittel der Aktien besitze, sagt Peter Engler, Chef der Lenzerheide Bergbahnen: «Der Draht zu den Gemeindebehörden ist in einem solchen Fall kurz. Wenn wir ein Anliegen haben, beispielsweise einen Event oder ein Bauvorhaben planen, lässt es sich meist schneller umsetzen.» Umgekehrt sei eine Gemeinde so auch nicht erpressbar, wenn ein von Privataktionären kontrolliertes Bahnunternehmen etwas fordere. Beispielsweise eine Beteiligung an wichtigen Projekten in der technischen Beschneiung oder an Anlagen. Dieser Beitrag wurde am 16. Dezember 2020 erstmals publiziert.