Finanzethikerin Dorothea Baur über Fonds und die Greenwashing-Debatte

Es ist ein drastisches Zeichen für Banken auf der ganzen Welt: Die Polizei in Frankfurt hat die Büros der DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank, durchsucht. Der Vorwurf: Greenwashing. Die grünen Fonds der Bank seien gar nicht so grün, wie sie angepriesen wurden. Dorothea Baur, Beraterin für Ethik, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit zum Thema im Interview: Wie schätzen Sie das Thema Greenwashing ein? Dorothea Baur: Was mich an dem Thema nervt, ist eine unheilige Allianz: Auf der einen Seite sind Systemkritiker und Systemkritikerinnen, die finden, die grünen Anlagen seien alle Greenwashing. Auf der anderen Seite sind jene, die Nachhaltigkeit und die ganze Debatte um die Klimaerwärmung überflüssig finden. Und die beiden Lager schliessen sich jetzt ungewollt zusammen. Leider geben die Systemkritiker jenen Auftrieb, die sowieso in fossile Brennstoffe investieren wollen. Okay, aber die Kritiker können ja nicht einfach schweigen. Es gibt Greenwashing auch in der Schweiz, oder etwa nicht? Es ist nicht immer einfach, zu definieren, was Greenwashing ist. Manchmal schon. Wenn ein Finanzprodukt verkauft wird, in dem alle Anlagen ein bestimmtes hohes Nachhaltigkeitsrating haben sollen, etwa von der Firma MSCI, dann lässt sich das einfach überprüfen. Wenn dort Anlagen drin sind, die ein tieferes Rating haben, ist das Greenwashing. Aber so dumm würde eine Schweizer Bank kaum Greenwashing betreiben? Nein, natürlich nicht. Wenn aber der Vermögensverwalter Blackrock sagt, er setze sich für Nachhaltigkeit ein, aber an Generalversammlungen von Firmen kaum je Nachhaltigkeitsvorstösse unterstützt, dann könnte das Greenwashing sein. Aber klar definiert ist es nicht. Die Europäische Union definiert, was grün ist und was nicht. Das könnte auch eine Benchmark für die Schweizer Banken werden. Müssen wir in der Schweiz Razzien bei Banken erwarten? Nein, kaum, solange man nicht einen so klaren Whistleblower wie bei der Deutschen Bank hat. Okay, es gibt Greenwashing. Was können Anlegerinnen und Anleger tun, die nachhaltig investieren wollen? Privatanlegende müssen auf die bestehenden Etiketten von den Banken vertrauen. Idealerweise erhalten sie Einblick darin, wo sie genau investiert sind. Eine Garantie für wirklich nachhaltige Finanzprodukte ist das nicht. In nachhaltige Produkte zu investieren, ist besser, als nichts zu tun. Bei nachhaltigen Anlagen gilt der Spruch: Nützt es nichts, so schadet es nichts. Und es ist gut, wenn Anleger die Produkte genauer anschauen. Ja, wenn man nicht hinschaut, verbessert sich auch nichts. Aber der Weg zu besseren nachhaltigen Finanzprodukten ist lang. Das hängt auch damit zusammen, dass die Produktionskette bis zum Privatanleger lange ist. Die Fondsanbieter sagen, sie verlassen sich auf Anbieter von Nachhaltigkeitsratings, und die sagen, wir müssen uns auf die Angaben der Firmen selber verlassen. Die Unternehmen deklarieren ihre Nachhaltigkeit selber. Etwas genauer wird heute schon geschaut. Es gibt nicht nur Selbstdeklaration. Inzwischen gibt es auch Firmen, die ihre Angaben zur Nachhaltigkeit von externen Firmen revidieren lassen. All das ist für die Privatanlegenden schwierig zu überblicken. Sie müssen vertrauen. Und natürlich dranbleiben. Man kann nicht einfach mal einen nachhaltigen Fonds kaufen und dann meinen, jetzt sei das Thema erledigt. Sondern? Dranbleiben, News lesen, der Markt bewegt sich. Wenn rauskommt, dass der Fonds gar nicht so nachhaltig ist, muss man den verkaufen, durch einen besseren ersetzen. Zudem sollten Anleger auch immer wieder bei ihren Bankberatern nachfragen, wie es um die Nachhaltigkeit der Produkte genau steht. Das ist ein relativ neues Feld für die Berater. Können sie Fragen zur Nachhaltigkeit beantworten? Guter Punkt. Ich erarbeite derzeit ein Schulungskonzept für die Berater einer Bank. Da gibt es schon Bedarf. Woran machen Sie das fest? Es gibt Berater, deren Nachhaltigkeitsdiskussion mit Kunden fängt so an: «Man sagt ja, dass es den Klimawandel gibt …» Das zeigt, wie wenig dieses Thema bei den Beratern verinnerlicht ist. Stellen Sie sich vor, ein Autoverkäufer würde ein Auto so verkaufen: «Man sagt, dass dieses Auto sicher sei.» Das wäre seltsam. Wir müssen das Wissen der Berater erweitern und das Verantwortungsbewusstsein erhöhen.Zur Person Dorothea Baur ist selbstständige Beraterin für Ethik, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit mit Schwerpunkt Finanzen und Technologie. Sie berät Banken und Versicherungen zu Fragen der Ethik und Nachhaltigkeit. Unter anderem ist sie bei der Thurgauer Kantonalbank Vorsitzende des Fachrates Nachhaltigkeit.

Finanzethikerin Dorothea Baur über Fonds und die Greenwashing-Debatte

Ethikerin über grüne Fonds: «Wenn man nicht hinschaut, verbessert sich nichts»